gemeinsamePresseerklaerung

1965 – Ein dunkles Kapitel der indonesischen Geschichte

29. Oktober 2005

Südostasien Informationsstelle e.V. Watch Indonesia! e.V.

Gemeinsame Erklärung

zur Gedenkveranstaltung

„40 Jahre Genozid 1965 in Indonesien“,

Samstag, den 29. Oktober 2005 im Asienhaus Essen

 

Aufarbeitung als notwendige Voraussetzung für Demokratie

Im Zuge der Machtergreifung Suhartos in den Jahren 1965 – 1967 wurden in Indonesien schätzungsweise bis zu einer Million Menschen getötet. Die Opfer waren Mitglieder der Kommunistischen Partei Indonesiens (Partai Komunis Indonesia – PKI) und anderer linker Gruppen sowie deren angebliche Sympathisanten. Diese schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehören zu einem der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Indonesiens. Eine Aufarbeitung der Vergangenheit fand bis heute nicht statt. 40 Jahre nach diesen Ereignissen, mit denen Suhartos Neue Ordnung ihren Anfang nahm, warten Überlebende und Angehörige von Opfern auf Gerechtigkeit. Rund 20 Millionen leiden noch immer unter zahlreichen Formen von Stigmatisierung und Benachteiligung. Diskriminierende Gesetze verschließen ihnen die Teilhabe am normalen gesellschaftlichen und politischen Leben. Die traumatische Erfahrung von 1965 zu thematisieren, ist in weiten Teilen der Gesellschaft Indonesiens bis heute ein Tabu. Die Denk- und Verhaltensmuster, die durch die Neue Ordnung geschaffen wurden, bestimmen auch 7 Jahre nach dem erzwungenen Rücktritt des Diktators Suharto die Gesellschaft und die Politik des Landes. Um die Probleme Indonesiens zu meistern und ihm eine friedliche, stabile und sozial gerechte Zukunft zu sichern, bedarf es der Fähigkeit und Möglichkeit zu freiem und kreativem Denken. Dieses kann nur auf der Grundlage der Überwindung bestehender Tabus und der schonungslosen Aufarbeitung der Vergangenheit gedeihen. Eine solche Aufarbeitung ist unabdingbare Voraussetzung für Versöhnung in der Gesellschaft und die weitere Demokratisierung des Landes. Die Aufarbeitung der Vergangenheit ist somit eine Aufgabe, die sich keineswegs auf die Rehabilitierung der direkten Opfer und deren Angehörige beschränken darf. Sie ist vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit. Versuche, die Debatte um 1965 durch einen „Schlussstrich“ zu beenden oder ihr durch eine eher symbolische Versöhnungskommission zu begegnen, werden von den Opfern als Weigerung des Systems verstanden, sich seiner Verantwortung zu stellen. Beispiele aus Chile, Spanien und anderen Staaten zeigen jedoch, dass sich die Schatten der Vergangenheit nicht dauerhaft verdrängen lassen. Es gibt eine Fülle unterschiedlich erfolgreicher Versuche aus Staaten in Lateinamerika, Afrika, Europa und Asien, durch Tribunale, Wahrheitskommissionen, Dokumentations- und Gedenkstätten sowie öffentlichen Diskurs die jeweilige Vergangenheit aufzuarbeiten. Deutschland hat sich sogar mit gleich zwei Perioden totalitärer Systeme zu befassen. Bei beiden Aufarbeitungsprozessen gab es Erfolge, aber auch schwer wiegende Mängel zu verzeichnen. Und beide können bis heute nicht als abgeschlossen angesehen werden. Wir appellieren an die deutsche Regierung, wissenschaftliche Einrichtungen, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen, den Partnern in Indonesien diese Erfahrungen zugänglich zu machen und sie aktiv in dem schwierigen Prozess der Aufarbeitung der jüngeren Geschichte zu begleiten. Wir appellieren an die Regierung und das Parlament in Indonesien, die nötigen Rahmenbedingen dafür zu schaffen, dass die Wahrheit über die Ereignisse von 1965 – 1967 ans Licht gebracht wird. Opfer müssen Gerechtigkeit erfahren und Täter vor Gericht gestellt werden. Insbesondere appellieren wir an: 1. den Präsidenten der Republik Indonesien, Susilo Bambang Yudhoyono, seine Regierung und das Parlament (Dewan Perwakilan Rakyat – DPR und Majelis Permusyawarahan Rakyat – MPR), sämtliche Beschlüsse, Gesetze, Dekrete und Bestimmungen, welche bisher Grundlage der rechtlichen Diskriminierung angeblicher Kommunisten sind, für ungültig zu erklären. 2. die indonesische Regierung, materielle und ideelle Unterstützung an Organisationen zu leisten, welche an der Aufklärung der in den Jahren 1965/1966 und in den darauf folgenden Jahren der Diktatur verübten Verbrechen arbeiten, und diesen Organisationen wirksamen Schutz vor Übergriffen feindlich gesinnter Gruppen zu garantieren. 3. die indonesische Regierung, die Geschichtsschreibung in Schulbüchern und im öffentlichen Diskurs den tatsächlichen Ereignissen und den bislang darüber vorhandenen Erkenntnissen anzupassen. Essen, den 29. Oktober 2005 Südostasien Informationsstelle e.V. Bullmannaue 11 D-45327 Essen Tel +49-201-8303820/8303811 e-mail: soainfo@asienhaus.de http://www.asienhaus.de Watch Indonesia! e.V. Planufer 92 d D-10967 Berlin Tel./Fax +49-30-698 179 38 e-mail: watchindonesia@watchindonesia.org https://www.watchindonesia.de


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