Information und Analyse

Aceh: Tropenwald-Raubbau im Leuser-Nationalpark fordert neue Opfer
Die Katastrophe von Kutacane

03. November 2005

von Marianne Klute und Christian Offer

Am späten Abend des 18. Oktober wurde das Tal in der Nähe der Stadt Kutacane in der indonesischen Provinz Aceh auf Sumatra von Überschwemmungen und Erdrutschen heimgesucht.

Tagelange heftige Regenfälle hatten die Flüsse zu reißenden Strömen anschwellen lassen, die Erdrutsche verursachten und Schlamm, Felsbrocken und gefällte Baumstämme mit sich rissen. „Plötzlich war lautes Grollen aus den Bergen zu hören“, berichten Anwohner. Sieben Dörfer wurden unter den Wasser- und Schlamm-Massen begraben, die das Flussbett des Simpang hinunterdonnerten. Stromausfall und Brände waren die Folge, Panik brach aus.

Erste Schätzungen gingen von gut zwei Dutzend Toten, über hundert Verletzten und Tausenden Obdachlosen aus. Rund 2000 Menschen suchten Zuflucht in Turnhallen und auf dem Flugplatz von Kutacane.

Beobachter vor Ort schätzen die Zahl der Opfer noch höher ein, denn die Rettungsarbeiten gestalten sich äußerst schwierig: Schlamm, Felsen und kreuz und quer liegende Baumstämme versperren den Helfern den Weg; die Straße nach Medan, der Hauptstadt von Nord-Sumatra, war blockiert und ist noch immer nicht ganz frei.

Häuser, Gärten und Felder sind mit Schlamm, Holz und Steinbrocken übersät. Auch drei Moscheen, drei Schulen und ein Einkaufszentrum wurden zerstört oder beschädigt.

Die Gegend um Kutacane wurde seit den 1980er Jahren immer wieder von Überschwemmungen und Blitz-Fluten, sogenannten „Flash Floods“, heimgesucht. Im April 2005 starben im gleichen Regierungsbezirk 15 Menschen. Aceh hat während der letzten Jahre Hunderte Überschwemmungen und damit einhergehende Erdrutsche erlebt. In diese Serie reiht sich die Flut vom 18. Oktober jedoch als eine der schlimmsten ein. Es erinnert damit an die Flutkatastrophe vom 2. November 2003 in Bukit Lawang, auf der Ostseite des Gebirgszugs auf der Höhe von Kutacane, bei der mehr als 200 Menschen von mitgerissenen Baumstämmen erschlagen wurden.

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Straßenbau im Leuser-Nationalpark

Foto: Longgena Ginting

Die Ursache für derart verheerende Überschwemmungen ist gleichermaßen bekannt wie persistent: Die massive Waldzerstörung macht den Monsunregen zu einer Zeitbombe. Denn fehlt die schützende, wie ein Schwamm Wasser aufsaugende Walddecke, fließen die vom Himmel stürzenden Wassermassen größtenteils oberirdisch ab, wo sie neben fruchtbarem Boden alles mitreißen, was nicht niet- und nagelfest ist.

Umweltorganisationen (WALHI und MANDELA) berichten, dass vor Ort große Mengen von mächtigen Bäumen liegen. Die mitgerissenen Baumstämme lassen den Schluss zu, dass dies noch nicht abtransportierte Stämme der illegalen Holzfäller sind.

Kutacane liegt inmitten des riesigen Gunung-Leuser-Ökosystems, in dessen Zentrum sich der Leuser-Nationalpark befindet. In dessen höher gelegenen Regionen wird seit Jahren im großen Maßstab illegal Holz gefällt. Mindestens 650.000 Hektar Wald im Nationalpark sind bereits durch den illegalen Holzeinschlag stark geschädigt – auf rund 260.000 Hektar sind überhaupt keine Bäume mehr vorhanden.

Das „Netzwerk Ökologische Zukunft für Aceh“ (MANDELA) beobachtet seit einigen Monaten verstärkte Aktivitäten der illegalen Holzfäller im Leuser-Nationalpark im Windschatten des Wiederaufbaus der vom Tsunami verwüsteten Gebiete, für den in erster Linie Holz als Baustoff verwendet wird. Allein im Regierungsbezirk Aceh Tenggara konnten 17 illegale Holzeinschlagsunternehmen ermittelt werden.

Eine wahre „Holz-Mafia“ von transnationalen Schmuggelbanden und korrupten Konzernen treibt die Naturwälder an den Rand der Existenz – und stillt damit den ungebremsten Rohstoffhunger von Holz- und Papierindustrie. Das Militär verdient an allen Fronten und auf jeder Ebene am Holzgeschäft.

Für die Umweltorganisation WALHI Aceh gibt es neben dem kommerziellen Holzeinschlag noch einen weiteren Hauptverantwortlichen für die neuerliche Überschwemmungskatastrophe: Im Jahr 2002 wurde eine Straße fertiggestellt, die quer durch den Leuser-Nationalpark von Titi Pasir nach Bohorok führt. Sie durchschneidet eines der wichtigsten Wassereinzugsgebiete der Region und stört so den Wasserhaushalt massiv.

Diese Straße ist Teilstück des Straßennetzes „Ladia Galaska“ quer durch den Leuser-Nationalpark. Trotz internationaler Proteste wird weiter an der Ladia Galaska gebaut, besonders seit Juni 2003, kurz nach Verhängung des Kriegsrechts. <>


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