Information und Analyse

Die Suche nach Indonesiens Volksvermögen in den Löchern von Schweizer Käse

14. Februar 2011

von Alex Flor

Das Spielen der nationalen Karte ist in Indonesien ein bewährtes Mittel, die eigene Popularität zu steigern. Politiker aller Couleur und Personen des öffentlichen Lebens machen davon gerne Gebrauch. Nicht immer ziehen sie daraus den erhofften Nutzen, aber geschadet hat es noch keinem. Nahezu unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen wird daher gegen das Ausland polemisiert, wo immer sich Gelegenheit bietet. Ob sich nun jüngst der weithin als unfähig angesehene islamistische Kommunikationsminister Tifatul Sembiring mit dem kanadischen Hersteller der beliebten Handymarke Blackberry anlegte, indem er ihn für die Verbreitung der Pornographie in Indonesien verantwortlich machte, ob das Militär vermeintliche Interessen des Westens als Ursache für die Probleme in Papua darstellt, oder ob verschlafene Wirtschaftsunternehmen, die den Anschluss verpasst haben, Stimmung gegen die Globalisierung machen – das Muster ist immer das selbe: schuld ist das (westliche) Ausland!

Kaum jemand wird die Frage stellen, warum es nur zwei indonesische Unternehmen geschafft haben, auf die Liste der 100 Geheimtipps aufgenommen zu werden, denen die Boston Consulting Group eine große Zukunft voraussagt: der Nahrungsmittelkonzern Indofood und der von Aburizal Bakrie, dem Vorsitzenden der nach wie vor mächtigen ehemaligen Staatspartei Golkar, geführte Kohlekonzern Bumi Resources. Das wesentlich kleinere Thailand ist mit doppelt so vielen Unternehmen auf der Liste vertreten. <http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3924&Alias=wzo&cob=542185>

Freilich stehen Indonesiens nationale Werte und das neu erwachte Selbstbewusstsein in Asien nicht alleine. Namentlich China und Indien erheben bei jeder Gelegenheit den Anspruch als Weltmächte angesehen, und entsprechend behandelt zu werden.

Gestiegenes Selbstbewusstsein in Asien

Die Handelszeitung vom 11. Februar 2011 (s. Anhang) stellt daher das selbstbewusste Auftreten Indiens und Indonesiens auf eine Ebene und hält diesem Bild die in beiden Staaten chronische und wirtschaftsschädigende Korruption entgegen. Im Unterschied zu Indonesien sind in China und Indien – trotz chronischer Korruption – mittlerweile einige der größten Konzerne der Welt (Stahl, Autos) beheimatet und beide Länder verfügen über eine äußerst innovative Wirtschaftskraft. Kein führender Softwarehersteller kommt heute ohne indische Programmierer aus. Die bekanntesten Produkte der beiden führenden Konzerne in Indonesien dagegen sind unveredelte Steinkohle und Fertignudeln.

Vielleicht wäre es an der Zeit, Korruption nicht nur generell anzuprangern und nach absoluten Summen unterschlagener Gelder zu bemessen, sondern auch ein Ranking der jeweiligen dadurch bedingten wirtschaftsschädigenden Wirkung einzuführen. Ein Bauer, der jeden Tag 20% der Milch seiner Kühe an der Genossenschaft vorbei unter der Hand verscherbelt ist korrupt. Aber sein korruptes Handeln erscheint geradezu nachhaltig im Vergleich zu dem Bauern, der die Kühe seiner Genossenschaft zu Tode melkt.

SBY sucht „gestohlene Gelder“ in den Löchern von Schweizer Käse

Wie die Handelszeitung berichtet, nutzte Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono (SBY) seinen Auftritt beim jährlichen Treffen der Reichen – und nicht immer – Schönen in Davos, zu einem neuerlichen Ausspielen der nationalen Karte. Vor internationalem Publikum forderte er das Gastgeberland Schweiz zur „Zusammenarbeit beim Wiederauffinden der gestohlenen Gelder? von korrupten indonesischen Staatsbürgern auf. Mit großer Wahrscheinlichkeit entbehrt dieses Anliegen keineswegs der Grundlage. Die (einstigen) Vorzüge des Schweizer Bankgeheimnisses sind schließlich kein Geheimwissen deutscher Millionäre.

Wäre das Interesse des Präsidenten tatsächlich das Wiederauffinden dieser Gelder gewesen, wäre ein etwas diplomatischeres Auftreten sicher hilfreicher gewesen. Das weiß auch SBY. Offensichtlich ging es ihm in Wahrheit lediglich darum, mit seiner Rhetorik in der Heimat einen Punkterfolg zu landen. Doch der Versuch schlug fehl. Die politische Debatte in Indonesien wird derzeit von anderen Themen dominiert. SBYs beherzter Angriff auf die Schweiz fand keinen nennenswerten Niederschlag in den heimischen Medien. Und Frau Calmy-Rey, Präsidentin der Schweiz, erklärte ihrem indonesischen Amtskollegen diplomatisch, die Schweiz wolle kooperieren, aber dafür brauche sie Dokumente.

Die vereitelte Suche nach Suhartos Schweizer Konten

Dokumente! Vielleicht erinnerte sich Calmy-Rey an die Suche nach den mutmaßlich auf Schweizer Konten lagernden Milliarden von Ex-Diktator Suharto. 2001 machte die indonesische Regierung auf Druck von NGOs und Aktivisten einen Vorstoß, um die Schweiz zur Kooperation zur Aufdeckung dieser Konten zu bewegen. Um zunächst die Sperrung der Konten zu veranlassen, benötigte die Schweiz den Nachweis, dass gegen Suharto ein Strafverfahren im Gange sei. Doch leider konnte Indonesien diesen Nachweis nie erbringen. Denn ein formelles Strafverfahren gegen den Ex-Diktator wurde nie eröffnet, vorgeblich wegen seines schlechten Gesundheitszustandes (s. https://www.watchindonesia.de/13000/suhartos-konten-in-der-schweiz?lang=de).

Es wäre ein Leichtes gewesen, den Prozess gegen Suharto in absentia zu eröffnen, selbst auf die Gefahr hin, dass der Angeklagte aus gesundheitlichen Gründen nie zu einer Verhandlung hätte vorgeführt werden können. Die formelle Eröffnung eines Verfahrens hätte ausgereicht, um der Schweiz den benötigten Nachweis zu liefern, der vielleicht zur Aufdeckung von Konten hätte führen können. Aber es fehlte am politischen Willen. Lieber verzichtete man auf einige Milliarden, als dass man den Mann, dessen Günstlingswirtschaft auch viele Justizbeamte ihre  Karriere zu verdanken haben, vor Gericht stellte. Den Verlust der mutmaßlich verschwundenen Milliarden hatte das indonesische Volk zu tragen. Die Gehälter derer, die das Verfahren niederschlugen, blieben dagegen stabil.

Der Plan von SBY ging in die Hosen. Zu Hause konnte er nicht punkten. Im Ausland hat er sich blamiert. Vielleicht ein erster Anfang zur Erkenntnis, dass nationale Polemik letztlich doch nicht immer und überall zum Erfolg führt? <>

 


Handelszeitung, 11. Februar 2011

SCHWARZGELD

Jäger der versteckten Milliarden

Christoph Hein

 

Seit je haben Asiens Eliten ihr Geld im Ausland in Sicherheit gebracht. Nun wollen die Regierungen es zurückholen. Im Blickpunkt stehen einmal mehr Schweizer Banken.

Es war ein kalter, strahlender Tag in Davos. Susilo Bambang Yudhoyono nutzte sein erstes Wochenende in den Schweizer Bergen, um das Thema Schwarzgeld mit Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey zu thematisieren. «Das Erste, was ich zur Sprache brachte, war eine Zusammenarbeit beim Wiederauffinden der gestohlenen Gelder», sagte Indonesiens Präsident. Und er machte auch gleich klar, wo er sie zumindest teilweise vermutet: In der Schweiz.

Für das südostasiatische Land geht es um Geld und Ehre. 6,76 Milliarden Rupiah (rund 770 Millionen Franken) wurden als Staatshilfen an die zusammengebrochene Bank Century gezahlt. Die Beihilfen sind aber wohl in Taschen von Geschäftsleuten und Politikern versickert. Der Generalstaatsanwalt wirft den Eigentümern des Instituts vor, über 1 Milliarde Dollar auf Auslandskonten gebracht zu haben.

Mehr als 500 Milliarden

Die asiatischen Schwellenländer machen mobil gegen die Banken der Reichen. Indonesien ist der neuste Fall. Im Zentrum aber steht Indien. «Seit der Unabhängigkeit 1948 beläuft sich der Verlust Indiens durch illegale Transfers ins Ausland auf deutlich mehr als 500 Milliarden Dollar», rechnen die Analysten von Global Financial Integrity vor. Die illegalen Abflüsse verringerten die Devisenreserven und das Steueraufkommen. «Damit treffen sie die Armen Indiens und vergrössern die Einkommensschere», warnt Raymond Baker, Direktor der Analysefirma.

Hinter den Abflüssen dürften in vielen Fällen Familiendynastien stehen, deren Tentakel sich von der Unternehmenslandschaft bis in höchste Positionen der Politik strecken. «In Indien und Indonesien sind die Kosten der Korruption besonders hoch. Die Politik schuf dort Monopole, die Zusatzgewinne hervorbrachten, welche den Familienmitgliedern von Funktionsträgern zugute kommen. Das ist wachstumsschädigend», sagt der indische Ökonom Jagdish Bhagwati.

Das Hinterziehen von Steuern ist in Indonesien und Indien gang und gäbe. Ein Beispiel: Allein in der Wirtschaftsmetropole Mumbai sollen dem Fiskus im Fiskaljahr 2009/10 gut 5,8 Milliarden Rupien (rund 160 Millionen Franken) Dienstleistungssteuer entgangen sein, berichten die Behörden. Wer von den Betrügern kann, trägt sein Geld ins Ausland.

Als exemplarisch für die Wirren um das Schwarze Geld gilt der Fall des indischen Waffenhändlers Hasan Ali Khan. Er soll 6, 7 oder gar 9 Milliarden Dollar unter anderem auf Konten der UBS deponiert haben – so genau weiss das niemand. Beweise bleiben die Inder schuldig. Gleichwohl machen sie Front: «Die Schweizer Bundesverwaltung wies unsere Ersuchen mehrfach zurück, Informationen zu erteilen. Die Begründung lautete, dass Informationen über Einlagen von indischen Bürgern durch das Bankgeheimnis geschützt seien», heisst es beim Finanzministerium in Neu Delhi. Nun aber räumte Finanzminister Pranab Mukherjee ein, dass die Dokumente, die den Besitz belegen sollten, sich als gefälscht erwiesen.

Das Tauziehen bleibt allgemein bizarr: Denn Indiens Regierung hat dem Obersten Gericht Anfang des Jahres 26 Namen von Geldwäschern und Steuerhinterziehern übergeben, die illegale Auslandstransaktionen vorgenommen haben sollen – in einem zugeklebten Couvert. Die Richter in Delhi wiesen darauf hin, dass die Quelle dieser Gelder Drogen- und Terrorgeschäfte sowie Waffenschiebereien sein könnten. Zugleich bemängelten sie, dass der Briefumschlag nur mit dem Namen eines Direktors im Finanzministerium abgezeichnet worden sei, nicht etwa vom Minister: «Dies zeigt, wie ernst die Regierung das Thema nimmt.»

Auch wenn die Schweizer Banken derzeit im Fokus stehen – es muss nicht alles über den Standort Schweiz laufen. Banker vermuten, dass vielleicht sogar der grössere Anteil indischen und indonesischen Geldes zu Niederlassungen der Vermögensmanager in Singapur fliesst. Alle wichtigen Institute Europas sind dort vertreten. Doch auch der Stadtstaat beginnt, sich den internationalen Gepflogenheiten anzupassen und unrechtmässige Transfers offenzulegen.

Geplagtes Volk

Derweil tobt das Volk weiter. Seit Wochen wird die Regierung von einer Fülle von Bestechungsskandalen erschüttert. So wurde Anfang Februar der frühere Telekommunikationsminister verhaftet, weil er Mobilfunklizenzen bis zu 29 Milliarden Dollar unter Wert abgegeben haben soll. Zuvor wurden Ministerpräsidenten, der Chef des Organisationskomitees der Commonwealth Games und Generäle abgesetzt, weil sie sich in die eigenen Taschen gewirtschaftet hatten. Skandal auf Skandal trifft die indische Öffentlichkeit zu Zeiten, in denen die Preise für Zwiebeln, Tomaten oder Kümmel durch die Decke schiessen. Die Kluft zwischen der Elite, die sich selbst bereichert, und der breiten Masse, die ihre Grundnahrungsmittel kaum noch bezahlen kann, wird immer weiter.

«Ganz einfach Plünderung»

Nach Auffassung von Arun Kumar, Professor der Nehru-Universität und Verfasser des Buches «Die Schwarze Wirtschaft Indiens», umfasst die Schattenwirtschaft bis zu 50 Prozent des indischen Bruttoinlandproduktes. «Politiker, Bürokraten und Geschäftsleute profitieren am meisten – also haben sie auch keine Eile, diese aufzuklären», sagt Kumar. Allein die Grössenordnungen lassen jetzt die indische Justiz aufhorchen. «Es ist ganz einfach eine Plünderung des Landes, Raub. Mit so etwas haben auch die Bonbons, die Doppelbesteuerungsabkommen bieten, nichts zu tun», heisst es in einem Richterspruch des Obersten Gerichtshofes in Delhi. Was auch immer daran ist – das Image der Schweiz und ihrer Banken leidet in Asien enorm. Nicht bei ihren Klienten, wohl aber in der breiten Bevölkerung. Doch die Schweizer verlangen, dass ihnen korrekte Anfragen mit allen Materialien überstellt werden. Dies aber haben bislang weder Indonesien noch Indien fertiggebracht. Im Fall Hasan Ali warten die Schweizer seit 2007 auf vollständige Unterlagen. Und der indonesische Präsident Yudhoyono berichtete nach seinem Treffen mit Calmy-Rey: «Sie erklärte mir, dass die Schweiz kooperieren will, aber Dokumente brauche.»  <>


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