“#TalkAboutPapua“ – Zerstörung im Namen der Entwicklung: Food Estates und „grüne“ Energie in Westpapua

Veranstaltungsbericht von Mutiara Tinellung

Am 23. Oktober 2025, luden Watch Indonesia!, das Westpapua-Netzwerk und die Stiftung Asienhaus zu einem weiteren #TalkAboutPapua in das Berlin Global Village in Berlin-Neukölln ein. Thema war ein sogenanntes „Food Estate“-Projekt (Proyek Lumbung Pangan Nasional, PLPN) der indonesischen Regierung in Westpapua. Dabei handelt es sich um eine geplante Megaplantage auf rund drei Millionen Hektar Land für den Anbau von Reis und Zuckerrohr – vorgeblich zum Zweck der Ernährungssicherung und der Produktion „grüner“ Energie.

Als Einstieg in das Thema wurde der Kurzfilm Langit Terbelah di Papua“ („Papuan Skies“) des investigativen Medienprojekts The Gecko Project vorgestellt. Anschließend fand ein Gespräch zwischen Publikum und zwei Aktivistinnen aus Jayapura statt.

Filmscreening „Langit Terbelah di Papua“

Die Dokumentation „Langit Terbelah di Papua“ begleitet den Fotojournalisten Ulet Ifansasti auf seiner Reise durch den südlichen Teil Westpapuas - insbesondere in der Region um Wanam in der Provinz Merauke – um die Auswirkungen des „Food Estate“-Projekts zu dokumentieren, für das große Flächen Regenwald abgeholzt werden. Dieser ist nicht nur essenzieller Bestandteil zur Eindämmung der Klimakrise, sondern auch Lebensraum für einzigartige Flora und Fauna und eine existenzielle Lebensgrundlage für die indigene Bevölkerung vor Ort.

Allein in der Region im Süden Papuas umfasst das Projekt eine Fläche von insgesamt 1,6 Millionen Hektar – etwa ein Drittel der Fläche Belgiens, wie es die Dokumentation eindrucksvoll darstellt. Der Film zeigt mehrere persönliche Porträts: Menschen aus den betroffenen Dörfern, die ihre Sorge um ihre Heimat, ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder äußern. Das Filmteam dokumentiert, wie in mehreren Dörfern Bagger und Maschinen bereits in den Regenwald vordringen und Flächen gerodet werden – stets begleitet von militärischer Präsenz. Ein Anwohner berichtet von rund 2.000 Soldaten, die seit dem Beginn der Rodung in seinem Ort stationiert worden seien. Ebenfalls legt der Film offen, dass jegliche vorherige Konsultation und Absprache mit den Gemeindemitgliedern vor Ort nie stattfanden. Ein Sprecher des Legal Aid Office Papuas betont zudem die rechtlichen Verstöße, die mit dem Großprojekt in Verbindung stehen.

Diskussion mit Aktivistinnen aus Westpapua

Die beiden Aktivistinnen aus Jayapura stellten zunächst sich und ihre Arbeit vor und gaben anschließend – da der Film bereits letztes Jahr entstand – Einblicke in die aktuelle Situation um den Food Estate. Sie berichteten, dass zwei der im Film interviewten Personen seit den Dreharbeiten Einschüchterungen und Gewalt erfahren haben. Zudem erzählten die Aktivistinnen von rechtlichen Maßnahmen, die von der lokalen Bevölkerung ergriffen worden seien - jedoch vergeblich. Versuche, juristisch gegen beteiligte Unternehmen wie der Jhonlin Group vorzugehen, bleiben erfolglos.

Danach folgte die Diskussion mit dem Publikum. Eine der ersten Fragen richtete sich nach der Anzahl der stationierten Soldaten in den betroffenen Gebieten in Westpapua. Dies sei schwer einzuschätzen, entgegneten die Aktivistinnen. Es gäbe keine offiziellen Zahlen durch die indonesische Regierung. Lediglich die Namen der Militäreinheiten würden preisgegeben werden. Dies verdeutlicht die Intransparenz, mit der das Projekt unter Begleitung des Militärs durchgeführt wird. Eine weitere zentrale Frage thematisierte, welche Schutzmechanismen greifen könnten, wenn der Staat – welcher die Rechte ihrer Bürger:innen garantieren sollte - selbst für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist. Die Aktivistinnen erklärten daraufhin, dass die lokale Bevölkerung über eigene Strategien verfüge, den Regenwald zu schützen, der von der Regierung abgerodet werden soll. Rechtlicher Schutz bliebe aus, da in Indonesien kein Gesetz existiere, welches den Schutz indigener Gemeinschaften garantiert.

Herausforderungen der Öffentlichkeitsarbeit

Mehrfach fragten die Anwesenden, wie vermehrt Aufmerksamkeit für die Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen in Westpapua generiert werden könnte. Soziale Medien seien in der Theorie ein gutes Werkzeug für das Erreichen von Menschen. Im Kontext von Westpapua bliebe jedoch zu beachten, dass es in der Vergangenheit vermehrt zu gezielten Internetausfällen durch die indonesische Regierung kam – insbesondere bei politischen Ausschreitungen. Dies schränkt die Berichterstattung enorm ein. Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Verbreitung des Kampfes an die Öffentlichkeit ist, dass auch finanzielle Transaktionen von Aktivist:innen und NGOs durch die indonesische Regierung überwacht und kontrolliert würden. Konten werden willkürlich gesperrt und solidarische Menschen als „Separatisten" diffamiert und diskreditiert. Dies dämmt die Effektivität von Spendengeldern massiv ein.

Horizontale Konflikte und die Rolle religiöser Gemeinschaften

Ein Thema, welches ebenfalls wiederholt zur Sprache kam, waren sogenannte “horizontal conflicts”. Gemeint sind in diesem Kontext Konflikte zwischen verschiedenen Stämmen innerhalb der von den Rodungen betroffenen Regionen, die durch die Ausbeutungspolitik und die ungleiche Ressourcenzuteilung die das “Food-Estate”-Projekt zu verantworten hat, ausgelöst werden. In diesem Zusammenhang wurden auch Fragen zur Rolle der lokalen Kirchen gestellt. Die Aktivistinnen betonten, dass kirchliche Akteure eine wichtige Rolle vor allem in der Seelsorge der belasteten Bevölkerung einnehmen. Andererseits kommt es auch immer wieder zur Polarisierung innerhalb kirchlicher Kreise, da einzelne Pastoren entweder durch Mangel an Wissen oder aber durch persönliche Nähe zur indonesischen Regierung oder bestimmten Unternehmen das Großprojekt unterstützen.

Ausblick und Hoffnung

Die Diskussions- und Fragerunde endete mit der Frage nach den Hoffnungen und den Wünschen der Aktivistinnen für die Zukunft. Sie erklärten, dass sie sich danach sehnen, dass mehr und mehr Menschen von der Wichtigkeit und der Schönheit Westpapuas erfahren und somit den Diskurs und den Kampf um Gerechtigkeit am Laufen halten. Dabei sei es wichtig, stets über die Situation vor Ort zu informieren, zu reden und zu diskutieren. Sei es in Veranstaltungen wie dieser, oder aber auch durch das Verwenden von Hashtags wie etwa #SavePapuaRainforest.

Insgesamt machte die Veranstaltung eindrucksvoll deutlich, wie eng Umweltzerstörung, private Interessen, steigende Militarisierung und Menschenrechtsverletzungen in Westpapua miteinander verflochten sind. Der Film „Papuan Skies“ und die anschließende Diskussion gaben nicht nur einen Einblick in die lokalen Lebensrealitäten der Menschen vor Ort, sondern auch in die strukturellen Hürden, mit denen jeglicher Aktivismus und internationale Solidarität konfrontiert sind. Die Berichte der Aktivistinnen zeigten, dass der Kampf um Land, Menschenrechte und Selbstbestimmung in Westpapua noch lange nicht zu Ende ist.