Zeitschrift SUARA

Osttimoresische Aktivisten in Deutschland

Indonesien-Information Nr. 3, April 1995

„In einem demokratischen Indonesien könnte auch Osttimor seinen Platz finden“

k-demoTimTimIndo

Demonstration in Hannover 1995

Foto: Monika Schlicher

Auf Einladung der Watch Indonesia! Osttimor-Gruppe besuchten sechs Osttimoresen vom 30.03 – 14.04.1995 Deutschland, um auf die Annexion ihres Landes durch Indonesien aufmerksam zu machen. Die Hannovermesse bot hierzu eine gute Gelegenheit, da dieses Jahr Indonesien als Partnerland auserkoren war und Präsident Suharto aus diesem Anlass eigens mit einer Delegation aus Regierungs- und Wirtschaftsvertretern nach Deutschland kam.

1995 ist für Indonesien ein sehr symbolträchtiges Jahr und steht ganz im Zeichen von 50 Jahren Unabhängigkeit und der Befreiung aus den kolonialen Fesseln. Vor 50 Jahren machte ein Land sich auf, um zum Ankläger von Unterdrückung und Fremdherrschaft und zum Fürsprecher von Demokratie, Meinungsfreiheit und soziale Gerechtigkeit zu werden. Doch diese demokratische Periode Indonesiens ist schon lange Vergangenheit: 1995 heißt nämlich auch 30 Jahre technokratische Militärdiktatur unter Präsident Suharto und seinen Generälen. Und noch ein „Jubiläum“ krönt das Jahr 1995: 20 Jahre ist es nun her, dass die indonesischen Streitkräfte die ehemalige portugiesische Kolonie Osttimor überfallen und besetzt haben.

Nicht etwa die Befreiung Osttimors vom portugiesischen Kolonialismus stand damals auf dem Programm, sondern vielmehr galt es ein unabhängiges und demokratisches Osttimor zu verhindern. Aus Sicht der Vereinten Nationen, und wie jüngst auch vom Internationalen Gerichtshof bestätigt (International World Court, Press Release 538/03.07.1995), gilt der Dekolonisationsprozess in Osttimor als unterbrochen und das Land als ein Nicht-Selbstverwaltetes-Gebiet (Non-Self-Governing-Territory) mit dem Recht auf Selbstbestimmung. Das heißt, völkerrechtlich ist Portugal, die ehemalige Kolonialmacht, noch immer die Verwaltungsmacht von Osttimor und die Integration in den Vielvölkerstaat Indonesien wird nicht anerkannt.

Seit 20 Jahren reißen Meldungen über Repressionen und schwere Menschenrechtsverletzungen in Osttimor nicht ab – doch sie gehören nicht zu unserem Alltag; nur selten lesen wir davon in der Zeitung, noch seltener sehen wir Berichte über Osttimor im Fernsehen. Die schweren Menschenrechtsverletzungen sind logische Folge und Konsequenz der Verweigerung des geforderten Rechtes auf Selbstbestimmung.

Der osttimoresische Widerstand im Wandel

In den 20 Jahren der Besetzung hat sich die Art des Widerstandes gewandelt: dominierte in der ersten Hälfte, bis etwa Mitte der 80er Jahre, der bewaffnete Widerstand der Guerillakämpfer, so steht heute der gewaltfreie, zivile Widerstand im Vordergrund, der mehr denn je zu einer nationalen Bewegung gewachsen ist.

Entsprechend hat sich das Zentrum des Widerstandes in die größeren Städte verlagert. Aktiv getragen wird der Widerstand vor allem von jungen OsttimoresInnen, die unter indonesischer Herrschaft aufgewachsen sind und keine Angst mehr haben, öffentlich ihre Meinung kund zu tun. Um dieser gewandelten Form des Widerstandes Rechnung zu tragen, wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Führer des bewaffneten Widerstandes, Xanana Gusmão, 1988 der „Nationale Widerstandsrat Ost-Timors“ (CNRM) ins Leben gerufen; ein breites, jedem offenstehendes Widerstandsbündnis, in dem sich die alten Parteien ebenso wiederfinden, wie neue Gruppierungen, wie der zivile und studentische Widerstand und Vertreter der Kirche Osttimors. Der Nationale Widerstandsrat Osttimors ist ein Dachverband, der alle Gruppierungen vertritt, die für das Selbstbestimmungsrecht der OsttimoresInnen eintreten.

Dem indonesichen Repressionsapparat zum Trotz nutzen die OsttimoresInnen jede Möglichkeit zu öffentlichen Protestaktionen gegen die Fremdherrschaft. In Koordination mit dem Widerstand in den Bergen, organisiert der Widerstand in den Städten Osttimors Demonstrationen beim Besuch von ausländischen Persönlichkeiten und Journalisten, um auf die Situation in ihrem Land aufmerksam zu machen.

Traurige Berühmtheit erlangte die Demonstration am 12. November 1991, besser bekannt als das Massaker vom Santa-Cruz-Friedhof. Das Militär schoss damals ohne Vorwarnung in einen friedlichen Demonstrationszug und tötete mehr als 270 Menschen. Von vielen Menschen fehlt bis heute jede Spur – verschwunden! Dieses Massaker war keine Einzelaktion oder gar ein Unfall – es war lediglich ein weiteres Massaker in der leidvollen Geschichte Osttimors unter indonesischer Herrschaft. Nur durch die zufällige Anwesenheit von ausländischen Journalisten und Filmreportern sorgte das Massaker für weltweite Bestürzung. Verwundete Augenzeugen berichten von weiteren Ermordungen im Militärhospital, wohin die Verletzten gebracht wurden.

Unser Gast Aviano Antonio de Silva Faria nahm an dieser Demonstration gegen die Besetzung Osttimors durch Indonesien teil: „Ich war unter den Verwundeten, die vom Santa-Cruz Friedhof ins Krankenhaus gebracht wurden. Wir wurden auf Lastwagen gelegt, Tote und Verwundete. Wir wurden abgeladen wie Fracht, auf den schmutzigen Boden geworfen und dann in eine Leichenhalle gebracht. Ich täuschte vor, tot zu sein, und nachdem die Soldaten den Raum verlassen und abgeschlossen hatten, stand ich auf und identifizierte einige Freunde und Freundinnen. Viele lebten. Ich sah viele Mädchen und Jungen schwer verwundet, aber am Leben. Etwa 15 oder 20 Minuten später kamen zwei Soldaten, die einen Felsbrocken trugen, den einer dazu verwendete, die Schädel derer zu zerschmettern, die lebten. Der andere benutzte sein Gewehr, um mit dem Kolben auf unsere Köpfe zu schlagen. Ich täuschte weiterhin vor, tot zu sein. Dann, als der andere mit dem Stein auf mich zielte, stand ich auf. Er war überrascht. Ich bat ihn, mich nicht zu töten, weil ich ein Informant und nur auf Grund eines Fehlers hier gelandet sei. Er schlug mit seinem Gewehr auf meinen Kopf und brach mir den Schädel. Sie brachten mich ins Krankenhaus, in einen Bereich wo nur Frauen und Mädchen waren. Sie erzählten mir, daß sie alle vergewaltigt worden waren. Ich wurde mehrmals zu Verhören abgeholt. Nach zwei Monaten im Krankenhaus wurde ich gezwungen eine Erklärung zu unterschreiben, daß ich als Informant arbeiten werde. Ich tat dies, um mein Leben zu retten.“

João Antonio Dias

Etwa 200 Verwundete wurden dorthin gebracht. Ich sah mit meinen eigenen Augen, wie indonesische Sicherheitskräfte Felsbrocken verwendeten, um Verwundeten den Schädel zu zertrümmern; ich sah Armee-Lastwagen, die vor dem Krankenhausgebäude über am Boden liegende Verwundete fuhren; ich sah mit meinen eigenen Augen, wie indonesische Sicherheitskräfte tödliche Tabletten verwendeten, um die Verwundeten zu vergiften. Die Indonesier wollten den Verwundeten anfangs Schwefelsäure injizieren. Aber ich hörte sie miteinander streiten, daß das große Schmerzen verursachen und die Opfer laut schreien würden. Sie fragten die Ärzte dann nach einigen Medikamenten. Die Ärzte brachten einen Krug voller Tabletten, die dann den Verwundeten verabreicht wurden. Die Opfer begannen ihre Kraft zu verlieren, der Atem wurde schwächer und sie starben schnell. Indonesische Ärzte arbeiteten bei den Tötungen zusammen und ich nenne die Namen von Dr. Nyoman Wynata, Direktor des Krankenhauses, Dr. Baban und einige andere indonesische Ärzte, die für sechs Monate Dienst auf Osttimor taten.“

Nach dem Massaker wurden alle anwesenden Angestellten zusammengerufen und von ihren Vorgesetzten auf absolutes Stillschweigen verpflichtet. Drohungen, Beförderungen und Sonderzulagen taten ein übriges. João Antonio Dias gelang es, einige der Pillen außer Landes zu schmuggeln. Um ihn jedoch nicht zu gefährden, zögerten internationale Menschenrechtsorganisationen mit der Bekanntgabe der Untersuchung und der Berichte von ihm, Aviano und anderen. Sich der Verantwortung für das Erlebte bewusst, bitten João und Aviano darum, einen Computerkurs in Jakarta besuchen zu dürfen. Anfang 1993 gelingt den beiden die Ausreise nach Bangkok, wo sie sich bei der portugiesischen Botschaft meldeten. Sie leben heute in Lissabon. Im März 1993 sagten sie vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Genf aus. Einem breiten Publikum sind die beiden auch durch ihre Aussagen in John Pilger’s Osttimor Film „Death of a Nation“ bekannt. Dieser Film sorgte für Aufsehen, da erstmals darüber berichtet wurde, dass es nach dem Massaker von Santa-Cruz ein weiteres grausames Massaker an Überlebenden gegeben hat.

Der studentische Widerstand: Die RENETIL

Im Zuge der Öffnung Osttimors um die Mitte der achtziger Jahre versuchte die indonesische Regierung osttimoresischen Studenten mit Stipendien für das Studium an indonesische Universitäten für sich zu gewinnen. Anderen wiederum eröffnete sie die Möglichkeit, in Fabriken auf Java, Batam, und Kalimantan zu arbeiten, und so der Arbeitslosigkeit in Osttimor zu entkommen.

Die Studenten und Arbeiter nutzten diese Möglichkeit, doch nicht im Sinne der indonesischen Regierung. Allen Kontrollen und Einschüchterungsversuchen zum Trotz bauten die Studenten und Arbeiter einen gut funktionierenden Widerstand im Untergrund auf. Die RENETIL, der studentische Widerstand Osttimors nimmt die Arbeit in Indonesien auf: die Operation lautet „Mit dem Feind leben“. 10% ihrer Stipendien führen sie für Medikamente und Kleidung an den Widerstand in den Bergen Osttimors ab.

Gegenüber Vorgesetzten, Militärs und sonstigen Vertretern der indonesischen Behörden und Regierung, die ein besonderes Auge auf sie haben, geben sich die Osttimoresen als absolut integrationsfreundlich aus. Dies zum Teil so überzeugend, dass einige von ihnen sogar in hohe Vertrauenspositionen kommen. Doch hinter ihrem Rücken versorgen sie internationale Menschenrechtsgremien mit aktuellen Informationen und bauten ein gut funktionierendes Netzwerk mit der Außenwelt auf.

Nicht minder bedeutsam ist die Vernetzung innerhalb Indonesiens: der osttimoresische Widerstand und die indonesische Demokratiebewegung stehen heute Seite an Seite. Sich für ein demokratisches Indonesien einzusetzen, heißt einen Beitrag zur Lösung des Osttimor-Konfliktes zu leisten, umgekehrt bedeutet sich für die Lösung des Osttimor-Konfiktes einzusetzen, einen Beitrag zur Demokratisierung Indonesiens zu leisten. So können sich heute auch viele Osttimoresen vorstellen, dass Ostttimor in einem demokratischen Indonesien, nach der Überwindung der technokratischen Militärherrschaft, durchaus seinen Platz hätte.

Die bislang öffentlichkeitswirksamste Aktion der RENETIL war die Besetzung der US-Botschaft in Jakarta zum APEC-Gipfeltreffen im November letzten Jahres. Der Tag der Besetzung markierte zugleich den 3. Jahrestag des Santa-Cruz-Massakers. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit gelang es 29 ost-timoresischen Studenten und Arbeitern den Zaun der US-Botschaft zu überwinden: die Besetzung Osttimors wurde zum Gipfelthema. Obwohl keine ihrer Forderungen erfüllt wurde, war die Aktion ein großer Erfolg. Tagelang beherrschten sie die internationalen Medien und Suhartos geplante Selbstinszenierung als weltmännischer Gastgeber war kläglich gescheitert. Ein weiterer Verbleib der Osttimoresen in Indonesien nach dieser Aktion wäre ein großes Risiko gewesen, denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass den Garantien der indonesischen Regierung kein Glauben zu schenken ist. Um die Untergrundorganisation zu schützen, nahmen die Osttimoresen Ende November das Angebot der portugiesischen Regierung auf Asyl an. In enger Zusammenarbeit mit der US-Botschaft bewerkstelligte das Internationale Rote Kreuz die Überführung der Osttimoresen nach Portugal. Mit der Besetzung der US-Botschaft haben sie Präsident Suharto und seine Regierung aus Militärs und Technokraten empfindlich getroffen und sie der Welt vorgeführt. Vor allem aber haben sie Suharto mit dieser Aktion unmissverständlich gezeigt, daß der osttimoresische Widerstand jetzt vor seiner Haustür angekommen ist. Sie stehen im Herzen des Landes, mitten in Jakarta.

Domingos_Alves

Domingos Sarmento Alves

Foto: Monika Schlicher

Domingos Sarmento Alves ist der Sprecher der 29 Osttimoresen, die die US-Botschaft besetzt haben. Er gehört dem Führungsgremium der RENETIL an. Vitor Tavares und Luciano Valentim da Conceição waren ebenfalls an der Botschaftsbesetzung beteiligt.

José Manuel Oliveira Sousa nahm an der Santa-Cruz Demonstration teil. Im Juni 1993 flüchtete er sich, zusammen mit zwei weiteren Osttimoresen, in die schwedische Botschaft in Jakarta und bat dort um Asyl. Sie wurden abgewiesen. Mit Hilfe von indonesischen Menschenrechtsorganisation und durch die Vermittlung des Internationalen Roten Kreuzes gelang ihnen ein halbes Jahr später die Ausreise. Für alle osttimoresischen Aktivisten gilt, dass sie aufgrund der politischen Umstände ihr Land und ihre Familien verlassen mussten. Keineswegs hat sie die Aussicht auf ein besseres Leben dazu bewegt, nach Portugal zu gehen. Einige lebten schon in Indonesien für Jahre im Untergrund, anderen wiederum waren die indonesischen Sicherheitskräfte dicht auf den Fersen.

Das Besuchsprogramm

Neben dem Mitwirken an Aktionen rund um die Hannovermesse, haben wir mit Verantwortlichen von politischen Stiftungen, Parteien, entwicklungspolitischen Institutionen und kirchlichen Organisationen die aktuelle Situation in Osttimor und die möglichen Lösungsansätze erörtert. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Termine mit Pressevertretern. Am Abend standen in einer Reihe von Städten quer durch die Republik öffentliche Informationsveranstaltungen auf dem Programm. Diese Veranstaltungen führten wir zusammen mit örtlichen Gruppen von amnesty international durch, mit der Aktion Dritte Welt e.V. in Freiburg, der Initiative für die Menschenrechte aller BürgerInnen der ASEAN-Staaten (IMBAS) in Frankfurt, dem AStA der Universität Hannover, dem Förderverein für internationale Kommunikation, Hannover, der Gruppe „Timor und kein Trupp“ in Berlin und in Dresden.

Gerne hätten wir uns mit VertreterInnen weiterer Organisationen und Parteien getroffen, doch zum einen setzte uns die Zeit Grenzen, zum anderen waren viele der Angesprochenen wegen der zeitgleich stattfindenden Haushaltsdebatte und der darauffolgenden Parlamentspause, sowie der Osterfeiertage nicht erreichbar. An der Rundreise nahmen

Aviano Antonio da Silva Faria, João Antonio Dias und Domingos Sarmento Alves teil, deren Einladung uns durch die finanzielle Unterstützung des Internationalen Solidaritätsfonds Bündnis 90/DIE GRÜNEN, dem katholischen Hilfswerk MISEREOR e.V. und der Stiftung Umverteilen! – Für eine solidarische Welt ermöglicht wurde.

Vitor Tavares, Luciano Valentim da Conceição und José Manuel Oliveira Sousa nahmen an Aktionen in Hannover und Dresden teil, wo sie ebenfalls Vorträge über ihr persönliches Schicksal und die Situation in Osttimor hielten.

Der Reiseverlauf

Unsere Reise führte uns zunächst nach Hannover, wo anlässlich der Hannover-Messe eine Vielzahl von Veranstaltungen und Aktionen unter dem Motto „Indonesien – kein Partner für die Menschenrechte“ geplant waren. Am Freitag, dem 31.3. sprach Aviano da Silva Faria auf der Pressekonferenz der Gesellschaft für bedrohte Völker vor der Staatskanzlei des Ministerpräsidenten von Niedersachsen. Danch wurde er zusammen mit einem Vertreter der Papuas von der Frau des niedersächsischen Ministerpräsidenten, Frau Hiltrud Schröder, in Vertretung ihres Mannes in die Staatskanzlei empfangen. Frau Schröder nahm sich eine Stunde Zeit und zeigte sich sehr interessiert. Sie bat um weitere Informationen zu Osttimor und Westpapua und drückte ihr Bedauern darüber aus, dass wirtschaftliche Interessen Vorrang vor den Menschenrechten hätten. Ihren Mann wolle sie über das Gespräch informieren.

Zur gleichen Zeit sprach João Antonio Dias in Bonn auf der Pressekonferenz von amnesty international. Der Samstag, 1.4.95, stand ganz im Zeichen der Demonstration, zu der amnesty international und eine Vielzahl von weiteren Gruppen bundesweit aufgerufen hatten. Aviano Antonio da Silva Faria trat als Redner auf und berichtete über seine Erlebnisse während des Santa-Cruz-Massakers. Viele Menschen traten danach spontan auf ihn zu, um ihm die Hand zu schütteln und ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Am Sonntagmorgen stand eine Matinee-Veranstaltung im Deutschen Theater in Göttingen auf dem Programm. Diese, wie auch die folgenden öffentlichen Veranstaltungen liefen so ab, dass Aviano und João Augenzeugenberichte über das Massaker von Santa-Cruz abgaben und Domingos über den Widerstand in Osttimor und Indonesien sprach, über die US-Botschaftsbesetzung sowie über die jüngsten Ereignisse. Zu der Veranstaltung hatte die amnesty-Gruppe Göttingen, die seit vielen Jahren zu Osttimor arbeitet, eingeladen. Am Nachmittag ging es wieder zurück nach Hannover.

Joao_Antonio_Dias

João Antonio Dias & Jean Pierre Ferreira: Ökumenischer Gottesdienst in der Marktkirche Hannover

Foto: Monika Schlicher

Beim ökumenischen Gottesdienst in der Marktkirche, der ebenfalls unter dem Motto „Indonesien – kein Partner für die Menschenrechte“ stand, gab João Antonio Dias Zeugnis seiner Erlebnisse. Am nächsten Tag (3.4.) statteten wir der Evangelischen Kirche Deutschlands einen Besuch ab. Eingeladen waren wir von Bischof Rolf Koppe, der in der Marktkirche auch die Predigt gehalten hatte. Der Bischof zeigte sich sehr an der jetzigen Situation der Osttimoresen in Portugal interessiert. Danach trafen wir uns mit dem Menschenrechtsbeauftragten der Evangelischen Kirche. Das Gespräch drehte sich um Menschenrechtsverletzungen und Repressalien, um die Sicherheit ihrer Familien und die Rolle der Kirche in Osttimor. Eine öffentliche Veranstaltung im Cafe International rundete den Tag ab. Auf Einladung vom AStA Hannover waren ca. 35 Personen gekommen.

Gleich drei Interviews gaben die Osttimoresen bei der Deutschen Welle in Köln. Über ihre „speaking tour“ in Deutschland, den Suharto-Besuch zur Hannovermesse und ihre politischen Forderungen standen sie den Abteilungen Brasilien, Portugal und Indonesien Rede und Antwort.

Vor der Veranstaltung mit der amnesty-Gruppe Köln am Abend trafen wir uns noch mit einem Journalisten des Kölner Stadtanzeigers. Am 5. und 6.4. standen in Bonn und Umgebung Gespräche mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Friedrich-Naumann-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung auf dem Programm. Die Osttimoresen schilderten die Situation in ihrem Heimatland und gaben eine Analyse der jüngsten Ereignisse, wie das Auftreten von Todesschwadronen („Ninjas“) in Osttimor sowie die Bedeutung und Möglichkeit der Intra-timoresischen Gespräche unter Schirmherrschaft der UN. Es wurde kontrovers über politische Lösungsmöglichkeiten gesprochen und sämtliche Wege aus dem politischen Engpass in einem konstruktiven Gespräch erörtert. Vom Vertreter der Friedrich-Naumann-Stiftung kam der Vorschlag, OsttimoresInnen künftig zu den von der Naumann-Stiftung veranstalteten Internationalen Konferenzen zu Menschenrechten und Menschenrechtsverletzungen einzuladen.

Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Frankfurt in den Presseclub, wo wir zusammen mit dem Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt zu einer Pressekonferenz eingeladen haben. Danach gab es eine öffentliche Veranstaltung im Club Voltaire.

Am 7.4. führte uns unsere Reise nach Berlin, wo eine Veranstaltung im Haus der Demokratie auf dem Programm stand. Diese Veranstaltung wurde zusammen mit der Gruppe „Timor und kein Trupp“ durchgeführt, einer ostdeutschen Gruppe, die aktiv (Schiffsbesetzung in Peenemünde!) gegen den Verkauf von 39 Schiffen aus NVA-Beständen an Indonesien eintrat und den Zusammenhang zwischen Rüstungsexporten und Menschenrechtsverletzungen in Indonesien und Osttimor aufzeigte. Zeit für einen Stadtrundgang und für die jüngste deutsche Geschichte nahmen wir uns am nächsten Tag, dann ging es zurück nach Heidelberg. Dort fand am Sonntagabend die nächste Veranstaltung zum Thema „Osttimor – kein Paradies für Menschenrechte“ in Zusammenarbeit mit der örtlichen amnesty-Gruppe im Deutsch-Amerikanischen Institut statt.

Am folgenden Tag (10.4.) besuchten wir das Nord-Süd-Referat der SPD in Bonn und trafen uns mit der Referentin der SPD-Bundestagsfraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Auch hier standen wieder die Möglichkeiten, die OsttimoresInnen in ihrem Kampf um Selbstbestimmung zu unterstützen, im Vordergrund. Unsere Gesprächspartner nutzten die Gelegeheit, sich ausführlich und detailliert über die jüngsten Entwicklungen in Osttimor und Indonesien zu informieren und unsere Gäste zu ihren Einschätzungen der Entwicklungen zu hören. Inhaltlich drehte sich das Gespräch um die Erschießungen von sechs Zivilisten in Liquisa und die Rolle der Nationalen Menschenrechtskommission in dieser Untersuchung, die von der Kirche in Osttimor gebildete Menschenrechtskommission, das Auftreten von Todesschwadronen und die Haltung und Empfehlungen der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen. Unsere allabendliche Veranstaltung führte uns an diesem Tag nach Mannheim ins Stadthaus.

Unter dem Motto: „Augenzeugen berichten über Massaker in Osttimor“ stand die Veranstaltung in der Universität Freiburg (11.4.). Eingeladen hatten, neben Watch Indonesia!, die örtliche amnesty-Gruppe und die Aktion Dritte Welt e.V.. Dies war zugleich die größte Veranstaltung, rund 85 Personen kamen, darunter auch einige Pressevertreter.

Der letzte Tag unserer Reise führte uns noch einmal nach Bonn. Zunächst stand ein Gesprächstermin im Auswärtigen Amt auf dem Programm. Empfangen wurden wir vom Referatsleiter für Südostasien. Danach besuchten wir die Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE) in Bonn und fuhren dann weiter zu Misereor nach Aachen. Mit dem Länderreferenten der EZE sprachen wir über deren verschiedene Projekte in Indonesien und Osttimor. Danach war die Rolle der katholischen wie auch der evangelischen Kirche in Indonesien und Osttimor Gegenstand des Gesprächs. Bei Misereor empfingen uns die Referentin für Entwicklungspolitik und Menschenrechte und die Projektleiterin. Vertreter von Missio und Justitia et Pax konnten aus terminlichen Gründen leider nicht am Gespräch teilnehmen, sie übermittelten Grüße. Das Gespräch wurde eingeleitet mit einen Überblick über die Arbeit von Misereor in Indonesien und Osttimor. Ausführlich erörterten wir die Situation der osttimoresischen Studenten in Indonesien und die Arbeit des Widerstandes. Möglichkeiten der verstärkten Zusammenarbeit und Hilfe standen im Mittelpunkt des Gesprächs.

Resümee

Von Seiten der Osttimoresen, wie auch von uns, wurde die Informationsreise als Erfolg gewertet. Durch ihren Besuch hat die deutsche Öffentlichkeit sehr viel mehr über Osttimor erfahren können und, was wichtig ist, direkt aus erster Hand. Unsere Gäste hatten bei allen Besuchsterminen das Gefühl, dass sie mit ihren Anliegen durchaus ernst genommen werden und dass für die Probleme Osttimors bei allen Gesprächspartnern ein Bewußtsein da ist: Osttimor ist weder ein hoffnungsloser, noch ein vergessener Fall.

Beeindruckt zeigten sich die Gäste von der großen Hilfsbereitschaft. Mit Vertretern aus Politik und Kirche wurden konkrete Möglichkeiten der Unterstützung und Zusammenarbeit erörtert und zum Teil auch vereinbart. Die Osttimoresen formulierten dabei die folgenden Forderungen:

  • gegenüber indonesischen Partnern und in internationalen Gremien für das Recht auf Selbstbestimmung der OsttimoresInnen eintreten und die Forderung nach einem Referendum unterstützen,
  • die Menschenrechtsverletzungen in Osttimor anprangern,
  • die Unabhängigkeit und die Position der katholischen Kirche sichern und stärken,
  • direkte Kontakte vor Ort herstellen, möglichst über die Kirche Einfluss auf die deutsche Regierung, besonders im Hinblick auf Waffenexporte, ausüben,
  • sich für die Freilassung von politischen Gefangenen in Indonesien und Osttimor einsetzen,
  • die Position der portugiesischen Regierung stärken und auf Indonesien international Druck ausüben,
  • eine Reduzierung des militärischen Kontingents in Osttimor fordern,
  • für einen ständigen UN-Beobachter in Osttimor einzutreten,
  • Osttimor zu thematisieren, insbesondere auch auf internationalen Konferenzen.

Wir hoffen, dass unsere Rundreise mit dazu beigetragen hat, die Notwendigkeit der Lösung des Osttimor-Konfliktes aufzuzeigen, und hoffen, auch in Zukunft mit unseren Gesprächspartnern konstruktiv auf eine Verbesserung der Situation in Osttimor, wie auch auf eine Lösung des Problems hinarbeiten zu können. Die osttimoresischen Aktivisten in Portugal wollen ihren Kampf für die Freiheit Osttimors nun aktiv auf der diplomatischen Ebene fortzusetzen, nachdem sie in Osttimor und in Indonesien nur im Untergrund operieren konnten. Wir wollen auch in Zukunft eng mit den osttimoresischen Aktivisten in Lissabon zusammenarbeiten und ihre Arbeit in allen Belangen unterstützen. Dies schließt auch finanzielle Unterstützung mit ein. Die meisten der osttimoresischen Flüchtlingen sind ohne persönliches Hab und Gut in Portugal angekommen, nur mit den Kleidern am Leib. Sie sind in Sammelunterkünften untergebracht, an staatlicher Unterstützung erhalten sie 160 DM im Monat und ein Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel im Großraum Lissabon. Es sind Nichtregierungsorganisationen, wie die „Comissão para os Direitos do Povo Maubere“ (CDPM), die „Associacão 12 Novembro“ und „Paz e Possivel em Timor Leste“, die die osttimoresische Flüchtlingsgemeinde in Lissabon in juristischen und materiellen Dingen beraten und unterstützen, sie auf dem Gang durch die Institutionen begleiten und Sprachkurse anbieten, denn die meisten der Osttimoresen sprechen nur Bahasa Indonesia und Tetum, aber kein Portugiesisch mehr. Das tägliche Leben der Osttimoresen wird von enormen Problemen begleitet. Die Bewältigung dieser belastenden täglichen Probleme bringt viel Frustration mit sich und kostet sehr viel Zeit und Energie.


Tags: , , , , , , , , , , , ,


Share