Presseerklaerung

Indonesischer Generalkonsul bekennt sich zu „Schocktherapie“

Berlin, 10. März 1998

pasporIm Prozeß vor dem Verwaltungsgericht (PTUN) in Jakarta sagte der kürzlich abgelöste indonesische Generalkonsul in Berlin, Indra Damanik, vorige Woche aus, er wollte den in Berlin lebenden Studenten Iwan Setiabudi mittels einer „Schocktherapie“ zu einem „guten Staatsbürger“ erziehen.

Anstatt routinemäßig seinen Reisepaß um fünf Jahre zu verlängern, hatte das indonesische Generalkonsulat Iwan Setiabudi im vergangenen Jahr nur eine Verlängerung um ein Jahr gewährt. Die normalerweise nur wenige Tage dauernde Bearbeitungszeit dehnte sich in diesem Falle auf volle vier Monate aus. Somit mußte Iwan Setiabudi bereits nach acht Monaten erneut eine Verlängerung beantragen, für die die volle Bearbeitungsgebühr zu entrichten war. Iwan Setiabudi sieht darin einen Akt von Behördenwillkür, um ihn für seine politischen Aktivitäten abzustrafen, und legte am zuständigen Verwaltungsgericht in Jakarta Klage ein.

Damanik bestätigte nun Iwan Setiabudis Vermutung: „Die Paßverlängerung um nur ein Jahr war eine Disziplinierungsmaßnahme und auch, um ihm in der Hoffnung, daß der Betreffende sich wieder den Regeln entsprechend verhält, ins Bewußtsein zu rufen, nicht unser eigenes Volk schlechtzumachen,“ erklärte Damanik mit Nachdruck.

Damanik erklärte weiter, er selbst habe sogar empfohlen, Iwan wegen seiner „anti-indonesischen Aktivitäten“ überhaupt keinen Paß mehr auszustellen. Aber das zuständige Außenministerium in Jakarta habe aus Rücksichtnahme auf Iwans Studium befunden, ihm ein Jahr Verlängerung zu gewähren. Damanik gab zu, daß sich in den geltenden gesetzlichen Bestimmungen keine Grundlage für ein solches Vorgehen findet, im Einzelfall aber dennoch so entschieden werde. Des weiteren bestätigte Damanik, Iwan Setiabudi entgegen der üblichen Praxis einen Fragebogen vorgelegt zu haben, in dem er über seine politischen Aktivitäten Auskunft geben sollte.

Als Aktivist der Indonesischen Studentenvereinigung in Deutschland (PPI) hatte Iwan Setiabudi den Zorn des Generalkonsulats auf sich gezogen, als er sich Anfang 1996 als Entlastungszeuge im Fall gegen den verfolgten Dissidenten Dr. Sri-Bintang Pamungkas zur Verfügung gestellt hatte. Das Berliner Generalkonsulat war damals maßgeblich an der Anklage gegen Sri-Bintang beteiligt, dem vorgeworfen wurde, während einer Rede an der TU Berlin den indonesischen Staatspräsidenten Suharto beleidigt zu haben. Sri-Bintang Pamungkas wurde aufgrund dieses Vorwurfs zu 34 Monaten Haft verurteilt. Zuvor hatte das Generalkonsulat in Berlin vier Belastungszeugen mitsamt der im Gericht verwendeten manipulierten Tonbandmitschnitte von Sri-Bintangs Rede auf ihren Einsatz in Jakarta vorbereitet.

Des weiteren mißfielen Damanik Iwans Teilnahme an einer Demonstration vor dem Berliner Generalkonsulat, zu dem Watch Indonesia! anläßlich der Ereignisse vom 27. Juli 1996 in Jakarta und des daraufhin erlassenen Schießbefehls gegen Demonstranten aufgerufen hatte, sowie Iwans Rolle als Mitunterzeichner eines Aufrufes der PPI, wegen mangelnder demokratischer Verhältnisse die Parlamentswahlen 1997 zu boykottieren. Die gegen Iwan Setiabudi verhängte Schocktherapie“ ist kein Einzelfall. Unter den im Ausland lebenden IndonesierInnen ist der Entzug des Reisepasses – der einer kalten Ausbürgerung gleichkommt – ein wohlbekanntes Druckmittel der Botschaften und Konsulate auf unangepaßte oder mißliebige indonesische Staatsbürger. Allen hier lebenden IndonesierInnen sind Beispiele von Leuten bekannt, die nicht mehr nach Hause zurückkehren können, weil ihnen der Paß entzogen wurde. Und alle verstehen die unausgesprochene Warnung, wenn jemand seinen Paß anstatt der üblichen 5 Jahre nur um ein Jahr oder gar nur um drei Monate verlängert bekommt.

Das System der Einschüchterung funktioniert bestens – die meisten Indonesier im Ausland haben mehr Angst, frei ihre Meinung zu äußern als in Indonesien selbst. Denn das Risiko in der Verbannung leben zu müssen ist für die meisten schlimmer zu ertragen als das Risiko, zu Hause vielleicht ins Gefängnis zu kommen. <>


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