"In the Spotlight"

Dramatisierung der Lage? – Vorwürfe gegen World Vision

22. Januar 2005

Der folgende Beitrag aus der heutigen Ausgabe der Frankfurter Rundschau berichtet von Vorwürfen der Dramatisierung seitens der Hilfsorganisation World Vision. Am Neujahrstag habe die Organisation fälschlicherweise die Nachricht verbreitet, in den von der Flutkatastrophe betroffenen Gebieten, namentlich in Sri Lanka, sei die Cholera ausgebrochen. Der Vorwurf gipfelt darin, die Falschmeldung sei absichtlich verbreitet worden, um die Betroffenheit zu schüren und somit mehr Spenden zu bekommen.

Zur Ehrenrettung von World Vision sei darauf hingewiesen, dass auch Watch Indonesia! Berichte von Helfern in Aceh erhielt, in denen ebenfalls von Cholera die Rede war. Es handelte sich hierbei um Berichte von nicht medizinisch geschultem Hilfspersonal, welches  Probleme hat, Cholera von „choleraähnlichen Durchfallerkrankungen“ – so der offizielle Fachjargon des festgestellten Krankheitsbildes – zu unterscheiden. Der manchmal etwas laxe Umgang mit der (in diesem Falle indonesischen) Sprache tut ein Übriges zum Aufkommen solcher Meldungen.

Der gegenüber World Vision erhobene Vorwurf der absichtlichen Dramatisierung der Lage scheint daher nicht gerechtfertigt. Im Übrigen ist es angesichts des Ausmaßes der realen Situation wohl kaum nötig selbige noch zu dramatisieren. Was sollte sich an einer Katastrophe, in deren Folge noch drei Wochen danach täglich etwa so viele Tote geborgen werden wie der Anschlag auf das World Trade Center insgesamt gekostet hat noch dramatisieren lassen?

Pressestellen von Hilfsorganisationen und Medien sollten diesen Vorfall allerdings zum Anlass nehmen, auch „authentische“ Berichte von vor Ort künftig einer kritischeren Überprüfung zu unterziehen.

Alex Flor
Watch Indonesia!


 

Frankfurter Rundschau, 22. Januar 2005

FLUTHILFE :  Harsche Vorwürfe gegen World Vision

Die Hilfsorganisation World Vision weist Kritik zurück, laut der sie versucht habe, nach der Flutwelle mit dramatisierten Berichten mehr Spenden zu bekommen.

VON PETRA MIES (FRANKFURT A. M.)

Hilfsorganisation
World Vision Deutschland gehört zur weltweiten World Vision-Partnerschaft mit 14.000 Mitarbeitern in fast 100 Ländern. Die deutsche Sektion hat bisher drei Millionen Euro für die Flut-Opfer gesammelt – hinzu kommen die Spenden für die „Aktion Deutschland Hilft“. Pms

„Wir bauschen keine Zahlen auf, die wir nicht verifizieren können“, sagte Kurt Bangert, Sprecher von World Vision Deutschland, auf FR-Anfrage. Der Hessische Rundfunk und Michael Konken, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes, hatten der Hilfsorganisation vorgeworfen, dass einer ihrer Pressesprecher fälschlicherweise am Neujahrstag erklärt habe, dass in einem Lager in Sri Lanka die Cholera ausgebrochen sei. Nur das Dementi des sri-lankischen Gesundheitsministers habe Panik in der Bevölkerung verhindern können. Überdies habe World Vision übertrieben hohe Opferzahlen verbreitet. Ihr Sprecher habe Tage nach dem Tsunami berichtet, er sei im Süden Sri Lankas über die halbverweste Leiche eines Säuglings gestolpert, den niemand beerdigt habe. „So kann man die Welt nicht mit Nachrichten versorgen“, erklärte Konken. „World Vision versucht durch diese Dramatisierung höchstwahrscheinlich mehr Spenden zu bekommen als andere.“

Deren Sprecher weist die Vorwürfe zurück. Bangert räumt zwar ein, dass World Vision-Mitarbeiter Sönke Weiß nach einem Gespräch mit einem Arzt im Flüchtlingslager in Sri Lanka über angeblich vier diagnostizierte Cholera-Fälle „diese unbestätigte Information an einen Journalisten der Deutschen Presse-Agentur weitergegeben hat“. Aber das sei niemals als offizielle Pressemitteilung von World Vision veröffentlicht worden, und auch Weiß habe „vor einem Millionen-Fernsehpublikum in der SAT 1-Gala gesagt, dass er keine offizielle Bestätigung für die Cholera-Fälle bekommen hat“. Es sei zwar ein Fehler gewesen, „so leichtfertig mit einem Journalisten zu sprechen und nur einen Arzt zu zitieren“, sagt Bangert. „Aber wir dachten, dass die Sache nach der Gala ausgestanden sei.“ Der World Vision-Sprecher glaubt, „dass man uns was ans Zeug flicken will“. Auch die zu hohe Zahl von zwei Millionen Opfern „ist weder als offizielle Erklärung von uns gekommen noch von uns verbreitet worden“, sagte Bangert.

World Vision, das auch der „Aktion Deutschland Hilft“ angehört, hat das Spenden-Siegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). DZI-Leiter Burkhard Wilke verneinte auf FR-Anfrage, dass World Vision nach der Kritik das Siegel entzogen bekäme. „Das ist verfrüht, wir müssen die Vorwürfe erst einmal in Ruhe bewerten“, sagte er. „Sicher muss sich eine renommierte Organisation auch in chaotischen Situationen um professionelle Informations-Arbeit bemühen, aber wir werden nicht vorschnell wegen einer einzelnen Geschichte das Siegel in Frage stellen.“

Wilke kündigte gleichwohl an, dass das DZI eine Stellungnahme von World Vision erbitten werde. „Informations-Arbeit ist ein wichtiger Teil der Siegel-Kriterien.“ <>


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