"In the Spotlight"

Tsunami-Frühwarnsystem: Tücken der Technik

21. Juli 2006

von Alex Flor

Fluchtwegbeschilderung in PadangFoto: Alex Flor

Fluchtwegbeschilderung in Padang

Foto: Alex Flor

Es mag zutreffen, dass die Warnung vor dem Tsunami die Menschen in Pangandaran und Umgebung aufgrund des „Problems der letzten Meile“ nicht erreicht hat. Darunter zu verstehen ist die Weitergabe einer Information, die an einer zentralen Stelle verfügbar ist, an Abertausende potenziell Betroffener. Ob per Sirenenalarm, SMS oder Moscheelautsprecher – viele technische Varianten sind denkbar, doch keine davon ist in Indonesien flächendeckend implementiert. Und selbst wenn dies der Fall wäre, bliebe den gefährdeten Menschen nur, so schnell wie möglich irgendwohin die Flucht zu ergreifen. Wohin bleibt ihrem spontanen Instinkt überlassen. Fluchtpläne existieren nur in wenigen Ausnahmefällen. Evakuierungsübungen an ein paar wenigen Schulen der als besonders gefährdet angesehenen Beinahe-Millionenstadt Padang in West-Sumatra werden als herausragende Initiativen gelobt. Man kann nur hoffen, dass der Ernstfall dort niemals eintreffen wird. Er könnte die Ausmaße der Katastrophe von 2004 in Aceh und auf Nias bei weitem übertreffen.

Möglicherweise war aber nicht das technische „Problem der letzten Meile“, sondern die falsche Zurückhaltung der zuständigen Behörden für die ausbleibende Warnung verantwortlich. Ob aufgrund einer Fehleinschätzung oder aus Angst vor den Folgen eines Fehlalarms sei dahin gestellt. Fest steht, dass Behörden in Jakarta zugaben, Warnungen erhalten, aber nicht weiter geleitet zu haben. Die Hemmschwelle einen Tsunamialarm auszulösen ist hoch. So hoch, dass ein länderübergreifendes Frühwarnsystem, welches etwa Indonesien, Malaysia, Thailand, Sri Lanka und Indien umfassen könnte, selbst nach der Katastrophe von 2004 nicht verwirklicht werden konnte. Die betroffenen Staaten setzten lieber auf eigenständige Systeme, nicht zuletzt um möglichen Schadenersatzklagen im Falle der Auslösung eines Fehlalarmes aus dem Weg zu gehen. Eine nachvollziehbare Angst, wenn man beispielsweise an die Folgen eines Alarms in der Mega-Metropole Jakarta denkt. Kaum nachvollziehbar allerdings im jüngst akut betroffenen Fischer- und Touristennest Pangandaran. Mehr als 500 Todesopfer sind dort zu beklagen. Und dennoch muss man von Glück reden, denn an unzähligen Stellen der dicht bevölkerten Insel Java hätte eine vergleichbare Tsunami-Welle um Größenordnungen höhere Opferzahlen mit sich gebracht.

Doch wie sieht es jenseits dieser Überlegungen mit dem „Problem der ersten Meile“ aus? Berichten zu Folge stammten die eingegangenen aber nicht weiter geleiteten Tsunami-Warnungen vom Pacific Tsunami Warning Center und dem japanischen Wetterdienst. Das mit deutschen Geldern vor der Küste Sumatras aufzubauende Frühwarnsystem scheint dagegen – entgegen einigen in Deutschland verbreiteten Presseberichten – keinerlei Rolle gespielt haben. Wie auch? Zum einen ist dieses System zunächst auf die Küste von Sumatra begrenzt. Java und weiter östlich liegende Inseln werden davon nicht erfasst. Mindestens 22 Messbojen wären erforderlich, um den gesamten Bereich abdecken zu können. Vom Geoforschungszentrum in Potsdam (GFZ) wurden bislang nur zwei Messbojen geliefert und installiert. Presseberichten zu Folge waren jedoch beide bereits nach kurzer Zeit defekt und sind zurzeit nicht einsatzfähig. Eine befindet sich zur Reparatur in einer Werkstatt in Padang. Made in Germany.

 


 

einige Meldungen zum Thema:

Reuters, 20. Juli 2006

Pangandaran (Reuters) – Drei Tage nach dem Tsunami an der Südküste der indonesischen Insel Java hat es in dem Katastrophengebiet erste Bemühungen um eine Rückkehr zum Alltag gegeben.

Zehntausende Überlebende campierten aber am Donnerstag noch in Notunterkünften und waren auf Hilfslieferungen angewiesen. Nach Angaben von Behörden und Helfern war die Versorgung der Überlebenden insgesamt gewährleistet. Die Kritik an mangelnden Warnungen vor der verheerenden Flutwelle vom Montag hielt an.

Die Zahl der Toten wurde von den Behörden mittlerweile mit 574 angegeben. 324 Menschen galten noch als vermisst, 400 wurden verletzt. Rund 50.000 Menschen hatten kein Obdach, weil ihre Häuser zerstört waren oder sie aus Furcht vor weiteren Erdbeben und Flutwellen nicht heimzukehren wagten.

In der am stärksten betroffenen Stadt Pangandaran durchkämmten Fischer die Trümmer, um unter den Überresten zerstörter Häuser ihre Netze und Arbeitsgeräte zu bergen. Ein erster Laden hatte dort bereits am Mittwoch wieder geöffnet, weitere sollten folgen. Der Besitzer einer Pension am Rande des Katastrophengebiets sagte, er habe überhaupt nicht geschlossen gehabt: „Ich glaube, die Touristen werden zurückkehren.“

Laut Hilfskräften gab es ausreichend Wasser und Lebensmittel für die tausenden Flüchtlinge in den Hügeln oberhalb Pangandarans. Viele wurden in Zelten des Militärs untergebracht. Ärzte impften die Menschen, um der Ausbreitung von Krankheiten in den beengten Verhältnissen und wegen sanitärer Probleme vorzubeugen. „Die Situation bessert sich, aber es gibt Infektionen“, sagte ein Mediziner. Neben der Behandlung offener Wunden galt eine Hauptsorge dem Schutz vor Malaria.

Die Zeitung „Jakarta Post“ berichtete, wenige Minuten vor dem Tsunami seien hunderte Regierungsmitarbeiter per Videotext vor der Flutwelle gewarnt worden. Es sei aber zu spät gewesen, um die Menschen in der Gefahrenzone zu benachrichtigen.

Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono mahnte die Behörden, die Bewohner gefährdeter Regionen besser über das richtige Verhalten bei Tsunamis zu informieren. Zuvor hatten ihm Einwohner der Stadt Anyer an Javas Westküste bei einem Besuch gesagt, sie hätten keine Ahnung, wie sie auf eine Flutwelle reagieren könnten. „Das sollte nicht passieren“, sagte Yudhoyono, der nach dem Tsunami 2004 alle lokalen Behörden angewiesen hatte, entsprechende Verhaltensrichtlinien bekannt zu machen.

 


 

Tagesspiegel, 21. Juli 2006

Restrisiko Mensch Wie ein komplexes Warnsystem Tsunami-Katastrophen vorhersieht – aber nicht immer verhindern kann

Von Roland Knauer

„Jede Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied“, sagt Dirk Reinhard von der Münchener-Rück-Stiftung. Als robuste Kettenglieder entpuppten sich am 17. Juli 2006 die unter Federführung des GeoForschungsZentrums (GFZ) in Potsdam installierten technischen Tsunami-Warnsysteme, die an diesem Tag die auf die indonesische Küste zurollenden Riesenwellen erfasst hatten. „Das Problem lag wohl eher auf der so genannten ‚letzten Meile‘, auf der eine Warnung die Menschen erreichen muss“, beschreibt Reinhard die Schwächen, die zur Katastrophe führten.

Um Indonesien vor Tsunamis schneller warnen zu können, hat das GFZ seit Weihnachten 2004 eine neue Messstation auf der Insel Nias vor Sumatra, eine weitere auf Sumatra selbst und zwei Stationen auf der Insel Java installiert. Japanische Forscher haben fünf weitere Stationen aufgebaut. Dieses Netz erfasst in acht Minuten, ob ein Seebeben stattgefunden hat, das Tsunamis auslösen könnte. Weitere Stationen sollen künftig helfen, Ort und Stärke des Bebens bereits nach zwei Minuten zu schätzen. Das erste Glied der Warnkette ist also recht solide.

Allerdings löst nicht jedes Seebeben Riesenwellen aus. Deshalb messen die deutschen Forscher mit zwei Bojen auf dem Meer vor der Insel Sumatra und dem Satellitenortungssystem GPS die Wellenbewegung auch direkt und übermitteln sie per Funksignal via Satellit an eine Zentrale. Unter den Bojen registriert ein Sensor am Meeresgrund den Druck, der Riesenwellen dort unten messbar macht. Die Daten werden an eine in Deutschland entwickelte Warnzentrale in der indonesischen Hauptstadt Jakarta übermittelt.

Am 17. Juli kam also dort bei den Behörden eine allgemeine Tsunami-Warnung an. Für Details fehlt zurzeit noch ein Computersystem, das ausrechnet, wie hoch die Wellen an den verschiedenen Küstenabschnitten auflaufen. Weitergegeben aber wurde wohl auch die allgemeine Warnung nicht. Das dritte Glied der Meldekette entpuppte sich also als Knackpunkt – die „letzte Meile“ zu den Betroffenen wurde nicht überbrückt.

Aber auch die nächsten Kettenglieder werden leicht zu Schwachstellen: So sei ein Problem, wie Katastrophenwarnungen die betroffene Bevölkerung rechtzeitig erreichen, erklärt Dirk Reinhard. Eine Alarm-SMS sei zwar einleuchtend, aber nicht jeder hat ein Handy am indonesischen Strand – oder die eingehende Nachricht bleibt unbemerkt. Lautsprecher könnten zwar eindeutig warnen, werden aber in bestimmten Ländern oft ignoriert, weil darüber oft irreführende Propaganda verbreitet würde. Am besten und schnellsten funktionieren immer noch unüberhörbare oder kaum zu übersehende Warnsysteme wie Sirenen, Warnflaggen oder –lampen an den Stränden.

Danach aber kommt das fünfte Glied der Kette, das Dirk Reinhard „Awareness“ nennt und das oft genug das schwächste Glied ist: Die Menschen müssen auch wissen, wie sie auf die Warnung reagieren sollen. Nur wenn Küstenbewohner, Besucher und Touristen wissen, dass sie sich vor Riesenwellen auf nahe liegende Hügel retten sollen, dann kann eine Tsunami-Warnung auch Menschenleben retten.

 


 

DIE ZEIT, 20. Juli 2006

Vermeidbarer Tod

Vor Flutwellen lässt sich warnen – auch auf der indonesischen Insel Java, kommentiert Dirk Asendorpf

Wieder kam die Welle ohne Vorwarnung. Hunderte Menschen starben, Tausende wurden obdachlos, als ein Tsunami am Montag auf die indonesische Insel Java traf.Dabei wäre Zeit zur Warnung gewesen. Um 15.36 Uhr, 17 Minuten nach dem Seebeben und 24 Minuten vor Eintreffen der ersten Welle, hatte das Pacific Tsunami Warning Center Gefahr für Java vorausgesagt. Aber die indonesischen Behörden leiteten die Meldung nicht weiter. Doch es hätte ohnehin nicht viel genützt, denn es fehlen Tsunami-Sirenen, um wie in Japan oder auf Hawaii die Strände zu evakuieren.

Fast 19 Monate nach dem verheerenden Tsunami, der über 200.000 Menschen getötet hatte, ist Indonesiens Bevölkerung so schutzlos wie zuvor. Zwar sind Warnsysteme im Aufbau, aber noch fehlen greifbare Ergebnisse. So produziert das 45 Millionen Euro teure deutsch-indonesische Frühwarnsystem jetzt Erdbebeninformationen, aber noch keinen Tsunami-Alarm. Die Weitergabe per Radio, Sirene und Moschee-Megafon erfolgt laut Plan erst 2009.

 


 

MSNBC News Services, Updated: 11:14 a.m. ET July 18, 2006

Indonesia’s 2 tsunami alert buoys were busted

*Country needs 22, but is short of funds and donors haven’t come through*

JAKARTA, Indonesia – Lack of funds has crippled the creation of a tsunami warning system, leaving earthquake-prone Indonesia without a single working detection buoy, an official said on Tuesday, a day after a tsunami killed more than 340 people.

No sirens alerted residents in Pangandaran beach, the worst-hit area of Monday’s tsunami, after a 7.7 magnitude quake struck 110 miles offshore in the Indian Ocean.

Edi Prihantoro, an official at Indonesia’s Ministry of Research and Technology that oversees a national warning project, said the southern Java area had no system to warn people of coming waves.

His comments came as a government minister said Indonesia had received warnings from two regional agencies that the powerful undersea earthquake had the potential to trigger a tsunami, but it did not try to pass them on to threatened communities.

Science and Technology Minister Kusmayanto Kadiman said Indonesia received the bulletins from the Pacific Tsunami Warning Center and Japan’s Meteorological Agency after the quake, but „we did not announce them.”

The warnings were sent about 45 minutes before the tsunami struck.

Even if the government had an attempt to contact the local authorities by phone, radio or e-mail, it’s unclear how those warnings would have been passed along to residents or tourists on the beach with no system of sirens or alarms in place.

Coastal residents reported that they did not feel the earthquake.

Two sensors damaged

Indonesia deployed two tsunami buoys last year off Sumatra island, part of a five-year project to install similar detectors all around the world’s largest archipelago.

But when asked how many of them were operational, Prihantoro said: „None.”

„We need at least 22 buoys to cover all of Indonesia. We have received two from Germany and they were deployed months ago. However, both of them are damaged now,” he said.

Both have since been removed from the sea and one of the damaged buoys is sitting in a warehouse in west Sumatra awaiting repairs.

The death in a dozen Indian Ocean countries of more than 230,000 people — more than two-thirds in Indonesia’s far-western Aceh province — from a huge tsunami in December 2004 prompted international calls for a global warning system.

But international support and funding has waned since then. Prihantoro said Indonesia could not proceed without international aid and so far there had been no clear pledges to fund the other 20 buoys.

„Why is the realization of this project so slow? It is because we do not have the funding. Neighboring countries must also take care of this matter otherwise they will also feel the impact,” he said.

Indonesia’s 17,000 islands sprawl along a belt of intense volcanic and seismic activity, part of which is called the „Pacific Ring of Fire”.

Quake underestimated

The nation’s state meteorology agency initially underplayed the strength of Monday’s quake, rating it at a magnitude of 5.5, and said the tremor would not cause a serious tsunami. It revised that much later to a more dangerous 6.8, but by then the waves had already struck Java’s south coast.

The U.S.-based Pacific Tsunami Warning Center recorded the quake at magnitude 7.2 but said a tsunami would only affect areas 60 miles from the epicenter.

„A destructive widespread tsunami threat does not exist based on historical earthquake and tsunami data,” it said, adding a local tsunami could „affect” nearby coastlines.

However, seismologists say the link between a big quake and a powerful tsunami remains something of a mystery.

„From an earthquake alone you will never tell how big the tsunami will be. That’s a wild card in any tsunami,” said Gary Gibson, a senior seismologist at Australia’s Seismology Research Center.

But that’s exactly how digital tide gauges and sophisticated buoys with seabed pressure sensors, part of the ambitious five-year tsunami alert plan, could help protect Indonesia.

„We really need to raise this issue. We cannot do it alone,” said Idwan Suhardi, a deputy minister at Indonesia’s Research and Technology Ministry.

/Reuters and The Associated Press contributed to this report./

URL: http://www.msnbc.msn.com/id/13918266/Maaf, halaman ini tidak ada dalam bahasa Indonesia.
Versi bahasa Jerman


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