Offener Brief

Watch Indonesia! fordert Verlängerung des EU-Embargos für Waffenexporte und militärische Zusammenarbeit mit Indonesien

Offener Brief an die Bundesregierung

Berlin, den 12. Januar 2000

Unter dem Eindruck der vom indonesischen Militär zu verantwortenden Gräueltaten in Ost-Timor verhängte die EU im September 1999 ein vorläufig auf vier Monate befristetes Embargo für Waffenexporte und militärische Zusammenarbeit mit Indonesien, wirksam ab 16. September 1999. In dieser Woche berät die EU über eine Verlängerung des Embargos, das ohne weitere Beschlussfassung zum 17.1.2000 auslaufen wird. Obgleich Indonesien zwischenzeitlich die Entlassung Ost-Timors aus dem indonesischen Staatsverband beschlossen hat und damit den von den VN begleiteten Übergang Ost-Timors in die Unabhängigkeit ebnete, und obwohl Indonesien seit Oktober 1999 zum ersten Mal seit den fünfziger Jahren wieder über eine demokratisch gewählte Regierung verfügt, hat sich an den Gründen, die zur Verhängung des Waffenembargos geführt hatten, nichts Wesentliches geändert. Noch immer befinden sich ca. 100.000 ost-timoresische Flüchtlinge und Vertriebene in Lagern auf dem zu Indonesien gehörenden Inselteil West-Timor sowie in anderen Gebieten Indonesiens. Internationale Hilfsorganisationen, einschließlich der vor Ort tätigen Organisationen der VN, erhalten nur begrenzten Zugang zu diesen Lagern. Oftmals werden Besuche strikt verweigert. Von Indonesiens Militär kontrollierte Milizen terrorisieren weiterhin offen die in den Lagern lebende Bevölkerung. Von Seiten des Militärs wurden bislang keine Anstrengungen unternommen, die Milizen aufzulösen und zu entwaffnen sowie Milizionäre vor Gericht zu bringen. Das Militär bleibt unter der neuen Regierung Indonesiens die tonangebende Kraft, auf dessen Duldung der Präsident noch immer angewiesen ist. Es verfügt über mehrere Mitglieder im Kabinett sowie über eine eigene – nicht vom Volk gewählte – Fraktion im Parlament. Versuche seinen Einfluss zu schmälern und es einer demokratischen Kontrolle zu unterstellen stoßen ebenso auf den entschiedenen Widerstand großer Teile des Militärs wie die Bestrebungen des indonesischen Parlamentes, der nationalen Menschenrechtskommission, Komnas HAM, und der internationalen Gemeinschaft, die für die begangenen Gräueltaten in Ost-Timor und Aceh verantwortlichen Militärs zur Rechenschaft zu ziehen. Im aktuellen blutigen Konflikt auf den Molukken konnte das Militär bislang nicht zu einer Lösung beitragen. Im Gegenteil wurde der Konflikt noch verschärft, da das Militär längst zum Teil des Problems geworden ist. Indonesische Beobachter sehen in der jüngsten Eskalation einen Versuch die zivilen Kräfte in der Regierung, insbesondere Präsident Abdurrahman Wahid und Vizepräsidentin Megawati Soekarnoputri, zu schwächen. Diese Befürchtung wird genährt durch das öffentliche Infragestellen seitens des Militärs, Präsident Abdurrahman Wahid als militärischen Oberbefehlshaber anzuerkennen. Der damit offen zu Tage getretene Machtkampf gipfelte zum Jahreswechsel darin, dass in Jakarta Putschgerüchte die Runde machten. Die Verlängerung des Waffenembargos wäre eine einzigartige Gelegenheit für die EU die zivilen Kräfte Indonesiens in ihren Bemühungen um Demokratisierung zu unterstützen und zugleich der Kritik an der Machtposition und dem Verhalten des Militärs Ausdruck zu verleihen. Am 16. Dezember 1999 verabschiedete das Europaparlament auf Initiative von Abgeordneten nahezu sämtlicher Fraktionen eine Resolution, in der die Mitgliedsstaaten der EU aufgefordert werden, das im September verhängte Waffenembargo mit geeigneten Mitteln fortzusetzen. Das Europaparlament sieht in einer Aufhebung des Embargos ein falsches Signal an das indonesische Militär, das als Wiederherstellung seines Ansehens und als Billigung der fortwährenden Menschenrechtsverletzungen missinterpretiert werden könnte. Watch Indonesia! fordert die Bundesregierung auf, sich klar und öffentlich für eine Verlängerung des Embargos auszusprechen und im Rahmen der Beratungen im Rat der EU auf ein entsprechendes Abstimmungsresultat hinzuwirken.

Hochachtungsvoll,

Dr. Monika Schlicher & Alex Flor


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