Presseerklaerung

Militärreform in Indonesien mit deutscher Hilfe?

Berlin, 04. Dezember 1998

Pressemeldung: Militärreform in Indonesien mit deutscher Hilfe?

bundeswehr_vierschutzWie die indonesische Tageszeitung ‚Suara Pembaruan‘ in ihrer Ausgabe vom 1. Dezember 1998 berichtete, hat die Bundesregierung Indonesien angeboten, bei der Reform der indonesischen Streitkräfte, ABRI, behilflich zu sein. Durch die Reorganisation der Streitkräfte solle der Forderung der Bevölkerung nach Beendigung der Doppelrolle des Militärs, ‚Dwifungsi‘, die den Streitkräften neben der Landesverteidigung auch den Auftrag zur Wahrung der „innenpolitischen Sicherheit“ gibt, entgegengekommen werden.

Die ‚Dwifungsi‘ gewährt dem Militär zahlreiche Machtbefugnisse auf allen Ebenen der Politik und Wirtschaft Indonesiens. Im Einklang mit ‚Dwifungsi‘ sind derzeit 75 Sitze im 500 Sitze zählenden Parlament Abgeordneten des Militärs vorbehalten, die nicht gewählt werden müssen. Deutschland sieht in seinem Angebot einen Beitrag zur Schaffung einer zivilen und demokratischen Gesellschaft.

Wie ´Suara Pembaruan´weiter berichtet, wurde der indonesischen Polizei angeboten, von Deutschland Beratung im Umgang mit Demonstrationen zu erhalten, um deren friedlichen Ablauf zu gewährleisten und dabei die Menschenrechte zu achten

‚Suara Pembaruan‘ beruft sich in der Meldung auf Äußerungen des Militärattachés an der Deutschen Botschaft in Jakarta, Georg Eschle. Wie das Blatt weiter berichtet, hat Eschle zusammen mit dem Deutschen Botschafter, Seemann, und Generalmajor a.D. Dietrich Genschel diesen Vorschlag am Rande einer Seminarveranstaltung am 19./20. November bereits dem indonesischen Staatspräsidenten BJ Habibie und dessen Verteidigungsminister und militärischem Oberbefehlshaber, General Wiranto, unterbreitet.

Aufgrund der positiven Reaktion Habibies und Wirantos solle bereits im Januar oder Februar ein Seminar stattfinden, zu dem eine Reihe deutscher Offiziere eingeladen werde, um über die „ideale Militärstruktur“ nach deutschem Muster zu referieren.

Demonstrationen

Über den polizeilichen Umgang mit Demonstrationen in Deutschland habe letzte Woche bereits ein Polizeidirektor aus Bayern vor einer Anzahl indonesischer Polizeioffiziere referiert.

„Die Resonanz auf Seiten der indonesischen Polizei war sehr gut, und mögliche Folgeschritte werden noch erörtert. Vorstellbar wäre die Entsendung einiger indonesischer Polizisten zu Lehrgängen in Deutschland oder das Einfliegen deutscher Polizisten, um Trainings in Indonesien abzuhalten,“ sagte Eschle.

Nach Eschles Auffassung, betrachten sich Demonstranten und Polizei in Deutschland nicht als Gegner, sondern als Partner. Anstatt sich gegeneinander zu verschanzen, würden sie gemeinsam die Demonstrationsroute entlanglaufen.

Trennung von Polizei und Militär

Im Unterschied zu Indonesien sei die Polizei in Deutschland nicht Teil der Streitkräfte, erklärte Eschle weiter. Die Polizei unterstehe dem Innenministerium und nicht dem Verteidigungsressort. (*)

Der Einsatz bei Demonstrationen sei alleine Sache der Polizei, nicht des Militärs. Lediglich in Katastrophenfällen dürfe das Militär im eigenen Land eingreifen, und auch dann nur aufgrund einer vorherigen Zustimmung durch das Parlament.

Auch sei es in Deutschland im Unterschied zu Indonesien nicht verboten, daß sich Angehörige des Militärs einer politischen Partei anschließen und ihr aktives und passives Wahlrecht ausüben dürfen. Uniformierte Parlamentarier gebe es aber nicht, erklärte Eschle. Im Bundestag müsse Zivil getragen werden.

Die Bundesrepublik verfolge mit dem gemachten Angebot keine politischen Zwecke. Das Angebot basiere alleine auf dem langjährigen freundschaftlichen Verhältnis zwischen beiden Ländern. Dieses zeige sich unter anderem in der Existenz von derzeit etwa 17.000 Indonesiern mit deutschem Hochschulabschluß, erklärte Eschle. Indonesiens prominentester Absolvent einer deutschen Hochschule ist Präsident BJ Habibie.

(*) Anm.: Die Tatsache, daß die Polizei in Deutschland nicht dem Bundesinnenministerium, sondern den Innenministerien der Länder untersteht, ist im zentralistisch organisierten Kommandostaat Indonesien nur schwer zu vermitteln.

 


 

 Stellungnahme von Watch Indonesia!

 

Watch Indonesia! begrüßt die von der Deutschen Botschaft eingeleiteten Anstrengungen der Bundesregierung zur Schaffung einer Zivilgesellschaft in Indonesien.

Die von ‚Suara Pembaruan‘ zitierten Äußerungen des deutschen Militärattachés Georg Eschle lassen darauf schließen, daß die Deutsche Botschaft in Jakarta über eine realistische Einschätzung der politischen Lage in Indonesien und ein hohes Maß an Problembewußtsein verfügt.

Wir erinnern jedoch daran, daß die Bundesrepublik – wenngleich unter einer anderen Regierungskoalition als heute – zu Zeiten der Gewaltherrschaft von Präsident Suharto zahlreiche Waffengeschäfte und Ausbildungsprogramme für Polizei und Militär mit dem indonesischen Regime getätigt hat. Auch damals wurde regelmäßig betont, daß die Förderung des Menschenrechtsgedankens und der Rechtsstaatlichkeit eine wichtige Rolle im Rahmen der Ausbildungsprogramme spiele. In Wahrheit half die deutsche Militärhilfe für Indonesien jedoch nicht unwesentlich dazu bei, die auf einer starken Militärmacht basierende Diktatur Suharto zu stabilisieren und hat es ihr damit ermöglicht, mit ihrer menschenverachtenden Politik fortzufahren. Der vielleicht prominenteste Absolvent eines Ausbildungsprogrammes in Deutschland ist der Schwiegersohn von Ex-Diktator Suharto, General Prabowo, der inzwischen vom Dienst suspendiert wurde, weil ihm als Kommandeur der indonesischen Elitetruppen unzählige schwere Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Mord und Verschwindenlassen, vorgeworfen werden.

Der Fall Prabowo steht stellvetretend für unzählige weitere Verbrechen des indonesischen Militärs in den Jahren seit Suhartos Machtergreifung im Jahre 1965. Erst jetzt wird sich die indonesische Öffentlichkeit langsam über das volle Ausmaß der Grausamkeiten dieser Jahre bewußt, nachdem Nichtregierungsorganisationen und die Presse nun die Möglichkeit haben, Stück für Stück die Wahrheit ans Licht zu bringen. Eine Untersuchungskommission belegte die Verantwortung des Militärs für die Unruhen und Massenvergewaltigungen, die im Mai Jakarta erschütterten. In der Unruheprovinz Aceh im Norden Sumatras exhumierte eine andere Kommission Massengräber und belegte ebenfalls, daß systematische Vergewaltigung von Frauen und Mädchen als Mittel der Kriegsführung eingesetzt wurde.

Diese Erkenntnisse führten zu einem drastischen Ansehensverlust des einst allmächtigen Militärs in der indonesischen Öffentlichkeit. Aus allen gesellschaftlichen Gruppen und Schichten wird der Ruf nach einem Ende der durch die ´Dwifungsi´ legitimierten Macht des Militärs laut. Die Menschen fordern den Rückzug der Generale aus der Politik, eine konsequente Aufarbeitung der Vergangenheit und die Bestrafung der Täter.

Auch die Bundesrepublik hätte allen Anlaß, die militärische und polizeiliche Zusammenarbeit mit dem Suharto-Regime einer kritischen Aufarbeitung zu unterziehen, bevor daran gedacht wird, neue Ausbildungsprojekte durchzuführen.

Ungeachtet der zum fraglichen Zeitpunkt bereits äußerst kritischen innenpolitischen Lage und der nicht mehr zu verbergenden täglichen Gewalt gegen Regimegegner erwog beispielsweise der Berliner Senat noch im Frühjahr 1998 im Rahmen der Städtepartnerschaft mit Jakarta ein polizeiliches Ausbildungsprogramm durchzuführen. Erst am 18. Mai, drei Tage vor Suhartos Rücktritt, schrieb die Berliner ‚tageszeitung‘, das Programm sei vorerst auf Eis gelegt. Eine Verwirklichung des Vorhabens sei nach Ansicht des Berliner Senats frühestens im Jahre 1999 denkbar. Somit droht hier die alte Politik unverändert fortgesetzt zu werden.

Auch auf indonesischer Seite gibt es bislang keine nennenswerten Veränderungen. Der Regierungswechsel im Mai konnte nur vorübergehend eine scheinbare Veränderung der Menschenrechtssituation herbeiführen. Inzwischen sind gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Militär, Polizei und angeheuerten Schlägerbanden auf der einen, sowie von demonstrierenden Studenten und breiten Teilen der Bevölkerung auf der anderen Seite wieder an der Tagesordnung. Dutzende von Menschen starben während der letzten Monate durch Schüsse des Militärs in Jakarta, in Aceh, in Westpapua (Irian Jaya), in Osttimor und Nordsumatra. Die Regierung Habibie/Wiranto unterscheidet sich diesbezüglich nicht mehr von der früheren Regierung Suharto.

Es ist nicht erkennbar, daß von Seiten der indonesischen Regierung der Wille da ist, von dieser Kultur der Gewalt Abstand zu nehmen. Es gibt des weiteren keinerlei Hinweis darauf, daß die indonesische Regierung ernsthaft erwägt, die Doppelfunktion des Militärs in Frage zu stellen. Jegliche Vorschläge und Forderungen in diese Richtung wurden bislang brüsk abgewiesen. Wenn der Deutsche Botschafter in Jakarta, Dr. Seemann, der sich einer langjährigen guten Freundschaft zu Habibie rühmen darf, darauf verweist, daß Habibie und Wiranto seinen Vorschlägen aufgeschlossen gegenüberstanden, so darf das getrost als ein Versuch der Neuauflage der engen deutsch-indonesischen Beziehungen während der Ära Kohl/Suharto verstanden werden. Insbesondere Militärchef Wiranto läßt bei anderen Gelegenheiten keinen Zweifel daran aufkommen, daß er jedwede Form einer Reorganisation der Streitkräfte ablehnt.

Watch Indonesia! sieht unter diesen Rahmenbedingungen derzeit keinen Raum für die Bundesrepublik oder andere demokratische Staaten, durch prinzipiell begrüßenswerte Ausbildungsprojekte im militärischen oder polizeilichen Bereich zu Verbesserungen beizutragen. Eine derartige Zusammenarbeit muß an gewisse Vorleistungen der indonesischen Seite geknüpft sein und kann frühestens dann erwogen werden, wenn

– die indonesische Regierung ihren klaren Willen bekundet hat, die Doppelrolle des Militärs, ‚Dwifungsi‘, zu beenden und erste Schritte zur Implementation dieses Vorhabens unternommen hat,

– die indonesische Regierung ihren klaren Willen zur Trennung der Polizei von den Streitkräften bekundet und erste Schritte zur Implementation derselben unternommen hat, – sich die indonesische Regierung verpflichtet hat, auf jegliches militärisches Eingreifen gegen Demonstrationen zu verzichten, – sich die indonesische Regierung verpflichtet hat, mit polizeilichen Mitteln gegen die Aufstellung paramilitärischer Einheiten und bezahlter Schlägertrupps bei Demonstrationen vorzugehen und

– wenn zurückliegende Menschenrechtsverletzungen durch Militär und Polizei in strafrechtlichen Verfahren geahndet werden.

An die zuständigen deutschen Stellen richtet sich die Forderung nach Offenlegung der geplanten Kursinhalte, bzw. an die Beteiligung deutscher oder internationaler Nichtregierungsorganisationen an der Erstellung und Durchführung dieser Ausbildungsprogramme. Wenn das Anliegen durch diese Programmangebote zur Schaffung einer zivilen und demokratischen Gesellschaft in Indonesien beitragen zu wollen ernst gemeint ist, so wäre diesem Prinzip besser gedient, wenn die Planung und Durchführung zumindest auf deutscher Seite von Transparenz und Partizipation geprägt ist.


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