Presseerklaerung

Osttimor: Australien hält Beweise zurück

Berlin, den 26. März 2002

Pressemitteilung

Tono Suratman

Tono Suratman, Dili 1999

Foto Jörg Meier

Brisantes Material über die Verwicklungen von Militär und Regierung Indonesiens in die Gräueltaten in Osttimor liegt in Australien unter Verschluss. Es enthält Beweise, dass drei Minister der Habibie-Regierung und führende Militärs, die bis heute hohe Ämter bekleiden, den Terror gegen die Bevölkerung von Osttimor und der Sabotage der UN-Mission zu verantworten haben. Eigentlich hatte Indonesien sich vertraglich verpflichtet, für den sicheren und ruhigen Ablauf der Volksbefragung zu sorgen, die von den Vereinten Nationen 1999 zur Lösung des Osttimor Konfliktes durchgeführt wurde. Doch es war das Militär selbst und die von ihm aufgebauten Milizen, die die Befragung mit Terror und Gewalt beeinflussen wollten. Als sich fast 80% der Osttimoresen für die Unabhängigkeit entschieden, verwandelten sie das Land in ein Meer aus Flammen und vertrieben den Großteil der Bevölkerung nach Westtimor. Erst der Einsatz von Friedenstruppen, angeführt von Australien, beendete das Morden und Wüten.

Mit der UN-Mission hat die internationale Staatengemeinschaft die Verpflichtung übernommen, die Verbrechen aufzuklären und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen (Resolution des UN-Sicherheitsrates 1272/1999). Folgerichtig sollten alle Beweise den ermittelnden Behörden, sowohl dem Ad-hoc-Tribunal in Jakarta wie auch dem internationalisierten Gerichtshof in Osttimor, zugänglich gemacht werden. Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind per definitionem Verbrechen gegen uns alle, politische Interessen dürfen die strafrechtliche Aufarbeitung nicht blockieren und beeinflussen, anderenfalls droht der Verlust der Glaubwürdigkeit und anhaltende Straflosigkeit.

Watch Indonesia! fordert die Bundesregierung auf, sich gegenüber der Regierung von Australien dafür einzusetzen, die bisher zurückgehaltenen Dokumente freizugeben und somit die UN und die Gerichtsbarkeit in Osttimor und Jakarta bei der Aufklärung der Verbrechen zu unterstützen. Ein Versagen hierbei fördert die anhaltende Straflosigkeit und wäre ein Garant für fortwährende Menschenrechtsverletzungen in Indonesien.

Hintergrund:

Nach Angaben des Sydney Morning Herald vom 14. März 2002 verfügt die Abhörabteilung (DSD) des australischen Geheimdienstes (DIO) in ihrer elektronischen Datenbank über Aufzeichnungen des Funk- und Nachrichtenverkehrs des indonesischen Militärs (TNI) aus der Zeit der Osttimor Krise 1999. Darin sollen deutliche Hinweise enthalten sein, dass hochrangige indonesische Militärs und Minister für Menschenrechtsverletzungen in Osttimor verantwortlich zeichneten. Bislang wurde dieses potentielle Beweismaterial jedoch von der australischen Regierung weder den UN-Vertretern noch den Anklagebehörden in Jakarta zugänglich gemacht. Selbiges gilt für Material indonesischer Behörden, das die von Australien geführte internationale Friedenstruppe (INTERFET) sicher stellte und bei der Übergabe des Kommandos an die UN mit nach Australien nahm. Die australischen Behörden gaben den von den UN eingesetzten Ermittlern zwar Hinweise auf die in dem Material enthaltenen Informationen, verweigerten ihnen aber bislang die Einsicht in die Originaldokumente.

Wiranto and Feisal Tanjung in Dili - July 1999

Wiranto und Feisal Tanjung, Dili, Juli 1999

Foto: Jörg Meier

Nach den Unterlagen, die dem Sydney Morning Herald vorliegen, spielte der damalige koordinierende Minister für Politik, Soziales und Sicherheit im Kabinett des Interimspräsidenten B.J. Habibie, General Feisal Tandjung, eine maßgebliche Rolle. Er soll sich einer geheimen Befehlskette bedient haben, die parallel zu den Befehlsstrukturen des indonesischen Militärs (TNI) verlief, an deren Spitze der Oberbefehlshaber General Wiranto stand. Diese Befehlskette, die bis zu den Milizen reichte, sei durch Offiziere aus den Spezialtruppen des Heeres (Kopassus), die wie auch Tandjung selbst über Einsatzerfahrung in Osttimor verfügten, gebildet worden. Eine wichtige Funktion hätten dabei Generalmajor Zacky Anwar Makarim und Generalmajor Sjafrie Sjamsuddin übernommen, die beide als Verbindungsoffiziere zu den UN in Osttimor im Einsatz waren. Makarim ist heute noch als Generalmajor im TNI-Hauptquartier ohne besonderes Aufgabengebiet tätig, während Sjamsuddin erst kürzlich zum Pressesprecher der Armee befördert wurde. Polizei-Brigadegeneral Timbul Silaen, Generalmajor Adam Damiri und Brigadegeneral Tono Suratman, die jetzt als einzige hochrangige Militär- bzw. Polizeivertreter in Jakarta vor dem Menschenrechtstribunal stehen, sollen ebenfalls Teil der parallelen Befehlskette gewesen sein.

Der Artikel erwähnt insbesondere Mitschnitte von Gesprächen zwischen Tandjung und Makarim aus der Zeit nach der offiziellen Bekanntgabe der Ergebnisse des Referendums, die Diskussionen über Details der Operation enthalten sollen, durch die ein Drittel der ost-timoresischen Bevölkerung nach Westtimor vertrieben und die Infrastruktur des Landes größtenteils zerstört wurde. In anderen abgehörten Gesprächen soll Generalmajor Makarim mit dem damaligen Minister für Transmigration, Generalleutnant A.M. Hendropriyono, der von Präsidentin Megawati Soekarnoputri zum Chef des neuen Geheimdienstministeriums ernannt wurde, sowie mit Generalleutnant Yunus Yosfiah, dem Informationsminister im Kabinett Habibie, ebenfalls über die Zwangsevakuierung diskutiert haben.

Aus den Beschreibungen vieler anderer Abhörprotokolle aus den Monaten vor dem Referendum, die im Sydney Morning Herald wiedergegeben sind, lässt sich eine enge Zusammenarbeit des indonesischen Militärs mit den proindonesischen Milizen ablesen, die damals Terror unter der Bevölkerung verbreiteten. Dort ist die Rede von der regelmäßigen Zuteilung von Funkfrequenzen an die Milizen durch das militärische Hauptquartier in Jakarta, vom Eintreffen der Kopassus-Einheiten „Venus“ und „Tribuana“ für verdeckte Operationen im Februar 1999, von der Organisierung einer Demonstration gegen die UN-Mission durch den Geheimdienstoffizier Brigadegeneral Ariffudin, von Koordinationsgesprächen zwischen Oberst Tono Suratman, dem damaligen indonesischen Kommandanten in Osttimor, mit Milizenführer Eurico Guterres sowie von Gesprächen zwischen diesem und der Tribuana-Einheit, in denen unter anderem von Brigadegeneral Mahidin Simbolon berichtet wird, er sei besorgt über das Schicksal der nach ihm benannten Mahidin-Miliz, die von Cancio de Cavalho angeführt wurde. Simbolon wurde mittlerweile zum Kommandanten von Westpapua befördert. Dort wurde erst kürzlich der Vorsitzende des Papua-Rates, Theys Eluay, ermordet, wobei der Verdacht der Täterschaft auf Kopassus-Soldaten fiel.

Quelle: Silence over a crime against humanity, 14. März 2002 Hamish McDonald, International Editor, Sydney Morning Herald
http://www.smh.com.au


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