Offener Brief

Indonesien will UN-Expertenkommission die Einreise verweigern

Berlin, den 11. April 2005

Offener Brief an Bundesaußenminister Fischer

Memorial_Massaker_Suai_Osttimor

Denkmal für die Opfer des Massakers in der Kirche von Suai 1999 Foto: Monika Schlicher

Sehr geehrter Herr Außenminister Fischer, mit großer Sorge haben wir vernommen, dass die Regierung Indonesiens den Mitgliedern der VN-Expertenkommission die Einreise zu verweigern gedenkt. In diesem Sinne zitiert die Jakarta Post von heute Regierungssprecher Marty Natelegawa, der des Weiteren bestritt, dass sich Indonesien damit auf Kollisionskurs mit den Vereinten Nationen befinden würde. Die Expertenkommission ist kürzlich von VN-Generalsekretär Kofi Annan zur Evaluierung der Strafverfolgungsprozesse für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Osttimor 1999 eingesetzt worden. Die Kooperationsverweigerung Indonesiens stellt einen schweren Affront gegenüber den VN dar, insbesondere vor dem Hintergrund des derzeitigen indonesischen Vorsitzes der VN-Menschenrechtskommission und dem damit verbundenen Bemühen des Landes um ein positives Image in Sachen Menschenrechten. Die Verweigerung der Einreise für die Mitglieder der Expertenkommission zeugt dagegen von mangelnder Ernsthaftigkeit der indonesischen Regierung im Umgang mit den Menschenrechten und der Beendigung von Straflosigkeit. Die Europäische Union hat sich in der Debatte im UN-Sicherheitsrat zu Osttimor am 28. Februar 2005 besorgt gezeigt über den mangelnden Fortschritt im Kampf gegen die Straflosigkeit. „Diejenigen, die verantwortlich sind für die schweren Menschenrechtsverbrechen in Osttimor 1999, müssen für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden, im Einklang mit der Sicherheitsratsresolution 1573 (2004). In diesem Kontext begrüßt die EU die Einrichtung einer Expertenkommission durch den Generalsekretär mit der Aufgabe, den Fortschritt, der von den indonesischen und osttimoresischen Justizorganen gemacht wurde, zu evaluieren.“ Ohne Zugang zu Land, Leuten und Akten kann die Expertenkommission der ihr von Kofi Annan übertragenen Aufgabe nicht gerecht werden. Mit der Einreiseverweigerung diskreditiert sich die indonesische Regierung selbst und ebenso das UN-Organ, dessen Vorsitz sie derzeit wahrnimmt. Wiederholt hat die Regierung Indonesiens bereits die Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates und die Empfehlungen der UN-Menschenrechtsorganisation missachtet. Das ad hoc Tribunal in Jakarta war nicht fähig seiner Aufgabe nachzukommen. Die Prozesse haben sich so zu Scheinverfahren entwickelt und das Prinzip der Straflosigkeit fortgeschrieben. Die Expertenkommission steht nicht in Konkurrenz zur Wahrheits- und Freundschaftskommission, die Indonesien und Osttimor kürzlich gemeinsam eingerichtet haben. Sie soll vielmehr, wie Kofi Annan es ausdrückte, Möglichkeiten überlegen, wie ihre Analysen die Wahrheits- und Freundschaftskommission unterstützen können. Die Expertenkommission hat nicht die Kompetenz, Täter zur Verantwortung zu ziehen. Ihre Aufgabe ist es, die Strafverfolgungsprozesse in beiden Ländern zu evaluieren und Empfehlungen abzugeben, wie die für die schweren Menschenrechtsverbrechen Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können. Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind keine nationale Angelegenheit. Und auch durch ein bilaterales Abkommen kann kein Schlussstrich unter die Art schwerer Menschenrechtsverletzungen gesetzt werden. Die indonesisch-osttimoresische Wahrheits- und Freundschaftskommission wurde nicht mit der Kompetenz ausgestattet, etwaige Täter an Strafverfolgungsbehörden zu überstellen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich bei der Regierung Indonesiens für die uneingeschränkte Achtung der Vereinten Nationen, ihrer Organe und deren Beschlüsse einzusetzen. Dazu zählt insbesondere die volle Kooperationsbereitschaft mit der vom VN-Generalsekretär eingesetzten Expertenkommission. Die Verweigerung der Zusammenarbeit durch Nichterteilung von Visa ist ein Schritt, der nicht hingenommen werden darf, schon gar nicht vom Vorsitz der VN-Menschenrechtskommission.

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Monika Schlicher

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