NGO-Bündnis lehnt Einsatz von Biodiesel auf Kosten der Regenwälder ab

epo, 18. April 2006

epo_logoBerlin (epo). – Ein breites Bündnis von Umwelt- und Menschenrechtsorgansationen hat dem mit deutschen Staatsbürgschaften und Bankkrediten vorangetriebenen Einsatz von Palmöl als Treibstoff für Dieselmotoren eine Absage erteilt. In einer am Dienstag in Berlin veröffentlichten Erklärung heißt es, der weltweite Palmöl-Boom sei „einer der größten Flüche für die Regenwälder und ihre Bewohner“. Trotz der Abholzung riesiger Waldflächen für den Palmenanbau und die soziale Verelendung der indigenen Bevölkerung forcierten die EU und die deutsche Bundesregierung die Produktion biogener Kraftstoffe auf Kosten der Umwelt in Indonesien und anderen Palmöl-Anbauregionen. „Löst Eure Probleme nicht mit neuen Problemen“, appellierte die indonesische Regenwald-Aktivistin Nur Hidayati an die europäische Öffentlichkeit.

Eine Delegation der indonesischen Umwelt- und Menschenrechtsorganisation „Sawit Watch“ berichtete in Berlin von zunehmender Waldzerstörung, Vergiftung von Böden, Wasser und Luft durch Pestizide und Düngemittel sowie Landkonflikte und Verarmung der betroffenen Menschen aufgrund der Vertreibung durch Palmöl-Plantagen. Auch die Orang Utan-Habitate auf Sumatra und Borneo fielen in atemberaubender Geschwindigkeit dem Kahlschlag für zum Opfer.

Die vergangenen 15 Jahre hätten bewiesen, „dass praktisch für jede neue Anlage von Palmöl-Plantagen Naturwald zerstört wird und die Palmöl-Branche dabei häufig gezielt Regenwald per Brandrodung zerstört, um neue Flächen zu gewinnen“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung, die unter anderem von Watch Indonesia, Robin Wood, der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz München, der Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz, vom Deutschen Naturschutzring und dem Schweizer Naturschutz-Netzwerk unterschrieben wurde. Die teilweise von westlichen Banken finanzierte Palmölindustrie gehöre damit zu den größten Regenwaldvernichtern in Indonesien.

Laut Sawit Watch ist eine nachhaltige Produktion auf Palmöl-Plantagen grundsätzlich nicht möglich. „Als Folge der bisherigen Entwicklung gibt es heute auf Sumatra und Borneo kaum noch Tieflandregenwald“, erklärten die 35 erstunterzeichnenden Organisationen. „Deswegen hat jetzt der Run auf die verbliebenen Bergwälder und Nationalparks begonnen. Indonesien ist schon heute der zweitgrößte Produzent von Palmöl. Akut droht nun die enorme Ausweitung der Plantagenflächen nur für die Produktion von ‚Bio’diesel. Deswegen lehnen wir die Herstellung von ‚Bio’diesel aus Palmöl grundsätzlich ab.

„Das Beispiel der indonesischen Zellstoffproduktion zeige, wohin ein Boom führen könne, so Sawit Watch. Unter anderem mit deutschen Staatsbürgschaften und Krediten deutscher Banken gepusht, habe die indonesische Zellstoffindustrie seit den 90er Jahren ihre Kapazitäten um das Achtfache gesteigert. Allein auf der Insel Sumatra seien dafür mehr als 830.000 Hektar Regenwälder – vielfach illegal – vernichtet worden.

Abet Nego Tarigan, stellvertretender Direktor von Sawit Watch, sagte in Berlin, seine Organisation versuche möglichst viele Firmen vor Gericht zu bringen, die ohne Lizenz, bereits abgelaufener oder nur von lokalen Behörden erteilter Erlaubnis den Wald abholzten und die seit Generationen darin lebenden indigenen Völker häufig gewaltsam vertrieben. Ein großes Problem sei dabei jedoch die herrschende Rechtsunsicherheit und die Korruption der Verwaltung.

Abholzung im großen Stil erfährt Kalimantan, der indonesische Teil der Insel Borneo, seit den 1970er Jahren, als die Weltbank ein gigantisches Umsiedelungsprogramm für die wachsende indonesische Bevölkerung zu finanzieren begann. Mit der boomenden Wirtschaft in Südostasien flossen in den 90er Jahren immer mehr Weltbank-Kredite für den Palmöl-Anbau. Insgesamt, so Nur Hidayati von Sawit Watch, seien damals fast zehn Millionen Hektar Regenwald für die Plantagenwirtschaft freigegeben worden. Als die Wirtschaftskrise und die riesige Auslandsverschuldung die asiatischen „Tigerstaaten“ in die Knie zwangen, sorgten „Strukturanpassungsprogramme“ (SAP) der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds dafür, dass sich die Länder Südostasiens vermehrt Privatinvestitionen aus dem Ausland öffnen mussten. Heute werden Zellstoff- und Palmölindustrie vorwiegend von privaten Banken und Anlegern finanziert.

Aber nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell endete für viele westlichen Banken das Engagement in der indonesischen Papierindustrie nach den Erfahrungen der Regenwaldschützer in einem Desaster. Dennoch forciere die EU derzeit die großindustrielle Produktion biogener Kraftstoffe aus Industriepflanzen, darunter auch aus tropischen Waldregionen. Der Anbau von tropischen Ölsaaten für biogene Treibstoffe werde erhebliche Flächen wertvollen Regenwaldes vernichten. Schon der illegale Holzeinschlag in den indonesischen Wäldern sei nur schwer kontrollierbar. Für neue Plantagen würden – unter anderem durch chinesische Firmen und Investoren – neue Straßen und andere Infrastrukturprojekte in Angriff genommen. Dies ziehe noch mehr illegale Holzfäller an.

Milchmädchenrechnung der EU

„Mit ihrer Politik ist die EU mitverantwortlich, dass für angeblich ‚erneuerbaren‘ Treibstoff die letzten Regenwälder zerstört werden“, werfen die NGOs den Regierungen in Europa vor. „Damit wälzen wir durch unseren Konsum verursachte Umweltprobleme auf Regenwaldländer ab. Die angebliche neutrale Klimabilanz der Energiegewinnung aus Palmöl ist eine Milchmädchenrechnung, die nicht berücksichtigt, wo die nachwachsenden Rohstoffe angebaut werden.

„So seien die Sumpf- und Torfwälder auf Sumatra und Borneo bedeutende CO2-Senken. Genau diese Wälder würden per Brandrodung vernichtet und die Flächen für Palmöl-Plantagen genutzt. Damit verschwänden nicht nur wichtige Ökosysteme, auch der Vorteil durch die Nutzung biogener Treibstoffe relativiere sich mit der Vernichtung der CO2-Senken.

„Vor diesem Hintergrund müssen für den Einsatz von Biokraftstoffen strenge Kriterien gelten. Biokraftstoffe aus ‚Abfällen‘ europäischer Landwirtschaft oder aus biologischem Anbau auf Brachflächen von zum Beispiel Raps sind akzeptabel“, heißt es in der Erklärung. „Statt lediglich Erdöl teilweise durch Biokraftstoffe zu ersetzen, brauchen wir eine grundlegende Änderung unserer Energiepolitik.“ Dazu gehörten die Förderung des öffentlichen Personenverkehrs zu Lasten der individuellen Mobilität, radikale Energiesparmaßnahmen und der konsequente Ausbau von Erneuerbaren Energien wie Sonnen- und Windkraft. <>


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