Militärhaft statt Asyl für acht Ost-Timorer

Tagesspiegel, 18. April 1996

Deutsche Botschaft in Jakarta übergibt Besetzer an Indonesien

tagesspiegelJAKARTA/BONN (rvr). Die acht am Dienstag von der deutschen Botschaft in Jakarta abgewiesenen Botschaftsflüchtlinge wollten dort um Asyl bitten. Amnesty kritisierte, die Botschaft habe „Schutzsuchende dem Militär ausgeliefert“. Das Auswärtige Amt sprach davon, das einheimische Sicherheitspersonal der Botschaft habe die Eindringlinge aus der Unruheprovinz Osttimor zum freiwilligen Verlassen der Botschaft veranlaßt, mißbilligte später aber das Verhalten des privaten Sicherheitsdienstes. Rund 60 Timorer hatten sich am frühen Dienstag morgen gegen 2 Uhr vor der deutschen Botschaft versammelt. Acht Männer überkletterten den Zaun und gelangten so auf das Botschaftsgelände; das eigentliche Botschaftsgebäude wurde nicht besetzt.

Das Vorgehen des Sicherheitspersonals der Botschaft wurde von Augenzeugen als „Überstellen“, „Übergeben“ und „Vertreiben“ charakterisiert. Der deutsche Diplomat Wilfried Grolig sagte, man habe die Eindringlinge „überzeugt“ und „herausgedrängt“, dabei sei, so Presseattache Dieter Lamle, „etwas nachgeholfen“ worden. Deutsche Diplomaten seien zunächst nicht informiert worden. Die portugiesische Regierung hat von Bonn Auskunft über den Sachverhalt erbeten. Der Auslandskoordinator des osttimoresischen Widerstands, José Ramos-Horta, will die Europäische Menschenrechtskommission in Straßburg anrufen, da die Timorer Portugiesen und damit EU-Bürger seien.

Unklar bleibt bislang, wieviel Gewalt bei der Übergabe angewandt wurde

Die Botschafts-Wächter sollen das indonesische Militär von dem Eindringen informiert haben. Offiziere in Zivil und in Uniform hätten außerhalb der Botschaft auf die acht gewartet. Zunächst hatte es gehießen, indonesische Soldaten hätten Zugang zum Botschaftsgelände erzwungen und gewaltsam die Timorer herausgeführt. Der deutsche Presseattache teilte weiter mit, man werde über den Aufenthaltsort der acht informiert. Namentlich nicht bekannte Zeugen, die von amnesty und der Agentur Reuter zitiert werden, gaben an, die Timorer seien getreten und geschlagen worden. Amnesty kritisierte, die acht seien übergeben worden, obwohl das Risiko von Folter und Mißhandlung bekannt gewesen sei. Abermals hätten ausländische Botschaften beim Schutz von Timorern versagt. Als „moralischen Bankrott“ und „weiteres Zugeständnis an die technokratische Militärregierung“ kritisierten die Initiativen „Watch Indonesia“ und „Imbas“ die Auslieferung.

Seit Ende September 1995 gelang es 72 Osttimorern, die Ausreise nach Portugal zu erzwingen, indem sie auf das Gelände ausländischer Botschaften vordrangen und Asyl beantragten. In Portugal werden Osttimorer als Staatsbürger aufgenommen. Indonesien hatte die frühere portugiesische Kolonie Osttimor 1975 besetzt und kurz darauf annektiert, was von der UNO nie anerkannt wurde. Proteste der mehrheitlich katholischen Bewohner wurden vom Militär wiederholt blutig niedergeschlagen. Erstmals wurde am Dienstag die deutsche Botschaft von Timorern besetzt. Über die Zukunft Osttimors beraten gegenwärtig Jakarta und Lissabon in Dreiparteiengesprächen mit der UNO und, zuletzt im März 1996 in Österreich, separatistische, exilierte und integrationistische Timorer in bilateralen Gesprächen über die innere Entwicklung. Die Ergebnisse dieses „inklusiven Dialoges“ bewertete Indonesiens Außenminister Ali Alatas jüngst als „recht gut“.

Die wichtigste englischsprachige Zeitung Indonesiens, die „Jakarta Post“, plazierte Berichte über die Übergabe der Botschaftsbesetzer bereits am Mittwoch und erneut am heutigen Donnerstag prominent auf den ersten beiden Seiten. Kommentiert wurde der Vorfall in der indonesischen Presse bislang nicht. Von den 548 durch deutsche amnesty-Gruppen betreuten Fällen sind fünf Indonesier, hiervon drei Osttimorer. Amnesty schätzt die Menschenrechtslage in Indonesien als schlecht ein, „traurige Realität“, so der Länderbericht vom Januar 1996, seien Verschwindenlassen, staatlicher Mord und Folter; Opfer seien meist Separatisten aus Irian Jaya, Timor und Aceh auf Nord-Sumatra, häufig auch Intellektuelle. <>


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