Osttimor wo?

Frankfurter Rundschau-Plus Politik, 17. März 2004

Von Brigitte Spitz

frankfurter_rundschauEs ist ein Klassiker unter den politischen Zitaten: „Macht es schnell, effizient und nicht mit unseren Waffen“, soll US-Außenminister Henry Kissinger 1975 dem Suharto-Regime vor der Invasion in Osttimor geraten haben. Indonesien besetzte damals den östlichen Teil der Sandelholzinsel rund 500 Kilometer vor der Nordküste Australiens und annektierte das Land. Die Invasion und die brutale Unterdrückung der Bevölkerung war völkerrechtswidrig, doch die Welt schaute weg. Timoresen, die nach Australien oder Portugal ins Exil flüchten konnten, erhoben ihre Stimme, doch ihre Heimat war winzig und im Norden leicht zu ignorieren: Osttimor wo?

Die Falintil Widerstandsgruppe rieb sich im Kampf gegen die gut ausgerüstete indonesische Armee fast auf. Mitte der 80er Jahre nahmen sich in Australien Studenten und Menschenrechtsaktivisten der timoresischen Sache an und versuchten auf den vergessenen Konflikt aufmerksam zu machen. Mit mäßigem Erfolg. Es gab nur wenige Berichte aus Osttimor und so gut wie keine Bilder.

Das änderte sich erst am 12. November 1991. Damals töteten indonesische Soldaten dutzende Osttimoresen bei einer friedlichen Demonstration auf dem Santa-Cruz-Friedhof. Von diesem Massaker gelangte ein Video ins Ausland. Weltweit setzten danach Menschenrechtsgruppen Osttimor auf ihre Agenda. In Deutschland gründete ein gutes Dutzend die Organisation „Watch Indonesia!“, die in den folgenden Jahren mit Beharrlichkeit auf den Osttimor-Konflikt aufmerksam machte. Sie forderten einen veränderten, kritisch Blick auf Indonesien. Eine Mammutaufgabe in der Regierungszeit von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), der ein erklärter Männerfreund von Präsident Suharto war. „Indonesien unter dem lächelnden General galt lange Zeit als stabile und verlässliche Macht“, erinnert sich Monika Schlicher von „Watch Indonesia!“.

Die Indonesien-Beobachter, die ihre Arbeit meistens aus der eigenen Tasche, durch Spenden oder die beiden christlichen Kirchen finanzierten, wirbelten unermüdlich. Sie verfassten Pressemitteilungen, luden zu Veranstaltungen, sammelten Informationen und versorgten Journalisten mit Nachrichten aus Indonesien. Zunächst mit begrenztem Erfolg. 1995 schließlich war Indonesien Partnerland der Hannover-Messe, und Präsident Suharto reiste zum Staatsbesuch an. Menschenrechtsgruppen und kirchliche Hilfswerke organisierten dazu Demonstrationen und Veranstaltungen unter dem Motto „Kein Paradies für Menschenrechte“. Damit erreichten sie erstmals eine breitere Öffentlichkeit.

Der Durchbruch in der weltweiten Wahrnehmung des Osttimor-Konflikts markiert ein Jahr später die Verleihung des Friedensnobelpreises an den osttimoresischen Bischof Carlos Ximenes Belo und den Diplomaten José Ramos-Horta. Weil ein Nobelpreis noch keinen Frieden macht, ließen Aktivisten von „Watch Indonesia!“ nicht nach. So konnten sie allmählich eine verhaltene Korrektur der deutschen Außenpolitik erreichen. Das auch durch die Asienkrise eingeleitet Ende der Ära Suharto machte schließlich den Weg frei für eine politische Lösung des Konfliktes um Osttimor. Doch ohne die massive Kampagne von Menschenrechtsaktivisten wären die Gewaltexzesse des indonesischen Militärs nach dem Unabhängigkeitsreferendum 1999 nicht relativ schnell durch UN-Soldaten beendet worden. Durch die Vernetzung über die neuen Medien gelangten Berichte über die Gräuel in alle Welt.

Für Xanana Gusmão – Poet, Unabhängigkeitskämpfer und erster Präsident des Landes – hat das Engagement der Menschenrechtsgruppen ganz persönliche Folgen gehabt: Nach Jahren im Gefängnis heiratet er die australische Aktivistin Kristy Sword. Ihre Kinder Alexandre und Kay Olok sind im freien Osttimor geboren. <>


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