Korupsi und Bank Bali

Jungle World, 6. Oktober 1999

Asienpfanne VI: Die Krise traf Indonesien später und härter als Andere. Vergeblich versucht Präsident Habibie, die Auswirkungen einzugrenzen.

von Alex Flor

Jungle WorldEine Abkürzung ist seit dem Rücktritt des ehemaligen indonesischen Staatspräsidenten Suharto in aller Munde: „KKN“, korupsi, kolusi, nepotisme. Treffend charakterisiert dieses Kürzel das Wirtschaftssystem unter Suharto, das über viele Jahre riesige Wachstumsraten produzierte, bis es in sich zusammenfiel. Internationale Geldgeber unterstützten damals Suharto, bis er nicht länger zu halten war.

Erst mit einigen Monaten Verspätung gegenüber den Nachbarländern wurde Indonesien 1997 von der Asien-Krise erfasst. Dann aber traf der wirtschaftliche Niedergang Indonesien mit besonderer Härte, wofür hausgemachte Gründe verantwortlich zu machen sind.

Bis heute wirkt diese Verspätung nach: Während sich andere asiatische Staaten unter erheblichen Mühen und sehr langsam von der Krise zu erholen scheinen, sind die Folgen in Indonesien noch lange nicht überwunden. Zwar sorgte die Asien-Krise für das Ende der Herrschaft von Diktator Suharto, dessen Familie und Freunde sich 32 Jahre lang bereichert hatten, doch auf umfassende politische und wirtschaftliche Reformen wartet man auch unter in seinem Nachfolger Habibie vergeblich.

Auf der Web-Site der US-Botschaft in Jakarta ist zu lesen, wie das Wirtschaftswunder vor der Krise funktionierte: „Der Bauboom in den neunziger Jahren (…) basierte in starkem Maße auf billigen Krediten. Nach der Liberalisierung des Bankenwesens 1988 gründeten viele von Indonesiens großen Konglomeraten Banken, die weitgehend dazu genutzt wurden, ihre eigenen Projekte zu finanzieren. Die Familie Suharto und ihre Cronies verwirklichten andere Projekte mit Geldern von staatseigenen Banken oder Unternehmen. In einigen Fällen wussten die Manager dieser Staatsunternehmen, dass die Gelder wohl nie zurückgezahlt würden, aber sie wiesen dennoch die Kredite an.“ Heute sitzt der indonesische Bankensektor auf faulen Krediten in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar. Der von Suharto ernannte Interimspräsident Habibie entließ unter dem Druck von Demonstranten politische Gefangene, hob die Pressezensur auf und verabschiedete eine Reihe neuer Gesetze, darunter ein Antikorruptionsgesetz. Eine Umsetzung des Gesetzes liegt jedoch in weiter Ferne. Im Frühjahr wurde ein abgehörtes Telefongespräch bekannt, in dem Habibie den Generalstaatsanwalt anwies, seine Ermittlungen gegen Suharto mit Rücksicht auf dessen Alter nicht zu forcieren. Nach wie vor ist der Reformpräsident seinem Mentor eng verbunden. Und auch Habibie gerät immer tiefer in den Korruptionssumpf. Obwohl die Neuordnung des Bankensektors zu seinen Hauptzielen gehört, ist Habibie nun in einen Bankenskandal verwickelt. Seit Wochen berichten indonesische Zeitungen, dass die Bank Bali genötigt worden sei, 546 Milliarden Rupien (65 Millionen Dollar) an Leute aus dem Umfeld Habibies zu bezahlen, um sich so deren Hilfe beim Eintreiben von Außenständen in Höhe von 904 Milliarden Rupien (109 Millionen Dollar) bei geschlossenen kleineren Banken zu erkaufen. Es wird vermutet, dass dieses Schmiergeld benutzt werden sollte, die Stimmen von Abgeordneten für die am 20. Oktober stattfindende Präsidentschaftswahl zu kaufen.

Schließlich soll alles so weiter gehen wie bisher. Als Begründung für vorsichtige Reformen werden immer wieder die scheinbar stabilen Wirtschaftsdaten angeführt. An der Börse von Jakarta stiegen in den ersten Monaten dieses Jahres die Kurse deutlich an. Die Inflationsrate konnte von 80 Prozent auf derzeit 1,7 Prozent (von Januar bis September 1999) gedrückt werden. Auch das Zinsniveau fiel. Der Wechselkurs der Rupiah gegenüber dem Dollar war bereits Ende letzten Jahres wieder auf 6 000 zu eins gefallen. Zum Höhepunkt der Krise mußte man noch 17.000 Rupien für einen Dollar zahlen.

Seit Ende Juni sank die Währung um mehr als ein Fünftel ihres Wertes. Derzeit sind u.a. wegen des Bank Bali-Skandals und wegen Ost-Timor 8.300 Rupien für einen Dollar fällig. Diese Anfälligkeit der Währung für politische Ereignisse zeigt, dass die vergleichsweise positiven Wirtschaftsdaten wenig mit der realen wirtschaftlichen Tätigkeit, umso mehr aber mit psychologischen Effekten bei Devisenhändlern zu tun haben.

Kein Grund zur Freude ist auch die positive Handelsbilanz, die zur Stabilisierung des Währungskurses beigetragen hat. Sie kam durch ein höheres Devisenangebot auf dem Finanzmarkt zu Stande, da die Exporte trotz der günstigen Währung hinter den Erwartungen zurückblieben. Im ersten Quartal des Jahres sanken die Exporte um 0,9 Prozent auf 12 Milliarden Dollar. Die Importe sackten im gleichen Zeitraum um ein Drittel auf 7,2 Milliarden Dollar ab. Als Hauptgrund für ausbleibende Investitionen wird meist fehlendes Vertrauen angegeben. Chinesische Unternehmer in Indonesien fürchten neue Pogrome und legen ihr Kapital in ausländischen Wertpapieren an. Ausländische Geldgeber beklagen den Mangel an kompetenten Geschäftspartnern, die sie in den Chinesen immer gefunden hatten.

Am wenigsten machen sich die Wirtschaftsindikatoren für die Bevölkerung bemerkbar. Tausende verloren ihren Job und gingen zurück aufs Land, wo sie nun wieder als Bauern tätig sind. Andere verdingen sich im informellen Sektor. Rund 80 Millionen Menschen – 40 Prozent der Gesamtbevölkerung – lebten letztes Jahr unterhalb der Armutsgrenze. Seit 1996 sind die Verbraucherpreise um mehr als 200 Prozent gestiegen – bei annähernd gleichbleibenden Löhnen. Das Institute of International Finance schätzt, dass sechs Prozent Wirtschaftswachstum nötig wären, um allein die jährlich drei Millionen neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen beschäftigen zu können. Erwartet wird für dieses Jahr aber nur ein bescheidenes Wachstum.

Und so versuchen führende indonesische Politiker, im Ausland an „fresh money“ zu kommen. Doch bereits jetzt ist Indonesien mit 67 Milliarden Dollar im Ausland verschuldet. Hinzu kommen 80 Milliarden Dollar an privaten Schulden, die Suhartos Günstlinge im Lauf der Jahre angehäuft haben. Niemand glaubt an eine schnelle Wiederbelebung der einst so wachstumsträchtigen Manufakturen für Textilien, Schuhe oder Elektro-Artikel oder gar an einen erneuten Bauboom. Einzig der Rohstoffsektor sowie die Landwirtschaft, in der mehr als 40 Prozent der Arbeitskräfte beschäftigt sind, versprechen ein bescheidenes Wachstum. <>


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