Milizen in Osttimor stürmen Residenz von Bischof Belo

epd, 06. September 1999

Indonesien/Osttimor/ (Zusammenfassung)

Grundstück des Roten Kreuzes überfallen – Schicksal der Flüchtlinge ungewiss

epd Jakarta (epd). Eine Woche nach der Volksabstimmung über die politische Zukunft von Osttimor ist die Gewalt am Montag weiter eskaliert. Pro-indonesische Milizen stürmten nach Berichten von Augenzeugen in der Hauptstadt Dili die Residenz von Friedensnobelpreisträger Bischof Carlos Belo und das Gelände des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Das Schicksal von mehreren tausend Flüchtlingen, die auf dem Gelände waren, blieb zunächst unbekannt.

Der Leiter der UN-Mission in Osttimor, Ian Martin, sprach von einer „vorsätzlichen Zwangsvertreibung in sehr großem Ausmaß“ durch die pro-indonesischen Milizen. Menschen würden ermordet, Häuser brannten, sagte er in einem Interview des britischen Rundfunksenders BBC. Aus Dili seien Tausende Menschen in die Hügel oder auf das Gelände internationaler Organisationen geflüchtet.

Über die Zahl der Opfer gab es widersprüchliche Angaben. Die unabhängige Wahlbeobachterin Anna Blume in Dili berichtete dem epd von mindestens 100 Toten. Allein beim Sturm auf die Bischofsresidenz sollen 25 Menschen getötet worden sein. In der Residenz hatten etwa 6.000 Menschen seit Tagen Schutz gesucht. Ungehindert von der Polizei drangen die mit Macheten und Gewehren bewaffneten Männer den Berichten zufolge auf das Grundstück vor.

Schüsse fielen, Flüchtlinge liefen in Panik auf die Straße. Polizisten brachten Bischof Belo per Helikopter zu seinem Amtskollegen, Bischof Basilio Nascimento, in die Stadt Baucau östlich von Dili. Wie Nascimento gegenüber CNN sagte, blieb der Friedensnobelpreisträger unverletzt. Kurz danach drangen die Milizen auf das nebenan gelegene Grundstück des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz vor. Ausländische Mitarbeiter wurden zu einer Polizeistation geführt.

Australien begann am Morgen, 200 ausländische Mitarbeiter der UN-Mission in Osttimor (Unamet) mit Sonderflügen zu evakuieren. Wie das Auswärtige Amt mitteilte, sollten auch neun deutsche unabhängige Wahlbeobachter evakuiert werden. Acht sind nach Angaben der Organisation „Watch Indonesia“ bis zum Mittag bereits in Australien angekommen.

Wie Unamet-Sprecher David Wimhurst erklärte, beschossen Milizen einen UN-Konvoi auf dem Weg zum Flughafen. Unamet-Chef Ian Martin und 230 ausländische UN-Mitarbeiter harrten aber weiterhin in Dili und einigen Außenstationen aus, erklärte Wimhurst. Die UN-Mission hatte die Volksabstimmung am 30. August organisiert, in der 78,5 Prozent der stimmberechtigten Osttimoresen für die Unabhängigkeit votierten.

Die Lage um das Unamet-Gelände, auf dem mehr 1.500 Flüchtlinge Schutz gesucht haben, blieb extrem angespannt. Milizen schossen auf das Auto einer Nonne, die sich dem Hauptquartier näherte. Wie in den vergangenen zwei Tagen waren um das Gebäude herum immer wieder Schüsse zu hören. Von Polizei und Armee sei wenig Hilfe zu erwarten. Wimhurst sagte, es sei „klar“, dass indonesische Streitkräfte „mit den Milizen unter einer Decke stecken“.

Nach Angaben der Wahlbeobachterin Anna Blume wurde auch das Gebäude der indonesischen Menschenrechtorganisation Yayasan Hak in Dili zerstört. Der Kontakt sei abgebrochen. Unter den Flüchtlingen in Kirchen und Gemeindeschulen herrschte Panik, berichteten Priester. Die St.Joseph-Oberschule sei von Milizen gestürmt worden. Nach bislang unbestätigten Berichten wurden die Flüchtlinge, die dort Schutz gesucht hatten, auf Lastwagen gezwungen und von der Polizei über die Grenze in Lager in Westtimor transportiert. (6346/6.9.99)


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