Flammen über Fernost

Jungle World, 20. Mai 1998

Nach den Unruhen in Indonesien macht Suharto Zugeständnisse, tritt aber noch nicht zurück

Von Alex Flor

Jungle WorldSeit nunmehr fast einem Jahr brennen in fast allen Teilen Indonesiens die Wälder. Beißende Rauchschwaden belasten die Gesundheit von Millionen Menschen in ganz Südostasien. Doch „solange die Rauchschwaden nicht das Leben in Jakarta beeinträchtigen, wird das Problem hier nicht ernst genommen werden“, meinten Umweltschützer in Indonesien.

Seit vergangener Woche brennt es nun auch in Jakarta und anderen Großstädten des Landes. Mehrere hundert Regierungsgebäude, Banken, Einkaufszentren und Geschäfte sowie eine Unzahl von Autos, Lastwagen und Motorrädern gingen in Flammen auf. Die Zahl der Todesopfer geht auf die 1.000 zu, die meisten dürften Leute sein, die, während sie sich in oberen Stockwerken der Kaufhäuser an den Waren bedienten, von den Flammen überrascht wurden.
Seit Wochen machen im gesamten Land Studenten mobil, um politische Reformen zu fordern. Und kaum jemand glaubt mehr, daß solche Reformen unter Präsident Suharto möglich sind. So lautet die zentrale Forderung der bislang eher mäßig koordinierten Studentendemonstrationen: Suharto muß weg!

Die über Wochen hin friedlichen Demonstrationen gewannen an Explosivität, als die Studenten sich nicht mehr auf ihren Campus beschränken wollten, sondern in die Innenstädte drängten, wo sich ihnen große Teile der ärmeren Bevölkerung anschlossen. Nachdem Anfang Mai eine Anhebung der Treibstoffpreise um bis zu 75 Prozent angeordnet wurde, kamen bei den darauf folgenden tagelangen Straßenschlachten in Medan, Nordsumatra, mindestens sechs Menschen ums Leben.

In der vergangenen Woche geriet die Lage völlig außer Kontrolle, nachdem Präsident Suharto sich erstmals seit November wieder auf eine Auslandsreise gewagt hatte. Mit seiner Reise wollte Suharto offenbar den Eindruck vermitteln, zu Hause sei alles völlig normal. Die Ereignisse sollten ihn und die Welt eines Besseren belehren. Bei einer Demonstration von Studenten der Trisakti-Universität in Jakarta eröffnete das Militär am Dienstag vergangener Woche das Feuer. Wahrheitswidrig behauptete der Polizeichef Jakartas, Hamani Nata, zunächst, es seien nur Gummigeschosse eingesetzt worden. In Wahrheit wurde mit scharfer Munition geschossen, wie inzwischen auch Verteidigungsminister Wiranto zugeben mußte. Mindestens elf Studenten ließen im Kugelhagel ihr Leben.

Plünderungen und Brandschatzungen verwandelten in den folgenden Tagen Jakarta, Solo und andere Städte in Stätten der Verwüstung. An den Riots beteiligten sich vor allem arme Arbeiter und arbeitslose Jugendliche. Die Unruhen waren der Ausdruck einer ständig wachsenden, generellen Unzufriedenheit mit Suhartos Regime und der rapiden Verarmung großer Teile der Bevölkerung.

Am Freitag vergangener Woche, einen Tag nach seiner Rückkehr aus Ägypten, beriet sich Suharto lange mit Ministern, Militärs und Getreuen. Der Bevölkerung wurde sodann angekündigt, die Erhöhung der Treibstoffpreise solle in einem geringen Ausmaß wieder rückgängig gemacht werden.

Damit bahnt sich ein neuer Konflikt mit dem Internationalen Währungsfonds bahnt. Die IWF-Programme zielen einerseits auf mehr Transparenz und eine Entflechtung der Wirtschaft, andererseits auf „klassische“ Elemente der Strukturanpassung wie die Beschneidung von Subventionen für Lebensmittel und Treibstoffe. Bereits im Januar hatte Suharto zugesagt, den ersten Teil des Reformprogramms sofort anzugehen, der insbesondere auf eine strikte Beschränkung der Selbstbedienung seines Clans abzielte. Aber die Umsetzung erfolgte nicht gerade konsequent. Den Beginn der in Indonesien weit weniger populären Subventionsstreichungen hatte Suharto umsichtig auf die Zeit nach seiner Wieder-„Wahl“ im März verschoben – und diese Maßnahmen waren es, die zu ersten spontanen Revolten führten.

In Jakarta wurden Spekulationen laut, daß bestimmte Teile des Militärs den Ausschreitungen der vergangenen Woche bewußt Vorschub geleistet haben, um die Situation weiter anzuheizen. Die Spekulationen gründen sich auf Beobachtungen von Augenzeugen sowie auf das Wissen um interne Machtkämpfe innerhalb des Militärs. Hinter den Provokateuren vermutet man General Prabowo, einen Hardliner und Schwiegersohn des Präsidenten. Er könnte im Zuge der angekündigten Kabinettsreform den Platz von Verteidigungsminister Wiranto einnehmen, der sich als zu „reformfreundlich“ und wenig entschlossen gezeigt hat, die Ausschreitungen mit militärischer Gewalt wieder unter Kontrolle zu bringen.

Prabowo ist bekannt als „Mann fürs Grobe

Der Absolvent eines Lehrganges bei der deutschen GSG 9 war lange Zeit Kommandant der Elitetruppe Kopassus, bis er vor kurzem eine andere Elitetruppe, Kostrad, übernahm. Aus dieser Position heraus betrieb Suharto 1965 den Sturz seines Amtsvorgängers Sukarno. General Prabowo gilt als Drahtzieher des sogenannten Ninja-Terrors, mit dem vor Jahren die Bevölkerung Osttimors in Angst und Schrecken versetzt wurde. Die jüngsten Fälle von mysteriös verschwundenen Aktivisten der Demokratiebewegung, von denen einige nach Wochen der Abwesenheit völlig traumatisiert wieder auftauchten und unter hohem Risiko aussagten, sie seien gewaltsam entführt, festgehalten und gefoltert worden, werden ebenfalls dem Umfeld von Prabowo zugerechnet. Mit solchen Maßnahmen soll gezielt versucht werden, die Protestbewegung einzuschüchtern und in Schach zu halten.

Während die USA und andere Staaten dieses Vorgehen mit deutlichen Worten verurteilten, verweigerte die Bundesregierung trotz mehrfacher Aufforderung durch Menschenrechtsgruppen bislang jegliche Stellungnahme.
Die indonesische Opposition, die ungeachtet der 32jährigen Entpolitisierung der Gesellschaft und zunehmender Repression versucht, eine Alternative zum Regime Suharto aufzuzeigen, ist immer noch zersplittert. Mit der Tochter des früheren Präsidenten Sukarno, Megawati Sukarnoputri, und Amien Rais, Führer der 28 Millionen Menschen starken Moslembrüderschaft Muhammadiyah, stehen Suharto derzeit zwei Herausforderer gegenüber. Vergangene Woche gründete Amien Rais einen „Volksrat“ aus 50 prominenten Persönlichkeiten, der die Keimzelle einer neuen Regierung darstellen könnte.

Statt dessen äußerten sich Vertreter der Bundesregierung zum ersten Mal nach Suhartos Rückkehr am Freitag vergangener Woche zur Sache. Suharto hatte zuvor jeglichen Spekulationen über seinen bevorstehenden Rücktritt eine Absage erteilt. Regierungssprecher Herbert Schmülling erklärte daraufhin in Bonn, Suharto könne hoffentlich eine „Entspannung der Lage“ bewirken und „Ruhe und Ordnung“ wiederherstellen. Und Außenminister Klaus Kinkel erklärte in der Tagesschau: „Wir haben keine Veranlassung, uns von jemand abzuseilen, der im Augenblick in Not ist.“

Damit wird deutlich, daß die Bundesregierung weiterhin an Suharto festhält und bereit ist, ihm jede Unterstützung zu gewähren. Eine weitere Grußbotschaft hatte Bundeskanzler Helmut Kohl für seinen in Not geratenen Angelfreund parat. Es sei wichtig, daß so schnell wie möglich wieder Frieden in Indonesien einkehre, sagte Kohl am Freitag am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Birmingham. Dazu müßten Suharto, die gesamte Regierung und die Familie des Präsidenten einen Beitrag leisten. Ein solcher Beitrag seien Gespräche mit der Opposition. Derzeit liegt das Interesse der Bundesregierung vor allem in der Aufrechterhaltung der guten Wirtschaftsbeziehungen zu Indonesien. <>


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