„Wir wollen leben wie bisher“

Mannheimer Morgen, 05. Mai 2017

HeidelbergCement: Indonesische Bäuerin protestiert gegen Expansionspläne des Konzerns auf der Insel Java

Von unserem Redaktionsmitglied Bettina Eschbacher

Mannheimer-morgen-logoHEIDELBERG. Der Baustoffkonzern HeidelbergCement stößt bei seinen Aktivitäten in Indonesien auf unerwarteten Widerstand in der Bevölkerung – und einen außergewöhnlichen Gegner. Auf der Hauptversammlung des Dax-Unternehmens am kommenden Mittwoch wird die von der Insel Java stammende Bäuerin Gunarti zu Aufsichtsrat, Vorstand und Aktionären sprechen. Ihren Appell hat sie bereits deutlich formuliert: „Ich will HeidelbergCement ermahnen, dass die Firma uns in Ruhe lässt und Mutter Erde respektiert.“

Einbetonierte Füße

Gunarti ist nach Deutschland gereist, um auf die Proteste ihrer Bürgerbewegung JMPPK gegen ein geplantes Zementwerk mit Steinbruch aufmerksam zu machen. HeidelbergCement ist mit 51 Prozent an dem Joint Venture Indocement beteiligt, das eine Baugenehmigungfür ein Werk im Kendeng-Gebirge bekommen hat. Das ist die Heimatregion von Gunarti, die der indigenen Gemeinschaft der Samin angehört. Ihre spektakulärste Protestaktion: Im vergangenen Jahr ließ sie sich gemeinsam mit anderen Frauen vor dem indonesischen Präsidentenpalast ihre Füße einbetonieren, um ein Gespräch mit dem Präsidenten zu bekommen.

Im Telefongespräch mit dieser Zeitung erklärt sie kurz vor einer Podiumsdiskussion in Berlin ihr Anliegen: „Eine Zementfabrik würde uns Bauern die Lebensgrundlage entziehen“, ist sie überzeugt. Sie sieht vor allem die Wasserversorgung durch die Quellen und unterirdischen Flüsse des als Wasserspeicher fungierenden Karstgebirges bedroht, sollte dort ein Steinbruch entstehen. Landwirtschaft wäre dann nicht mehr möglich, glaubt die 1974 geborene Frau, die drei Kinder und ein Enkelkind hat.

Eine Sorge, die HeidelbergCement in einer Stellungnahme zu den Vorwürfen für unbegründet hält. Es würde nur deutlich oberhalb des Grundwassers abgebaut. Und die Wasserzufuhr des Werks würde hauptsächlich aus Regenfällen und von einem benachbarten Fluss stammen. Die Wasserversorgung der Bevölkerung dürfte sich sogar verbessern, da diese auf die Wasserspeicher des Werkes zurückgreifen könnte. Das Unternehmen betont, dass die Planung nach strengen Umweltkriterien abgelaufen sei.“ Der für das Zementwerk geplante Abbau von Rohstoffen wurde auf Regionen beschränkt, die für das Karstsystem nicht relevant sind.“

Gunarti hält all das jedoch für leere Versprechen. Auch dass ein Zementwerk mehr Wohlstand und Arbeitsplätze bringen würde, will sie nicht so recht glauben. „Wir brauchen nicht mehr Wohlstand, wir wollen so weiterleben wie bisher. Und ohne Wasser wären wir doch noch ärmer.“

Selbst Familien sind gespalten

Außerdemwürde die neue Industrie so viele Veränderungen bringen, dass die uralte Kultur der Menschen in dem Gebiet zerstört würde. „HeidelbergCement soll uns nicht verändern wollen, es gibt genug Zementwerke in Indonesien, und genug Geld hat HeidelbergCement doch auch.“ Bereits jetzt hätten die Pläne das Dorf gespalten, selbst innerhalb von Familien stünden sich Gegner und Befürworter gegenüber.

Noch steht gar nicht fest, ob das Unternehmen dort überhaupt eine Produktion aufbauen will. Durch die Baugenehmigung habe sich HeidelbergCement eine Option gesichert, erklärt ein Konzernsprecher. Konkrete Pläne gebe es aber nicht, zumal gerade ein neues Werk in Jakarta entstanden sei. Und da in Indonesien aktuell eher ein Überangebot an Zement herrsche ,gebe es auch keine Notwendigkeit dafür. In der Region seien auch Werke von Konkurrenten geplant, eines des staatlichen Zementkonzerns sei nahezu fertiggestellt. Das Land trägt rund zehn Prozent zum Gesamtergebnis von HeidelbergCement bei, das 2016 bei 896 Millionen Euro lag.

Es werden zwei Welten sein, die in der schmucken Heidelberger Kongresshalle aufeinanderprallen: Hier die Frau, die nicht will, dass die Zementindustrie ihr alt hergebrachtes Leben gefährdet – dort der Konzern, dessen Geschäft die Herstellung von Zement und die Gewinnmaximierung zugunsten seiner Aktionäre ist. HeidelbergCement beruft sich auf sorgfältige Untersuchungen und offizielle Umweltverträglichkeitsprüfungen – Gunarti spricht von Respekt gegenüber Mutter Erde und den Menschen, die sie möglichst unverändert belassen will.

Antrag auf Nicht-Entlastung

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre hat sich dem Protest von JMPPK angeschlossen: Die Anlegervertreter beantragen bei der Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten. Bei den Aktivitäten in der Provinz Zentraljava verletze HeidelbergCement „eine Reihe von OECD Leitsätzen für multinationale Unternehmen“.

Unterstützt wird Gunarti unter anderem von internationalen Nicht- Regierungsorganisationen und der Heinrich-Böll-Stiftung. Die Hoffnung der Bürgerrechtler um Gunarti ruht nun auf einer neuen Studie, die der Präsident Indonesiens, Joko Widodo, nach dem Protest der Frauen vor seinem Regierungssitz in Auftrag gab. Sie soll noch einmal die Schutzwürdigkeit des Kendeng-Gebirges überprüfen. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor.


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