Duterte und Jokowi Brüder im Drogenkrieg?

Deutsche Welle, 9. September 2016

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von Thomas Latschan

Könnte sich Indonesien ein Beispiel am Anti-Drogenkrieg des philippinischen Präsidenten Duterte nehmen? Schließlich leidet auch Indonesien unter Drogenkriminalität. Aber das Land hat genug von extra-legalen Tötungen.

deutsche-welleDer Anti-Drogenkrieg des neuen philippinischen Präsidenten Duterte hat inzwischen über 2800 Todesopfer gefordert: Mutmaßliche und echte Drogendealer und Abhängige, die in Polizeigewahrsam, bei Razzien und durch Bürgerwehren getötet wurden. Fast 700.000 sollen sich den Behörden gestellt haben, um den Todeskommandos zu entgehen.

Das Thema Anti-Drogenkampf dürfte auch bei den derzeitigen Gesprächen Dutertes in Jakarta auf der Tagesordnung stehen. Dort ist das harte Durchgreifen der Duterte-Regierung bislang nicht verurteilt worden. „Präsident Jokowi hat sich mit Kritik bisher stark zurückgehalten“, sagt Alex Flor von der Berliner Menschenrechtsorganisation „Watch Indonesia!“. Zum einen herrsche innerhalb der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN der Konsens, dass man anderen Staaten nicht in ihre Innenpolitik hineinredet. Zudem sähen sich Duterte und Jokowi grundsätzlich auf gleicher Mission, auch wenn in Indonesien noch lange keine philippinischen Verhältnisse herrschten.

Auch Indonesiens Präsident spricht von einem „nationalen Notstand“ und hat den Kampf gegen den Drogenhandel zum „drängendsten Problem Indonesiens“ erklärt. Jokowi setzt auf Härte – und auf die Todesstrafe: Unter seiner Präsidentschaft wurden bislang 20 verurteilte Drogendealer hingerichtet, für das kommende Jahr bereits weitere 30 Vollstreckungen angekündigt.

Hunderttausende festgenommene Drogenkriminelle oder solche, die sich „freiwillig“ den Behörden gestellt haben, wurden auf den Philippinen in Sammellagern untergebracht.

Markige Worte aus Indonesien

In Indonesien werden mittlerweile sogar Stimmen laut, die fordern, dass Indonesien Dutertes Antidrogenkrieg zumindest in Teilen übernehmen sollte. Der Chef der nationalen Antidrogenbehörde, Budi Waseso, veröffentlichte kurz vor dem Besuch Dutertes in Jakarta Pläne, nach denen seine Polizeikräfte personell besser ausgestattet und mit schweren Waffen und Drogenspürhunden ausgerüstet werden sollen. Auf Nachfrage erklärte er, dass der Kampf gegen den Drogenhandel genauso aggressiv geführt werden könnte wie auf den Philippinen, „weil auch das Drogenproblem hierzulande genauso groß ist wie dort.“

Äußerungen wie diese seien jedoch mit Vorsicht zu genießen, meint Alex Flor. „Waseso hat schon öfter mit seltsamen Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht. So hat er etwa den Vorschlag gemacht, spezielle Gefängnisse für Drogendealer zu errichten, die von einem Wassergraben umgeben sein sollten, in dem Krokodile schwimmen.“ Mittlerweile wurden die jüngsten Aussagen Wasesos von anderen Regierungssprechern relativiert. In Indonesien habe der Kampf gegen die Drogen nach Recht und Gesetz zu erfolgen. Extralegale Tötungen seien im heutigen Indonesien nicht denkbar.

Schatten der Vergangenheit

Auch Alex Flor geht nicht davon aus, dass Indonesien den Antidrogenkrieg Dutertes nachahmen könnte. „Dies würde bei aller Popularität des Antidrogenkrieges im Inland überhaupt nicht gut ankommen, denn es würde viele Menschen an die so genannten ‚Petrus Killings‘ – auf deutsch in etwa ‚mysteriöse Erschießungen‘ – erinnern“, so Flor. Dabei handelte es sich um eine Reihe außergerichtlicher Tötungen in Indonesien in den Jahren 1983 bis 1985. Damals waren reihenweise Kriminelle auf offener Straße erschossen und die Getöteten tagelang auf offener Straße liegengelassen worden, um die Kriminalität im Land einzudämmen. Aufgeklärt wurden diese Fälle nie. Wie viele Indonesier dabei insgesamt ums Leben kamen, ist bis heute unklar. Schätzungen reichen von 2.000 bis weit über 10.000 Menschen. „Als Indonesiens damaliger Diktator Suharto Jahre später in seiner Autobiographie zugab, persönlich den Befehl dazu gegeben zu haben, führte dies zu einem Riesenskandal in Indonesien“, so Flor.

Gnadengesuch von Duterte?

„Interessant wird zu sehen sein, wie sich Rodrigo Duterte im Fall von Mary Jane Veloso verhalten wird“, sagt Alex Flor. Veloso ist eine philippinische Hausangestellte, die in Indonesien wegen Drogenhandels zum Tode verurteilt worden war. Ursprünglich hatte sie im vergangenen Jahr hingerichtet werden sollen. Die Exekution war aber im letzten Moment ausgesetzt worden. Veloso hatte wiederholt ausgesagt, unwissentlich von anderen als Drogenkurier missbraucht worden zu sein.

„In ihrem Fall ist die Schuldfrage völlig offen. Und da ist es spannend zu sehen: Wird Duterte auf Unschuld plädieren oder fährt er die völlig harte Linie und sagt: ‚Jeder, der mit Drogen erwischt wird, ist ein Drogenkurier und kann hingerichtet werden.‘ Das wäre im Einklang mit der Politik, die er im eigenen Land fährt, denn wer Leute auf offener Straße erschießen lässt, der forscht auch nicht vorher nach der Schuldfrage.“ Beobachter rechnen damit, dass Duterte ein Gnadengesuch für Mary Jane Veloso abgeben könnte. Duterte selbst hatte allerdings auch schon angekündigt, die Entscheidung seines Amtskollegen Jokowi zu respektieren, weil er „das Justizsystem Indonesiens auf keinen Fall in Frage stellen“ wolle.


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