Osttimors Präsident zieht Kontrolle der Armee an sich

Die Welt, 31. Mai 2006

Nach tagelanger Gewalt in Osttimors Hauptstadt Dili hat Präsident Xanana Gusmão die Kontrolle über die Armee des Landes übernommen.

Die_WeltDili – Dies teilte Gusmão nach zweitägigen Krisengesprächen mit dem Regierungschef Mari Alkatiri mit, der bislang die oberste Befehlsgewalt inne hatte. Die Entscheidung sei mit Zustimmung des Regierungschefs gefallen, sagte Gusmão. Der Staatschef wird nach eigenen Angaben zunächst für 30 Tage gemäß dem Notstandsgesetz die Befehlsgewalt übernehmen. Alkatiri hatte den Präsidenten am Wochenende beschuldigt, die Unruhen in Dili zum Vorwand zu nehmen, um ihn aus dem Amt zu drängen.

Die Ausschreitungen setzten sich dennoch fort. In mehreren Vierteln gab es auch am Dienstag Gefechte, Brandstiftungen und Plünderungen. Nur hundert Meter vom Präsidentenpalast entfernt setzten mit Buschmessern und Eisenstangen bewaffnete Jugendgangs Gebäude und Autos in Brand. Australische Soldaten gelang es an einigen Stellen, die Jugendlichen zu entwaffnen. Derzeit sind knapp 2300 ausländische Soldaten unter Führung Australiens im früher zu Portugals Kolonialreich gehörenden und später von Indonesien annektierten Osttimor stationiert, das erst 2002 unabhängig wurde. Auslöser der Unruhen war die Entscheidung Alkatiris, Ende April mehr als ein Drittel der Soldaten unehrenhaft aus der Armee zu entlassen, die gegen ihre ungerechte Behandlung durch Offiziere aus dem Osten des Landes protestiert hatten.

Die Osttimor-Expertin Monika Schlicher hat für die Unruhen in dem kleinen Inselstaat „eine hausgemachte politische Führungskrise“ verantwortlich gemacht. Das Land müsse sehr schnell eine politische Lösung treffen, sagte die Mitarbeiterin des Vereins Watch Indonesia. Dies könne die Entlassung von Regierungschef Alkatiri oder des Verteidigungs- und Innenministers bedeuten. Alkatiri habe der Armee Schießbefehl erteilt, obwohl dazu nur der Präsident autorisiert sei. Gusmão sei der einzige, dem die Bevölkerung noch vertraue.

AFP/epd


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