Information und Analyse

Das Rennen ist eröffnet

Watch Indonesia! – Information und Analyse, 11. Oktober 2007

Das indonesische Militär und die Wahlen von 2009. Neue Entwicklungen und erste Perspektiven

Von Ingo Wandelt

TNIAm 1. Oktober hat der ehemalige Generalmajor (**) Sutiyoso, der in den letzen zehn Jahren Gouverneur der Stadtprovinz Jakarta war, seine Kandidatur für das Präsidentenamt bei den Wahlen (Pemilihan Presiden, Pilpres) 2009 bekannt gegeben.1 Interessanterweise sieben Tage, bevor er seine Position als Gouverneur von Jakarta an seinen Nachfolger übergeben wird, aber genau an dem Tag, an dem üblicherweise indonesische Soldaten ihre Beförderung erhalten. Ein Zeichen für die militärische Gemeinschaft Indonesiens? Auf jeden Fall war es die Eröffnung des Rennens für Kandidaten mit einem militärischen Hintergrund um die Präsidentschaft Indonesiens 2009.

Den Beginn der Nominierungskampagne hatte die Partei PDI-P (Partai Demokrasi Indonesia–Perjuangan) auf ihrem Kongress am 10. September begonnen, als sie ihre Vorsitzende und Staatspräsidentin von 2001 bis 2004, Megawati Sukarnoputri, zur Kandidatin der Partei um das Amt des Präsidenten (Calon Presiden, Capres) kürten. Als Kandidat für die Vizepräsidentschaft (Calon Wakil Presiden, Cawapres), mit dem sie gemeinsam antreten wird, wird auch Sutiyoso gehandelt. Enge Beziehungen der Partei Megawatis zu Sutiyoso, der keiner Partei angehört und auch keine parteipolitische Machtbasis aufweisen kann, bestehen seit 2002, als die PDI-P ihn zum Kandidaten für den Gouverneursposten in Jakarta nominierte. Er gewann die Wahl, die noch im Regionalparlament erfolgte (der Gouverneur wurde damals noch nicht von allen Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt) und konnte somit seine bisherige Amtszeit an der Spitze der Stadtprovinz Jakarta für weitere fünf Jahre fortsetzen. Seine nunmehrige Kandidatur für das höchste Amt im Staate war taktisch unklar gehalten: „Sutiyoso for President“, lautete die Ankündigung. Die indonesischen Medien stimmten mehrheitlich darin überein, dass er reale Chancen nur als Vizepartner eines parteipolitisch starken zivilen Bewerbers haben werde, der im Duo mit einem ehemaligen Angehörigen des Militärs antreten wolle.2 Dieser Form einer zivil-militärischen Doppelrepräsentanz werden nach dem heutigen Stand der Dinge von politischen Beobachtern die größten Erfolgsaussichten bei der Pilpres 2009 zugesprochen.

Der amtierende Präsident und General a.D. Susilo Bambang Yudhoyono hat noch nicht verkündet, ob er zur Wiederwahl kandidieren möchte. Dem Status seines Amtes genügend wird er wohl als einer der letzten seine Kandidatur anmelden. Es wird erwartet, dass der amtierende Vizepräsident Jusuf Kalla, ein Zivilist und Vertreter der Golkar Partei, ihm nicht mehr zur Seite stehen, sondern selbst als Kandidat antreten wird. Außer dem Präsidenten und Sutiyoso hat bisher nur ein weiterer ehemaliger General offen seine Ambition auf eine Präsidentschaftskandidatur erkennen lassen: General a.D. Wiranto, der 2004 im ersten Wahlgang gescheiterte Kandidat der Golkar. Auch Wiranto wird voraussichtlich nur für die Vizepräsidentschaft an der Seite eines starken zivilen Parteikandidaten in Frage kommen. Woraus zu folgern ist, dass der nächste Präsident der Republik Indonesien, wenn denn Yudhoyono die Wiederwahl nicht gelingen sollte, wahrscheinlich ein Zivilist sein wird.

Die in den Zeiten der Orde Baru („Neue Ordnung“) fast allmächtigen Militärs – heute TNI (Tentara Nasional Indonesia, „Indonesische Nationalarmee“) – scheinen weiter an Macht und Einfluss zu verlieren. Sie fügen sich in die Prozesse der parlamentarischen Demokratie ein und erlernen deren Spielregeln. Dennoch werden sie im Vorfeld der Wahlen, im Wahlkampf und in der Austarierung der politischen Macht in Indonesien unter einem neuen Präsidenten ein gewichtiges Wort mitzusprechen haben.

Nach der dritten, und vor der vierten Wahl

Die letzte Wahl zum Präsidenten in 2004 durchlief zwei Durchgänge, 3 aus denen Viersternegeneral a.D. Susilo Bambang Yudhoyono, als Sieger hervorging. Sein Partner war Jusuf Kalla, der derzeitige Vizepräsident. Die Wahlen von 2004 waren auch ein Test, wie sich die Streitkräfte in die neue parlamentarisch-demokratische Ordnung einzufügen verstanden, bzw. ob und wie sie ihre militärische Reform demokratiekompatibel gestalten würden. Das Resultat von 2004 darf als Erfolg gelten. Die Streitkräfte befolgten den vorgegebenen Rückzug aus den Parlamenten, in welche sie in den 32 Jahren der Suharto-Herrschaft feste Kontingente militärischer Abgeordneter entsandt hatten, die nicht durch Wahlen legitimiert waren. Bei den Wahlen 2004 hielten sie sich peinlich genau an die vereinbarten Regeln des demokratischen Prozesses und verhielten sich neutral.

Der 2004 gewählte Präsident hat eine Offizierkarriere bis zum vierten Generalsstern durchlaufen. Susilo Bambang Yudhoyono vermochte es, nach Ablegen seines Uniformrocks glaubwürdig, die Persönlichkeit eines zivilen Präsidenten anzunehmen. Seine eigene Partei, die Partai Demokrat („Demokratenpartei“), die er für seine Kandidatur aus dem Nichts aufgebaut hat, besitzt eine zivile Basis, auch wenn an ihrer Spitze einige ehemalige Generäle seines Vertrauens in wichtigen Positionen sitzen.

Der zu einem Zivilisten gewandelte General reflektiert in seiner militär-zivilen Vita einige grundlegende Eigenschaften der Kategorie indonesischer Militärs, die ich als „die neuen Generäle“ bezeichnen möchte. Sie umfassen eine altersmäßig breite Gruppe von Offizieren, die ab 1967 in die neu aufgebaute Militärakademie Akabri 4 in Magelang, Zentraljava, eingetreten waren und dort für vier Jahre zur künftigen Führungsgeneration der Streitkräfte für das militärgestützte Regime der „Neuen Ordnung“ (Orde Baru) des Präsidialdiktators und General a.D., Suharto, ausgebildet wurden. Dieser für die Sicherung der Diktatur erzogenen Offizierselite sollte in der jüngeren politischen und militärischen Geschichte Indonesiens die Aufgabe zukommen, Staat, Militär und Gesellschaft in die Phase der Transformation zur Demokratie zu überführen. Susilo Bambang Yudhoyono war einer von drei Generälen 5, die bei den Wahlen von 2004 als Kandidaten für das Amt des Präsidenten und des Stellvertretenden Präsidenten der Republik antraten und, den Bestimmungen der demokratischen Wahlen folgend, vor der Bekanntmachung ihrer Kandidatur aus den Streitkräften austraten. Dass einer der drei Militärkandidaten in einer einhellig als frei und demokratisch gewerteten Wahl zum Präsidenten bestimmt wurde, zählt zu den Merkwürdigkeiten der aus der Diktatur des Militärs erwachsenden jungen indonesischen Demokratie.

1. Die große Familie des Militärs

Das Militär ist nicht nur über den Präsidenten in der politischen Szene Indonesiens vertreten. Alle politischen Parteien haben Generäle in ihren Führungsgremien, die, wie Yudhoyono, den Uniformrock an den Nagel gehängt haben. Diese purnawirawan, Generäle im Ruhestand, sind von allen Parteien umworben und werden es auch in den kommenden Jahren sein. Offiziere resp. Generäle müssen mit spätestens 58 Lebensjahren den Militärdienst verlassen 6 und verfügen dann noch über genügend Energie, Ehrgeiz und persönliche Netzwerke, die sie als Wahlkampf- und Machtpotential für jede Partei attraktiv machen. Es ist nicht nur chic für jede Partei und politische Gruppierung, hohe Militärs um sich zu wissen, sondern auch praktisch. Militärs auch ohne Uniform öffnen manche Tür, die Zivilisten verschlossen bleibt. Sie vermitteln einen Hauch von Professionalität, Disziplin und Erfahrung in der Profession militärischer Sicherheit, die in einem von Unwägbarkeiten regierten Indonesien ein hohes Gut darstellt.

Das indonesische Militär besitzt derzeit und auf absehbare Zeit keine Ambitionen auf eine Machtübernahme. Ein Militärputsch wie in Thailand und eine Militärdiktatur nach dem Muster von Birma/Myanmar steht für Indonesien nicht zu erwarten. Auch wird das indonesische Militär die Wahlen nicht behindern oder allzu offenen Einfluss nehmen. Absolute Neutralität wird es jedoch nicht wahren (können?), auch wenn es Einflussnahmen zurückweisen wird. Denn dafür ist das Militär immer noch zu stark in der Gesellschaft verankert und über seine Stationierungspolitik überall im Lande präsent.

Die rechtlichen Grundlagen der politischen Position des Militärs

Das Parlament verabschiedete in seiner letzten Sitzung der ausgehenden Periode 1999-2004 am 29. September 2004 das Gesetz Nr. 34/2004 zu den Streitkräften.7 Einen Tag darauf schieden mit der regulären Auflösung des Volkskongresses (MPR) und des Parlamentes (DPR) die gemeinsamen parlamentarischen Fraktionen der Streitkräfte und Polizei aus diesen und allen anderen Parlamenten des Landes aus und beendeten die Periode der 34 Jahre 8, während derer die Streitkräfte mit gesetzlich vorgegebenen Fraktionsstärken in allen Parlamenten vertreten waren.

Der Paragraph 2 des Gesetzes 34/2004 unterwirft die Streitkräfte und ihre Angehörigen den Prinzipien von Demokratie, ziviler Vorherrschaft (supremasi sipil), Menschenrechten und nationalen wie internationalen Rechtsbestimmungen. Er untersagt ihnen wirtschaftliche und politische Betätigungen.9 Der Soldat, so sagt es der Text der Gesetzeserläuterungen aus, „betreibt keine aktive Politik (politik praktis) (…) und befolgt allein die staatliche Politik.“10 Diese knappe Aussage lässt die dem Militär eigene Abneigung gegenüber politischen Parteien durchscheinen, deren Einfluss auf den Truppenkörper sie immer wieder als schädlich darstellt. Das Militär als Organisation, so seine Meinung, müsse vom Einfluss und dem Gezänk der Parteien frei und damit apolitisch gehalten werden.11

Das Soldatengesetz 12 verbietet dem dienenden Soldaten explizit die Mitgliedschaft in einer politischen Partei, eine politische und wirtschaftliche Betätigung und die Teilnahme an öffentlichen Wahlen für die Legislative sowie die Übernahme politischer Ämter.13 Was dem dienenden Soldaten untersagt ist, ist im Umkehrschluss den aus dem Militärdienst ausgeschiedenen Angehörigen der Streitkräfte erlaubt. Ihnen stehen, wie jedem Staatsbürger, die Möglichkeiten der Teilnahme am politischen Meinungsbildungsprozess sowie das aktive und passive Wahlrecht zu. Weder das Streitkräfte- noch das Soldatengesetz regeln den Status der ausgeschiedenen Angehörigen der Streitkräfte und eröffnen damit einen rechtlichen und politischen Freiraum, den die Große Familie der Streitkräfte (Keluarga Besar TNI) einzunehmen weiß.

Keine politische Vertretung für die Angehörigen der Streitkräfte

Die Streitkräfteangehörigen besitzen keine Organe der Mitbestimmung oder der Interessensvertretung innerhalb und außerhalb ihrer Organisation.14 Der Verteidigungsminister, der Kommandeur der Streitkräfte (Panglima TNI) und die Chefs der Teilstreitkräftestäbe vertreten die Interessen ihrer Truppe gegenüber der Staatsführung und Politik. Innerhalb der Truppe sind es die Kommandeure der Einheiten und Verbände, die gegenüber ihren vorgesetzten Stellen die Interessen ihrer Untergebenen zu wahren haben. Es ist diese dem indonesischen Militär traditionell eigene Tradition des „bapakismus“, der es dem väterlichen Führer und Vorgesetzten (bapak) überantwortet, für seine Untergebenen und zur Fürsorge überantworteten Kinder (anak buah) an höherer Stelle vorzusprechen. Dem Militär ist der demokratische Urgedanke traditions- und wesensfremd, dass ihre Angehörigen für ihre eigenen Interessen und die ihrer Gemeinschaft politisch tätig werden könnten oder wollten. Parteien als Organe der politischen Willensbildung hat das Militär immer als Konkurrenz um politische Einflussnahme und als außermilitärische Elemente des Einwirkens auf die Truppe betrachtet, deren Einfluss begrenzt oder völlig ausgeschlossen werden müsse.15 Politische Neutralität und die Abstinenz vom politischen Gezänk, was die gemeinte Bedeutung der vorgeschriebenen Abstinenz von „politik praktis“ wäre, gilt der Streitkräfteführung nach wie vor als oberster Leitsatz.

Das Streitkräftegesetz sagt nichts zum aktiven Wahlrecht der Militärangehörigen aus. In die Wahlen von 2004 ging das Militär aus einer Position des bewusst in Kauf genommenen rechtlichen Vakuums. Die Streitkräfteführung hatte dem breiten politischen Ansinnen in Politik und Bevölkerung zugestimmt, die festen Kontingente von Parlamentsabgeordneten für Militär und Polizei aus der Ära der Neuen Ordnung im Sinne der zivilen Vorherrschaft abzuschaffen. Die Wahlordnung der Suharto-Zeit kannte als Begründung für diese nun abgeschaffte Praxis die Argumentation, dass die Militärangehörigen für das Privileg der Zuweisung fester Sitze in allen Parlamenten quasi als Gegenleistung auf ihr Wahlrecht verzichteten und Neutralität an den Wahlurnen der Neuen Ordnung wahrten. Für die Wahlen 2004 schrieben die Streitkräfte diese Neutralität fort. Die TNI-Führung bestimmte, dass ihre Truppenangehörigen nicht an den Wahlen teilnehmen, obgleich ihnen die demokratische Wahl als Recht zustand. Auf meine Frage an TNI-Angehörige vor den Wahlen 2004, warum sie nicht dennoch zur Wahl gehen wollten, zumal ihnen der Wahlverzicht nicht befohlen worden war und ihnen nach demokratischen Gepflogenheiten nicht befohlen werden konnte, antworteten sie sinngemäß, dass dies dem militärischen Prinzip des Gehorsams widerspreche, nach dem den Worten eines Vorgesetzten auch dann zu folgen sei, wenn es sich um Anregungen und nicht um Befehle handele.

Die Praxis der Wahlenthaltung galt zeitbegrenzt nur für 2004, besteht aber bis heute fort. Die Frage des aktiven Wahlrechts für die Angehörigen der TNI wird seit zwei Jahren heftig in Regierung und Militär diskutiert. Der aktuelle letzte Stand der Beschlussfassung wurde auf der Kommandeurtagung der Streitkräfte16 am 25. Januar 2007 vom Präsidenten und militärischen Oberbefehlshaber Yudhoyono verkündet, als er vor den versammelten Kommandeuren seiner Meinung Ausdruck verlieh, dass der Zeitpunkt 2009 absehbar noch zu früh sei, den Truppenangehörigen das Wahlrecht zubilligen zu können. Die Chefs der Stäbe, wissend, dass eine geäußerte Ansicht des Präsidenten und obersten Befehlshabers der TNI einer Weisung gleichkommt, und sie ohnehin in der Sache mit ihm einher gingen, stimmten tags darauf dieser „Meinungsäußerung“ ihres Oberbefehlshabers zu. Zivile Abgeordnete widersprachen dieser Ansicht und verlangten das Wahlrecht für alle Bürger, konnten sich aber gegenüber der TNI-Führung und dem Verteidigungsminister nicht durchsetzen.17 Die ablehnende Haltung der Streitkräfte wurde kürzlich durch die pensionierten Generäle der TNI bekräftigt.18 Die letztlich bindende Bestimmung wird voraussichtlich erst kurz vor den Wahlen verkündet werden. Es bleibt wichtig anzumerken, dass zu den ihres aktiven Wahlrechts beschnittenen Angehörigen nicht nur die aktiven Soldaten, sondern auch deren Ehefrauen und, in einem mir nicht bekannten Maße, auch deren Söhne und Töchter gehören. Die Streitkräfte verstehen sich als Große Familie (keluarga besar), innerhalb derer sich alle Familienmitglieder gemeinsam der Vorzüge und Belastungen des Militärlebens zu unterwerfen haben.

Die fortgeschriebene Selbstfinanzierung der Streitkräfte 19 nötigt alle Angehörigen der Großen Militärfamilie zu außerdienstlichen Anstrengungen der Finanzierung ihres Lebensunterhaltes.20 Die Hintergrundorganisationen spielen eine wichtige und für die Truppenangehörigen – aktiv wie pensioniert – unverzichtbare Rolle, die weder die Führung von Politik und Streitkräften übersehen darf. Solange die indonesische Verteidigung auf der Selbstfinanzierung, und damit zwangsläufig auf ihrer Kommerzialisierung über Selbstvermarktung ihrer Dienste, beruht, wird die militärische Großfamilie ein Machtfaktor nationaler Politik und Wirtschaft bleiben.

2. Die Hintergrundorganisationen der TNI

Die mächtige, aber verschwiegene Gemeinschaft der purnawirawan, der Berufsoffiziere im Ruhestand, ist das zentrale Instrument der politischen Einflussnahme der militärischen Gemeinschaft. Sie verfügt über Zugriff auf finanzielle Ressourcen, die sie im Sinne der Militärgemeinschaft einsetzt. Zum Verständnis der Hintergrundorganisationen des Militärs sind einige Erläuterungen vorauszuschicken.

Ein indonesischer Berufsoffizier (perwira) verlässt auch mit seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst (dinas aktif), sei es aus Gründen von Krankheit oder das Erreichen der Altersgrenze, die Gemeinschaft der Offiziere nicht. Er bleibt auch über seinen Dienst hinaus an seine Eide als Soldat (Sumpah Prajurit) und als Offizier (Sumpah Perwira) gebunden. Mit seinem Übergang in den Ruhestand wird er verpflichtend zum Mitglied in der großen Vereinigung der Ruheständler des indonesischen Militärs und der Polizei, der Pepabri (Persatuan Purnawirawan Angkatan Bersenjata Republik Indonesia)21. Der in den Ruhestand tretende Offizier erhält in der strikt einer militärischen Hierarchie unterworfenen Veteranenorganisation einen Rang und Dienstgrad gleich seinem letzten Dienstgrad als aktiver Offizier respektive General. Sein nachdienstlicher Dienstgrad entscheidet sowohl über seine Position, Stellung und Entscheidungsbefugnisse in der Organisation, als auch über seine Kontrolle über Gelder und Kanäle der Patronage. Auch erhält der Offizier seine Ruhestandsbezüge nicht vom Staat oder dem Verteidigungsministerium, sondern von der Pepabri.22 Die Organisation Pepabri vereint unter ihrem Dach die Ehefrauenorganisation der Ruheständler 23 und die Organisation der Söhne und Töchter der purnawirawan von TNI und Polizei.24 Die Pepabri gehört ihrerseits zum organisatorischen Kern des 1999 zur „Großen Familie der TNI“ (Keluarga Besar TNI) 25 umbenannten Organisationsverbundes der Streitkräfte und Polizei, dem alle Angehörige der Streitkräfte und Polizei und deren Familienangehörige angehören müssen. Diese Militärfamilie umfasst also mehr Angehörige als die offiziell erfassten Mitglieder, die in der Regel die Familienoberhäupter (Männer) sind. Einschließlich ihrer Ehefrauen und Kinder dürfte die Große Militär- und Polizeifamilie einige (wenige) Millionen Individuen betragen. Dem historischen Muster einer so genannten vormodernen militärischen Organisation 26 folgend, versteht sich die Militärfamilie als eine über die militärischen Aufgaben und die Lebensführung ihrer Armee verpflichteten Gemeinschaft, in der der Soldat seine Ehefrau findet, seine Kinder in der „Kasernengemeinschaft“ (komunitas tangsi) großzieht und sein Berufs- und Familienleben dem Rhythmus der militärischen Ordnung und dem militärischen Lebensmilieu unterwirft. Die Militärfamilie ist über ein dichtes Geflecht von Heirats- und Patronagebeziehungen mit der Zivilelite verbandelt und ihrerseits ein Teil der Großen Familie der politisch-wirtschaftlichen Oligarchie Indonesiens.

Die „familiären“ Organisationen der Streitkräftegemeinschaft markieren die institutionalisierten Knotenpunkte im breiten Netzwerk der militärisch-zivilen Beziehungen, das unter der Neuen Ordnung Suhartos die Oligarchie Indonesiens stabilisiert und ausgeweitet hat.27 Sie zeichnet eine grundsätzlich pro-militärische Einstellung aus, die sich im allgemeinen nicht durch einen zur Schau getragenen Militarismus manifestiert, sondern durch eine kollektive, harmlos daherkommende Besorgnis um den Bestand Indonesiens. Globalisierung, nebulöse Vorstellungen allgegenwärtiger Feinde von Außen und Innen sowie das Abwenden des einstigen großen Freundes der USA vom Schicksal ihres Landes vereinen sich zu einer Bunkermentalität, in der den Brüdern im Militär jede Unterstützung für ihren tapferen Einsatz um den Fortbestand des gemeinsamen Gutes Indonesien zuzukommen hat. Eine ernsthafte Spaltung in eine zivile und militärische Sphäre sehen sie in Indonesien nicht. Mit dem Familienklischee pflegen sie zivil-militärische Dissonanzen zu übertünchen und in ihrem Milieu hinwegzureden.

Indonesische Offiziere werden von Beginn ihrer militärakademischen Erziehung an in vielfache Ordnungssysteme patriarchalischer Abhängigkeiten eingeführt und erlernen in ihrer Laufbahn die Führungsqualitäten eines indonesischen bapak. Diese werden im Militär höher geschätzt als professionelle militärische Führungsqualitäten. Die heutigen Offiziere der TNI wurden allesamt in ihrer Ausbildung und Karriereführung in der ABRI 28 über vielfältige Beziehungen einer mehr oder weniger umfassend gesteuerten Patronage- und Verwandtschaftspolitik mit der zivilen Elite verbunden. Die gezielte Einbindung der militärischen Kommandoelite in die Oligarchie 29 stellte einen Teil ihrer formellen Laufbahnführung dar. 30 Ihre militärischen Karrieren waren und sind darauf ausgerichtet, sie zu regimetreuen Administratoren des Sicherheitsapparates heranzuziehen, denen jeder Gedanke und jede Möglichkeit zum Putsch gegen die Elite Indonesiens aberzogen wurde. Die Großgeneration der „Neuen Generäle“, die mit Susilo Bambang Yudhoyono an die Spitze der Staatsmacht gelangte, verfügt nicht länger über die militärische Selbstständigkeit, die ihre aus den Wirren des Unabhängigkeitskampfes hervorgegangene Vätergeneration noch prägte. Das Offizierkorps liefe bei zu großer Eigenständigkeit Gefahr die Hand zu beißen, die sie geführt und während ihrer Militärlaufbahn versorgt hat. Ein Militärputsch wäre in Indonesien heutzutage nur mit der Zustimmung großer Teile der Oligarchie möglich – einer Oligarchie, zu deren Bestandteil das Militär längst selbst geworden ist.31

Die Identifikation der Hintergrundakteure

Der politische Einfluss der zivil-militärischen Großen Streitkräftefamilie sollte dennoch nicht überschätzt werden. Einige Ereignisse des vergangenen Jahres deuten auf einen Macht- und Einflussverlust. Zahlenmäßig dürfte sich der harte Kern derjenigen, die sich der Familie verbunden fühlen, ohnehin nur auf zwei bis drei Millionen Individuen geschätzt werden. Nicht unbedingt viel in einer Bevölkerung, die einhundert Mal soviel Menschen aufweist. Die reinen Zahlen sind Schätzungen und besagen nichts über die wirkliche Macht und den Einfluss des Netzwerkes. Nur wenige militärische Führungspersonen verfügen über entscheidenden Einfluss, gleich ob vor oder hinter den Kulissen von Politik und Wirtschaft, und wenn überhaupt, dann nur zeitbegrenzt.32 Das Netzwerk des Militärs verändert, stabilisiert und destabilisiert sich immer wieder aufs Neue.

Betrachten wir die Zahl der militärischen Führungspersönlichkeiten, die politischen Einfluss besitzen oder erlangen können, so müssen wir zuerst die Offiziere (perwira) von den Unteroffizieren und Mannschaften trennen. Letztere sind unbedeutend. Von den Offizieren muss der Anteil der Offiziere aus Marine und Luftwaffe, der ca. dreißig Prozent des Offizierskorps der TNI ausmacht, mehrheitlich abgezogen werden. Sie gelangen nur in Ausnahmefällen in politische Entscheidungspositionen und sind vergleichsweise irrelevant. Niemand gewinnt mit Marine und Luftwaffe Wahlen. Beschränken wir uns auf das Offizierskorps des Heeres, so besitzen in ihm allein die Führungsoffiziere der Truppengattungen Infanterie, Kavallerie (leichte Panzerfahrzeuge) und Artillerie überhaupt eine Aussicht, in ihrer Laufbahn mehr als zwei Generalssterne zu erhalten. Die statistischen Zahlen belegen dieses Faktum.33 Was wiederum die Zahl der wirklich wichtigen Offiziere und Generäle, die in Führungspositionen sind oder in sie gelangen können, einschränkt und überschaubar gestaltet.

Die politische Macht der (aktiven) Kommandeure des Heeres liegt in ihrer Nähe zur Bevölkerung und der staatlichen Verwaltung in den Gebieten, die über das landesweite System der territorialen Heereskommandos (komando teritorial, Koter) angelegt ist und parallel zur staatlichen Verwaltung funktioniert. Im Territorialsystem erlernen die Führungsoffiziere ihr politisches Handwerk und bauen ihre persönlichen Netzwerke auf, die sie als Pensionäre in die Pepabri und die politischen Interessengruppen einbringen. Auch heute, acht Jahre, nachdem die Armee 1999 offiziell die sozio-politische Einflussnahme (Sospol) auf die Zivilgesellschaft – einen Stützpfeiler der dwifungsi oder Doppelfunktion der Streitkräfte – abgeschafft hat, verfügen die Territorialkommandos immer noch über Zuständigkeiten für die Verteidigung in ihrer Auftragsregion (Provinzen und Landkreise) und Entscheidungsbefugnisse, die ihnen direkten Zugang zu den administrativen Führungseliten und Zugriff auf territoriale Ressourcen verschafft 34. Marine und Luftwaffe fehlt dieses „Hinterland“ zur Finanzierung des politischen Einflusses. In den Wahlkämpfen 2004 waren es regionale Provinzfürsten, Zivilisten mit militärischem Hintergrund, die über die Pepabri und andere purnawirawan-Organisationen Wahlkampfgelder für Militärkandidaten auftrieben und in deren Wahlkampfkassen spülten. Yudhoyonos Wahlkampf soll von diesen territorialen Finanzzuwendungen, die zivilen Parteien nicht zur Verfügung standen, erheblich profitiert haben.35 Das finanzielle Patronagenetzwerk ist seit dem Amtsantritt Yudhoyonos zerfallen. Das unerwartete Versterben des großen Strippenziehers im Hintergrund, General Edy Sudrajat, am 1. Dezember 2006, beraubte es seines Kopfes. Der General aus dem Akademiejahrgang 1960 36 galt als Förderer der Fraktion der „Rot-Weißen“ Offiziere im Offizierkorps und als Ziehsohn des einstigen großen Widersachers Suhartos, Benjamin Leonardus Murdani.37 Yudhoyono darf als Angehöriger der Enkelgeneration Murdanis gelten und hat seinen Erfolg in der Wahl, insbesondere gegenüber seinem heeresinternen Konkurrenten Wiranto, der den Zuspruch der Pepabri besaß, durchsetzen können. Der Tod Sudrajats führte zu heftigem Gerangel um die Macht innerhalb der Pepabri, der General Try Sutrisno 38, ein Konkurrent Sudrajats, lange vorstand. Innerhalb der normalerweise auf strenge Diskretion bedachten purnawirawan-Organisationen kam es nach dem 21. Dezember 2006, als Wiranto seine eigene Partei und Vehikel für den Wahlkampf 2009, die Partai Hanura („Die Partei des Gewissens des Volkes“) ausgerufen und sich selbst zu ihrem Vorsitzenden erklärt hatte, zum offenen Tumult. Die Pepabri war offensichtlich nicht konsultiert worden. Andere Generäle a.D. versuchten hastig und mit wenig Erfolg ihre eigenen Parteien auf den Markt zu werfen 39. Es kam zu einem kleinen Demonstrationszug auf den Präsidentenpalast, angeführt von Try Sutrisno, der in der Presse als versuchter Staatsstreich gegen den Präsidenten dargestellt wurde und dessen Hintergründe im Nebel indonesischer zivil-militärischer Politikmachenschaften verborgen blieben. 40 Die beteiligten Generäle und ihre wenigen zivilen Mitläufer blamierten sich in den Augen der Öffentlichkeit bis auf die Knochen und zogen sich aus der politischen Öffentlichkeit zurück.41 Deutlich war jedoch über den Jahreswechsel 2006-07 der Bruch der Beziehungen zwischen der Großen Militärfamilie und dem Präsidenten sowie der Zerfall der Rot-Weißen Offizierfraktion zu Tage getreten.

General a.D. Try Sutrisno war am 1. Oktober dieses Jahres bei Sutiyosos Verkündigung an prominenter Stelle anwesend und untermauerte damit die Behauptung des Präsidentschaftskandidaten, über die Unterstützung der Streitkräfte zu verfügen. Es scheint, dass die Pepabri sich gegen den Präsidenten aufgestellt hat.

Die purnawirawan und die Parteien

Generäle, die zu purnawirawan wurden, sind gern gesehene Mitglieder in Parteien. Man umwirbt sie wegen militärischer Tugenden wie die disiplin (Disziplin) und ihrer Fähigkeiten und Erfahrung zur Führung von Menschen und (Parteien-)Organisationen. Geschätzt sind sie wegen ihrer persönlichen Beziehungsnetzwerke zur Keluarga Besar der Streitkräfte, die sie in die Partei ihrer Wahl einzubringen vermögen. Gemeinsame politische Überzeugungen sind selten entscheidend. Und noch eines muss angemerkt werden: für Parteien sind nur Ex-Generäle von Interesse, oder gerade noch Oberste. Für dienstgradmäßig niedere Offiziere besteht bestenfalls auf Landkreisebene ein begrenzter politischer Markt.

Experimente mit reinen Militärparteien wurden unternommen, waren aber ein Fehlschlag. Edy Sudrajat war der letzte, der 2004 eine Generalspartei aufbaute und eine kräftige Niederlage einstecken musste. Die Wähler beschieden ihr eine satte Ablehnung, und das Militär erkannte, dass es allein über zivil-militärische Allianzen zum politischen Ziel gelangen kann.

Susilo Bambang Yudhoyonos Partai Demokrat („Demokratenpartei“) war niemals als Militärpartei angelegt, sondern war fähig sich eine breite zivile Basis aufzubauen und einen glaubwürdigen Anspruch als Volkspartei aufzubauen. Zwei Jahre Vorlauf reichten aus, um 2004 einen erfolgreichen Wahlkampf für die Partei und ihren Kandidaten führen zu können.

General a.D. Wiranto, der 2004 für die Golkar angetreten und unterlegen war, kopiert diesen Weg mit seiner Partai Hanura.42 Seither ist es still um diese Partei und zu früh, um ernsthaft über ihren Wahlerfolg spekulieren zu können. Mehr als ein Vehikel für die Kandidatur ihres Vorsitzenden wird sie absehbar nicht sein können.

Eine weitere Besonderheit der Hintergrundorganisationen des Militärs liegt in ihrer Kultur der Hierarchie begründet, in der sich kürzlich ein erstaunlicher Wandel vollzog. Eine ungeschriebene Regel in Organisationen militärischer Ordnung besagt, dass nur Viersterne-Generäle für das höchste Staatsamt kandidieren dürfen, und Drei- und Zweisternekandidaten höchstens das Amt eines gubernur, des Chefs einer Provinz anstreben dürfen. Die Provinzwahl in Jakarta im August widerlegte diese Regel. Keiner der als Kandidaten oder Vizekandidaten für diese wichtigste Provinzwahl Indonesiens angetretenen Viersternler erzielte im Vorfeld der Kandidatenkür die Gunst der Parteien. Das Mehrparteienbündnis für den schließlich siegreichen Fauzi Bowo wollte zwar nicht auf einen Ex-General hinter ihrem zivilen Kandidaten verzichten, musste sich aber auf die peinliche Suche nach einem geeigneten Kandidaten begeben und entschied sich schließlich für den unbekannten Zweisternegeneral Prijanto Sumantri. Seine Qualifikation bestand lediglich darin, dass er die meisten Jahre seiner Laufbahn in Jakarta zugebracht hatte und damit als Einheimischer ein gewisses Lokalkolorit in die Kandidatenehe einzubringen vermochte. Er musste für seine Bewerbung erst noch aus dem Militär herauspensioniert werden.43 Wahlentscheidend war dieser zweitklassige General nicht. Über die Ursachen, warum keiner der Viersterne-Purnawirawan 44 die Gunst der Parteien erhielt, wurde in der Presse laut spekuliert. Die alten Herren, so hieß es, konnten keine ausreichende finanzielle Mitgift in die politische Kandidatenehe einbringen und waren an den Hürden der money politics gescheitert.

Erste Aussichten für 2009

Es ist anzunehmen, dass sich 2009 viele, wenn nicht die meisten Kandidaten für das Präsidentschaftsamt um einen Ex-General als Juniorpartner bemühen werden. Die zivil-militärische Wahltradition scheint es so zu fordern. Dafür wird mit Wiranto der am besten vorbereitete Kandidat zur Verfügung stehen, obwohl seine neue und unbekannte Partei Hanura noch nicht einzuschätzen ist. Ex-General Sutiyoso ist bereits aus der Deckung gekommen. Beide sind vom Militärakademiejahrgang 1968, und beide sprechen konservativ-säkulare Parteien an. Andere ernstzunehmende purnawirawan, die sich auf Seite islamischer Parteien positionieren werden, sind noch nicht zu identifizieren.

Drei andere Generäle dürften hinter den Kulissen eine Rolle spielen. Der vergleichsweise junge (57 Jahre) General a.D. Ryamizard Ryacudu (Akademiejahrgang 1974), unter Präsidentin Megawati Chef des Heeresstabes und unter Yudhoyono in den Ruhestand versetzt, muss militärintern als der größte Rivale des amtierenden Präsidenten gelten. Er verfügt über gute Beziehungen in die Generalität hinein, innerhalb derer seine Jahrgangsgruppe ab 2009/10 an die Spitze der militärischen Führungspositionen kommen wird. Er ist eng mit dem Familienclan von Megawati und ihrer Partei PDI-P liiert. Sein Einfluss in der Pepabri ist noch nicht erkennbar.

General a.D. Endriartono Sutarto, Jahrgang 1971, meldet sich häufiger politisch zu Wort und scheint von seiner bei seinem Abschied vom Militär 2005 angekündigten politischen Abstinenz Abstand genommen zu haben. Er verfügt über einen gewissen Einfluss auf konservative Generäle und wird in den Netzwerken der Generalität einige Strippen ziehen können.

Schließlich ist auch Ex-General Hendropriyono zu nennen, der unter Megawati Chef des staatlichen Nachrichtendienstes BIN im Ministerrang war und mit dem Mord an Munir in Verbindung gebracht wird.45 Auch er besitzt politische Ambitionen, die er angedeutet, aber noch nicht offen geäußert hat. Seine Aussichten auf das höchste Staatsamt müssen als marginal eingeschätzt werden. Sein politischer Ehrgeiz und seine nach wie vor guten Kontakte zur Geheimdienstszene prädestinieren ihn zu einem power broker hinter den Kulissen. Er war bei der Kandidaturbekanntmachung Sutiyosos anwesend.46
Andere purnawirawan mit Aussicht auf politischen Erfolg sind derzeit nicht erkennbar.

Die aktive Generalität

Im Wahlkampf 2004 sind aktiv dienende Generäle nicht politisch in Erscheinung getreten, und auch der anstehende Wahlkampf 2009 wird dasselbe Bild der zur Schau gestellten parteipolitischen Neutralität der Streitkräfte präsentieren. Dennoch ist das Militär und sein Offizierskorps kein parteipolitisches Neutrum.

Der amtierende Präsident Yudhoyono benötigt für seine Wiederwahl ein ihm loyales Militär, loyale Kommandeure in den Führungspositionen der Teilstreitkräfte und in den Regionalkommandos. Die territorialen Heereskommandos sind entscheidend für den Wahlkampf. Sie verfügen mit ihren nachrichtendienstlichen und ideologischen Dienststellen 47 über Kanäle des Einflusses auf die Wahlbevölkerung, die jede Partei und jeder Kandidat zu berücksichtigen haben wird.

Yudhoyonos persönliches Kameradschaftsnetzwerk aus seiner Militärzeit sichert ihm bereits heute die Loyalität des Befehlshabers der Streitkräfte (Panglima TNI) 48, der Chefs der Stäbe von Marine und Luftwaffe 49 und Chef der nationalen Polizei. Sie alle gehören seinem Akademiejahrgang 50 an und sie haben ihre militärischen Laufbahnen gemeinsam verfolgt. Der Chef des Heeresstabes, General Djoko Santoso, gehört der von seinem Jahrgang protektionierten Jahrgangsklasse von 1975 51 an und ist Hauptkandidat für die Position des Panglima TNI, den der neu gewählte Präsident in 2009 ernennen wird.

Yudhoyono wird zum Wahljahr auch die Positionen unterhalb der Viersterne-Ebene mit Loyalisten zu besetzen haben. Dazu gehören der Chef des Generalstabes (Generalleutnant ***) und die Kommandeure der wichtigen Großkommandos des Heeres, die Strategische Heeresreserve Kostrad (Generalleutnant ***) und die Spezialkräfte des Heeres, Kopassus (Generalmajor **). Eine Besonderheit seiner persönlichen Machtbasis im Militär ist sein Netzwerk an Familienmitgliedern, die er an wichtige Schaltstellen des Militärs setzen wird. Seine Politik der Dienstpostenversetzung für die Zeit des Wahlkampfes und in den kommenden zweieinhalb Jahren bedarf analytischer Beobachtung.

Yudhoyono steht altersmäßig der Generalität nah. Seine Jahrgangsklasse wird 2009 die höchsten Positionen in den Streitkräften einnehmen. Nach seiner erfolgreichen Wiederwahl werden sie ihre Altersgrenze erreichen und in den Ruhestand treten. Die beiden nachfolgenden Jahrgangsklassen 1974 und 1975 werden seine zweite Amtszeit begleiten und militärisch abzusichern haben.

Yudhoyonos Kontrolle über den Sicherheitsapparat ist keinesfalls absolut. Sein Vertrauter auf der Position des Chefs des staatlichen Nachrichtendienstes, Generalleutnant Syamsir Siregar, hat es trotz seiner Erfahrungen an der Spitze des Militärdienstes nicht vermocht, die intelligence community des BIN auch nur halbwegs zu kontrollieren.52 Die Initiativlosigkeit des Präsidenten bei der Aufklärung des Mordes an Munir Thalib wirft Fragen auf. 53

Interessant zu beobachten wird der Einfluss des Wahlkampfes und der Parteien auf die Armee sein. Wie bereits 2004 werden die Streitkräfte zu diesem Thema schweigen und auf die strikte Neutralität der Truppe und ihrer Führung verweisen. In der Realität werden sich die Kasernen und Truppengemeinschaften nicht den politischen Vorgängen verschließen können.

Purnawirawan, die politische Kraft von gestern?

Für die Wahrung ihrer politischen Interessen stehen die Streitkräfte in einem mehrfachen Dilemma. Angesichts fehlender Institutionen, Mechanismen und legaler Vertreter ihrer Interessen müssen sie sich auf ihre Vorgesetzten verlassen, diese bei den zuständigen staatlichen Stellen vorzubringen und durchzusetzen. Unter dem Primat der zivilen Vorherrschaft, der sich der Sicherheitssektor formal verschrieben hat, werden diese mit Zivilisten besetzt sein, denen das Militär weiterhin und auf nicht absehbare Zeit mit Misstrauen begegnet. Das Feld der repräsentativen Politik ist ihnen rechtlich versperrt und sie lehnen es aus ihrer tiefsten militärischen Überzeugung als schmutzig und ihrer unwürdig ab. Dass belässt allein den verdeckten politischen Druck auf die politische Führung, mit der Androhung des militärischen Putsches als größtmöglicher Drohung, oder als Alternative den Einsatz scheinziviler Vertreter ihrer Hintergrundgemeinschaft an ihrer statt. Die Streitkräfte haben sich für den zweiten Weg entschieden.

Die Anwendung von, militärisch gesprochen, proxy forces oder Stellvertreterkräften stellt ein eigenes demokratisches Ordnungsproblem dar, das weder Staat noch Militär zu thematisieren begonnen haben. Es muss scheinen, dass der halb begangene Weg zu ziviler Vorherrschaft – wir Zivilisten tun so, als ob wir euch Militärs führen, und ihr Militärs tut so, als ob ihr uns gehorcht – den Konsens beider Seiten findet. Konsequent wäre es, die militärische Großfamilie abzuschaffen, ihre Funktionen der materiellen Absicherung des Ruhestandes der Militärangehörigen in staatliche Hände zu überführen und sie allein als Traditionalisten- und Veteranenverbände ohne politischen Einfluss fortbestehen zu lassen. Die Bindung der Kinder an die Militärgemeinschaft ihrer Eltern ist ein undemokratisches Relikt aus militaristischer Zeit.

Doch auch das Militär stellt die Scheinrepräsentanz durch die purnawirawan vor ein eigenes Dilemma. In einer jungen Nation müssen purnawirawan ihrer Natur gemäß nicht zu den Jüngsten gehören. Obwohl ein Sutiyoso, Wiranto und Yudhoyono mit ihren 63 respektive 60 und 58 Lebensjahren wahrlich noch nicht zum alten Eisen zählen, muss dem Militär klar sein, dass es niemals junge Vertreter der Militärfamilie ins politische Rennen entsenden wird. Die ureigenen Traditionen der Seniorität, der Hierarchie in den Hintergrundorganisationen und die organisatorischen Bedürfnisse der Organisation sprechen dagegen. Vor Erreichen der Altersgrenze wird das Militär einen guten Mann nicht gehen lassen.54

Auch für die eigene Truppe wird die altersgegebene Distanz zu einem politischen Vertreter eine Grenze finden. Ein purnawirawan besitzt nur ein Zeitfenster von wenigen Jahren, um die Nähe zur Truppe und das Verständnis ihrer Interessen nicht zu verlieren. Jedes Zeichen altersbedingten körperlichen Verfalls ist in der Kämpfertradition der Armee ein Makel. Irgendwann ab Mitte sechzig ist einfach Schluss, und ein „neuer“ Alter muss her.

Gegen den amtierenden Präsidenten spricht aus Sicht der Truppe, dass er die Sicherheitssektorreform zum Stillstand gebracht hat und die Einkommenssituation der Armeeangehörigen trotz geringfügiger Anpassungen faktisch gesunken ist. Aus dieser Unzufriedenheit nährte sich die Distanzierung der Pepabri von Yudhoyono. Auch gilt er bei seinem zweiten Antreten nicht länger als frischer Kandidat, sondern als etablierte Größe des politischen Eliteklüngels, der die allgegenwärtige Korruption nicht erfolgreich angegangen ist.

Noch viel mehr als der Präsident ist Sutiyoso ein etablierter Politiker der ganz alten Garde. Bekannt als Mann – Militär wie Zivilist – des rücksichtlosen Vorgehens und einer „Platin-Mentalität“ 55 sind Sutiyosos Charaktermerkmale ein rigider Stil der einsamen Entscheidungen. Seine Nähe zu „dunklen“ Kreisen in Jakarta ist legendär, aber kaum öffentlich thematisiert. Seine Laufbahn weist eine Menge an dunklen Flecken auf. Die Frage, ob solch ein Mann den jungen, nach frischen Köpfen lechzenden Wählern attraktiv erscheinen kann, wird in der Presse gestellt, ist aber über seine Person hinaus ein generelles Problem der politischen Vertreter des Militärs: alt und von gestern. Ob das Versprechen von Sicherheit, das Kandidaten für den Wähler nachweislich glaubhaft verkörpern, ihr Altenimage zu kompensieren vermag, wird die Wählerentscheidung zeigen.

Ohnehin mangelt es dem Militär an künftigem politischem Führungspersonal. Wer soll einem Yudhoyono, Wiranto und Sutiyoso einmal nachfolgen? Wer soll einmal aus dem Militär heraus indonesische Politik glaubwürdig für eine mehrheitlich junge Bevölkerung betreiben in einem Indonesien, das vor allem eine junge Nation ist? Können die alten Herren, die sich ihrer Uniformen entledigt haben, das Vertrauen der jungen Wahlbevölkerung – auch ihrer eigenen der Stimme entledigten Militärdienstleistenden – jetzt und immerfort gewinnen? Die „neuen Generäle“ nach Yudhoyono sind als apolitische Apparatschicks erzogen worden. Auf sie darf die Große Militärfamilie nicht hoffen, wenn sie charismatische Führungspersönlichkeiten suchen wird. Und das wird sie zwingen, sich dieser Frage zu stellen.

An der Wahlurne sind – saubere Wahlen vorausgesetzt – die abgegeben Stimmen entscheidender als noch so finanzkräftige Altherren-Hintergrundstrukturen. Manipulationen sind denkbar und machbar, aber langfristig kein Heilmittel für personalpolitischen Mangel im Militär. Was kommt dann? Die Demokratie ganz zu kippen und auf Militärherrschaft zu setzen, ist momentan und auf ansehbare Zeit keine Alternative. Niemand in Indonesien will ein Thailand oder Birma/Myanmar. Auch die Streitkräfte nicht. Sie würden eine Machtübernahme nicht aushalten, und die Folgen für Indonesien und seinen inneren Zusammenhalt wären verheerend. Das Militär muss seine Position in der demokratisch verfassten Gesellschaft immer noch suchen. Dieses Mal wird es wie üblich auf Stellvertreterkräfte, Netzwerke, Tricks und Schlichen setzen, aber erhebliche Kompromisse einzugehen haben. Zur Erinnerung sei es noch einmal gesagt: wenn Yudhoyono seine Wiederwahl nicht schafft, wird der nächste Präsident ein Zivilist sein. Ob mit einem purnawirawan an seiner Seite, und falls ja, mit welcher Persönlichkeit, ist noch völlig offen. Demokratisch offen. Das Thema der zivil-militärischen Beziehungen in der Politik Indonesiens wird langfristig interessant bleiben.

 

1 “Jakarta governor says to run for president”, Reuters, 1 October 2007, “Sutiyoso Deklarasikan Pencalonannya Sebagai Presiden”, www.tempointeraktif.com, 1 Oktober 2007
2 vgl. „Bursa Capres: Sutiyoso Deklarasikan Diri sebagai Calon Presiden“, Kompas, 2. Oktober 2007. Ein Pärchen von Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftsanwärtern muss als Bedingung seiner Nominierung die Unterstützung von mindestens 15% der im Parlament vertretenen Abgeordneten aufweisen. Womit die Unterstützung einer großen oder einer Koalition von kleinen Parteien unverzichtbar ist. Ein siegreicher Kandidat muss eine Koalition hinter sich scharen.
3 Und zwar im Juli und September 2004. Davor waren im April die Wahlen zur Legislative, für die die Parteien und ihre Kandidaten für die Parlamente des Landes antraten, abgehalten worden.
4 Die Akademi Angkatan Bersenjata Republik Indonesia, die „Akademie der Streitkräfte Indonesiens“, wurde nach der Machtübernahme Suhartos und des Militärs aus der Akademie des Heeres, Akademi Militer Nasional (AMN) in Magelang, Zentraljava, heraus neu organisiert und mit einem neuen Auftrag versehen. Die Akabri nahm die Offizierschüler (Kadetten) aller vier Teilstreitkräfte auf, die unter dem Dach der ABRI zusammengefasst waren – Heer, Marine, Luftwaffe und Polizei – und bildete sie im ersten Akademiejahr gemeinsam aus. Nach Ablauf dieses Jahres verblieben die Kadetten der Landstreitkräfte an der Akademie in Magelang, während die Offizierschüler der anderen Teilstreitkräfte ihre Offizierausbildung an ihren Ausbildungseinrichtungen abschlossen. Die Offizierausbildung dauerte bis 1980 vier Jahre, danach drei Jahre. Susilo Bambang Yudhoyono gehört zum Jahrgang der Heereskadetten von 1973 und hat die Jahre von 1970 bis 1973 in Magelang seine Offizierausbildung durchlaufen und als Jahrgangsbester abgeschlossen. Er gehört zur so genannten „Generation“ (Angkatan) der indonesischen Offiziere von 1973. Die jungen Offiziere verließen zu jener Zeit die Akademie mit durchschnittlich 23 oder 24 Lebensjahren.
Die Akabri wurde am 1. April 1999 umbenannt zur Akademi Tentara Nasional Indonesia (Akad TNI) und bildet nur noch die Kadetten von Heer, Marine und Luftwaffe aus, die seit jenem Datum in der „Nationalen Indonesischen Armee“ (Tentara Nasional Indonesia, TNI) zusammengefasst sind.
5 Die anderen waren der Kandidat für das Präsidentschaftsamt General a.D. Wiranto, Akademiejahrgang 1968, und der Vizepräsidentschaftskandidat General a.D. Agum Gumelar, ebenfalls aus dem Jahrgang 1968. Beide Generäle a.D. haben zwar an der Akabri abgeschlossen, müssen jedoch als Offizierprodukte der AMN gelten. Die Großgeneration der Offiziere der Neuen Ordnung, die von mir als die „neuen Generäle“ benannten Führungsoffiziere, beginnt mit der Jahrgangsklasse 1971 der Akabri.
6 Nach den Bestimmungen des  Gesetzes der Streitkräfte Nr. 34/2004 vom September 2004. Nicht wenige Generäle verlassen bereits vor Erreichen der Altersgrenze die Streitkräfte, wenn diese sie ziehen lassen und/oder keine angemessene Verwendung mehr für sie haben.
7 Undang-Undang Nomor 34 Tahun 2004 tentang Tentara Nasional Indonesia.
8 Ab 1972 war die ABRI mit einer eigenen Fraktion im Parlament vertreten
9 Paragraph 2, Buchstabe (huruf) d., Gesetz 34/2004
10 Penjelasan atas Undang-Undang Republik Indonesia Nomor 34 Tahun 2004, Pasal 2, huruf d.
11 Dem indonesischen Soldaten und Offizier wird implizit auch jegliche private Beschäftigung mit Parteipolitik, sei es im Familien-, Freundes- oder Kameradenkreis, untersagt. Jede politische Äußerung, die er im Dienst oder in seiner Freizeit tätigt, kann ihm als Betreiben von „politik praktis“ vorgeworfen werden und dienstrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Das indonesische Soldatenwesen kennt (noch?) nicht das Prinzip des demokratisch bewussten Soldaten als Staatsbürger in Uniform, für den politisches Interesse und Engagement nicht im Gegensatz zu seinen Aufgaben im militärischen Apparat steht.
12 Das völlig überarbeitete Soldatengesetz von 1988 ist in das Streitkräftegesetz im Absatz VII aufgenommen worden. Die gesetzlichen Bestimmungen für die Streitkräfte TNI und ihre Angehörigen sind damit zusammengefasst.
13 Paragraph 39 Gesetz 34/2004
14 Institutionen wie der Wehrbeauftragte der Bundeswehr oder der Bundeswehrverband sind den Angehörigen der indonesischen Streitkräfte unbekannt und erscheinen ihnen, wenn man sie darauf anspricht, auch als undenkbar für die Zukunft.
15 Den Widerspruch zwischen der Ablehnung von politischen Parteien an sich und dem Verzicht auf eigene politische Vertretung hatte die Neue Ordnung über die Golkar zu lösen versucht. Die Partei Golkar galt als Nicht-Partei und Quasi-Gewerkschaft aller Indonesier, die im politischen Ordnungssystem gegenüber den beiden einzig erlaubten Parteien PPP und PDI als politisch-moralisch höherwertig galt. Innerhalb der Golkar bestanden die jalur (Pfade) der Bürokratie und des Militärs, über die die Angehörigen der Sektoren ihre Interessen vorzubringen hatten. Aus diesem Golkar-Konstrukt, dass sich als Große Familie der Golkar verstand, ist die Große Militärfamilie als Relikt diktatorischer Zeiten in der Demokratie verblieben. Niemals war sie Gegenstand versuchter parlamentarisch-gesetzlicher Regelungen.
16 Rapat Pimpinan Tentara Nasional Indonesia (Rapim TNI)
17 „Presiden: Belum Waktunya TNI Ikut Pemilu 2009,“ PolitikIndonesia.com, 25.1.2007, “Lawmakers, TNI differ on soldiers‘ voting rights,” www.thejakartapost.com, 27.1.2007, “KSAD dan Menhan Setuju TNI Tak Memilih,” Dinas Penerangan TNI-AD, 29.1.2007.
18 „TNI Dinilai Berpolitik Praktis Jika Gunakan Hak Pilih,“ Antara News 15.7.2007
19 Das Streitkräftegesetz sagt nichts Belangreiches zur Finanzierung der TNI aus, womit der Zustand der Eigenversorgung der Truppenangehörigen zwangsläufig fortgeschrieben wird. Es sollte jedoch nicht von einer Zufriedenheit der Soldaten und Offiziere mit diesem Zustand ausgegangen werden. Die – heute nicht mehr bestehende – Reformbewegung in der Generalität hatte nach 1998 auf eine Professionalisierung der Truppe gedrängt, die über eine schrittweise Ersetzung der informellen Budgets der Streitkräfte auf allen Ebenen durch staatliche und transparente Budgets erfolgen sollte. Im Gegensatz zu manchen Ansichten profitieren nur wenige Kommandeure und Einheiten in nennenswertem Maße von illegalen Einnahmen. Regionen mit Anreizen zu grenzüberschreitendem Schmuggel und Reichtum an natürlichen Ressourcen gelten als basah („nass“) und einträglich, wohingegen weite Landesteile wenige Möglichkeiten zum Abschöpfen bieten. Die Streitkräfte als Ganzes wären mit einem ausreichenden Verteidigungshaushalt besser bedient. Jedoch haben weder Regierung, Verteidigungsminister und die Militärführung konkrete Schritte in diese Richtung unternommen.
20 Auch wesentliche Teile des regulären Betriebshaushaltes von Einheiten und Verbänden werden durch außerbudgetäre Quellen finanziert.
21 Die Pepabri wurde 1967 ins Leben gerufen, um die Alterssicherung der Angehörigen der ABRI (Streitkräfte und Polizei) zu gewährleisten und die Rentiers der „Großen Familie der ABRI“ unter der Kontrolle der Neuen Ordnung zu halten. Die Pepabri war außerdem Teil der politischen Hintergrundorganisation der Golkar, der die Pepabri-Mitglieder bei den Wahlen ihre Stimme zu geben hatten. Es ist bemerkenswert, dass die Pepabri noch immer nicht die Trennung von Streitkräften und Polizei vollzogen hat und im Namen nach wie vor „ABRI“ führt.
22 Diese Bestimmungen sind mir nur in groben Umrissen bekannt. Es wird sich so verhalten, dass Teile der Ruhestandsgelder vom Verteidigungsministerium bereit gestellt werden, der große Teil jedoch aus den geschäftlichen Aktivitäten der Pepabri über Firmen, Genossenschaften und Stiftungen generiert wird. Wenn überhaupt, werden Ruhestandsgelder nur zum geringen Teil aus staatlichen Mitteln bezahlt.
23 Perip: Persatuan Isteri Purnawirawan. Die Vereinigung der Ehefrauen der purnawirawan.
24 FKPPI: Forum Komunikasi Putra-putri Purnawirawan TNI/Polri. Diese als „Kommunikationsforum“ sich bezeichnende Organisation verfügt über einen paramilitärischen Arm, der gegen politische Gegner vorzugehen pflegt, und auch mit einem Kontingent und erkennbar großem Kapitaleinsatz bei der Beseitigung der Tsunami-Schäden in Aceh zur Stelle war. Die FKPPI unterhält Beziehungen zu einflussreichen Persönlichkeiten in der zivilen Welt, wie Geschäftsleute und Medien. Mitglieder der Organisation müssen nicht in Militär oder Polizei gedient haben. Ihr Status als Söhne und/oder Töchter reicht als Kriterium aus.
25 Die Internetauftritte der TNI (www.tni.mil.id) und des Heeres (www.tniad.mil.id) vermitteln einige Informationen zu den Organisationen der aktiven Soldaten und ihrer Ehefrauen, die hier nicht behandelt werden.
26 Die militärtheoretische Literatur unterscheidet die post-modernen Streitkräfte der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges von den modernen Armeen von der Neuzeit bis zur globalen Blockkonfrontation. Indonesien hat die inneren Strukturprinzipien seines Sicherheitssektors folglich noch nicht post-modernisiert
27 Eines der besten Werke zur Zeitgeschichte der indonesischen Oligarchie ist Richard Robison und Vedi Hadiz, 2004, „Reorganizing Power in Indonesia. The Politics of Oligarchy in an Age of Markets“, London und New York
28 Ihre Offizierslaufbahn durchliefen sie bis zum 1. April 1999 in der ABRI. An jenem Tag trat die organisatorische Abtrennung der Polizei aus den Streitkräften in Kraft, und die verbliebenen drei Teilstreitkräfte Heer, Marine und Luftwaffe gaben sich den Namen Tentara Nasional Indonesia, TNI. Die heutige Führungselite der TNI ist unter den Vorgaben der ABRI zu Führungsoffizieren einer Armee einer Diktatur ausgebildet worden. Junge Offiziere, die 1999 in die Akademie eintraten und sie 2002 abschlossen, befinden sich heute gerade erst im Dienstgrad Leutnant und werden frühestens nach fünfundzwanzig Dienstjahren im Dienstgrad Oberst (Kolonel), im Jahre 2017, in Führungspositionen gelangen. Erst nach einer Dienstzeit von ca. 33 Jahren wird der erste Panglima TNI aus ihren Reihen kommen. Das wird in 2035 sein.
29 Die damalige Oligarchie der Neuen Ordnung, die politisch um die Golkar und ihre „Große Familie“ herum aufgebaut war, die Wirren der Reformasi aber unbeschadet überstanden hat.
30 Meine Studie wird der Frage nachgehen, ob und wie diese „Familiarisierung“ des Offizierskorps bei den jüngeren Generationen der Offiziere erfolgt ist. Das vollständige Fehlen von Studien zu diesem wichtigen Hintergrundwissen macht die Aufgabe nicht leichter.
31 Das Heranziehen der Akademiegeneration indonesischer Offiziere an der Akabri bis zur Gegenwart wird behandelt werden in meinem Buchprojekt mit dem Arbeitstitel „Die neuen Generäle. Indonesiens manipulierte militärische Elite“
32 Es wird vielfach übersehen, dass die Halbwertzeit der Macht für militärisches Führungspersonal nicht sehr hoch ist. Ein General besitzt durchschnittlich ein Zeitfenster von vier bis fünf Jahren zum Ende seiner Laufbahn, in der er Macht auszuüben vermag. Auch als Pensionär sind es selten mehr als fünf bis sechs Jahre, in denen er wirken kann. Danach ist seine altersmäßige Distanz zur Truppe und zu seinem aufgebauten Netzwerk von Patronagebeziehungen zu groß geworden, um weitergeführt werden zu können.
33 Auch hier verweise ich auf meine erscheinende Studie.
34 die zumeist im illegalen Sektor der militärischen Wirtschaftsbetätigung im Zeichen der Selbstfinanzierung der Streitkräfte erfolgen.
35 Die Wahlkampffinanzierung gehörte zu den Tabuthemen der Wahlen von 2004. Öffentlich zugängliche schriftliche Quellen liegen nicht vor. Meine Informationen verdanke ich einem wohl informierten Experten, der weder Deutscher noch Indonesier ist.
36 Edy Sudrajat war der vielleicht letzte der „großen“ Generäle, die auf mehr als zehn Jahre in zentralen Positionen der indonesischen Armee zurückblicken konnten. Er war stellvertretender Chef des Heeresstabes (1986-1988), Chef des Heeresstabes (1988-1993), Befehlshaber der Streitkräfte (1993) und Minister für Verteidigung (1993-1998)
37 General „Benny“ Murdani war Befehlshaber der Streitkräfte von 1983 bis 1988 und legte die Fundamente für eine auf seine Person und Fraktion im Heer zugeschnittene Form der Karriereförderung von Offizieren, die in den neunziger Jahren als rot-weiße Fraktion (nach den Farben der Nationalflagge Indonesiens) bekannt wurden.
38 General Try Sutrisno aus dem Akademiejahrgang 1959 galt als Vertrauter des Präsidenten Suharto und wurde 1988 zum Befehlshaber der Streitkräfte als Nachfolger Murdanis ernannt. Sutrisno gelangte nach dem Sturz Suhartos an die Spitze der Pepabri und verstand sie zu seiner Machtbasis zu gestalten. Er gilt als Widersacher Yudhoyonos.
39 Generalmajor Tyasno Sudarto und General Hendropriyono.
40 Siehe den Schwerpunktartikel „Tersengat Gosip Makar“ in Tempo, 28 Januari 2007.
41 Ein eigener Beitrag wird sich mit diesen Ereignissen befassen.
42 Die Partei Hanura, die „Partei des Volksgewissens“, wurde am 21. Dezember 2006 offiziell gegründet.
43 Generalmajor Prijanto Sumantri stammt aus dem Akademiejahrgang 1975 und es ist nichts Bemerkenswertes zu ihm zu sagen.
44 Einer der Bewerber war General a.D. Agum Gumelar, der noch 2004 als Kandidat für die Vizepräsidentschaft angetreten war.
45 Hendropriyono war zum Zeitpunkt des Mordes an Munir bereits als Chef des BIN zurückgetreten und bestreitet alle Vorwürfe und Beschuldigungen seiner Auftraggeberschaft. Gegen Hendropriyono wird seit Jahren ein Verfahren wegen seiner Verantwortlichkeit an einem Massenmord im Dorf Talangsari in Lampung, Südsumatra 1989 angestrengt, den Truppen unter seinem damaligen Kommando als Oberst veranstaltet haben.
46 Vgl. Tempo Interaktif, wie vor.
47 Jedes Territorialkommando auf den Ebenen Kodam und Korem verfügt über einen Nachrichtendienststab Inteldam und operative Sektionen, den seksi intelijen, auf Korem-Ebene. An Gewicht und Einfluss gewinnen seit zwei Jahren die Ausbildungsregimenter der Kodam, die Rindam (Resimen Induk Daerah Militer), die verstärkt Jugendliche und Reservisten zu paramilitärischen Ausbildungen und ideologischen Aufbauseminaren einladen. Die ideologische „Polizei“ Bintal (Pembinaan Mental) oder „geistige Führung“ betreibt einschlägige Veranstaltungen in der Führung militärnationalistischen Geistes auch außerhalb der Streitkräfte. Die Zahl der einschlägigen Meldungen auf den Internetpräsenzen der Streitkräfte lassen diese Tendenz zum ideologischen Einwirken für die Förderung eines militärischen Nationalismus auf die Zivilgesellschaft deutlich erkennen.
48 Dem General der Luftwaffe Djoko Suyatno aus dem Akademiejahrgang 1973.
49 Admiral Slamet Subiyanto als Chef des Marinestabes und Luftwaffenstabschef Marschall Herman Prayitno sind, wie Yudhoyono, Absolventen des Akademiejahrgangs 1973.
50 General Sutanto besuchte die Militärakademie in Magelang als Kadett der Polizei, die innerhalb der ABRI ein Bestandteil der Streitkräfte war.
51 Jede Jahrgangsklasse an der Militärakademie in Magelang erhält Aufsichtsfunktionen über die direkt jüngere Jahrgangsklasse, die akademieüblich zu Drangsalierung und Terror ausartet. Die zweitjüngere Klasse wird hingegen von den Senioren geschützt gegenüber dem Terror ihrer direkten Senioren. Der Jahrgang 1973 bringt somit gespannte Beziehungen zur Klasse von 1974 in ihre Laufbahn, und Patronagebeziehungen mit der Klasse von 1975. Näheres dazu in nächsten Bericht dieser Reihe.
52 Generalleutnant Syamsir Siregar, Militärakademiejahrgang 1965, war Chef des Nachrichtendienststabes des Generalstabschefs der ABRI (zwei Monate in 1994) und war Chef des Nachrichtendienstes der Streitkräfte (damals BIA) von September 1994 bis September 1996. Danach trat er in den Ruhestand und machte 2004 als Leiter des Wahlkampfstabes Yudhoyonos auf sich aufmerksam.
53 Der Mord am Menschenrechtler Munir am 7. September 2004 an Bord eines Interkontinentalfluges von Jakarta nach Amsterdam darf ordnungspolitisch (ohne ironischen Unterton!) als Signalmord des staatlichen Nachrichtendienstes BIN an die Adresse des neuen Präsidenten Yudhoyono gewertet werden, die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für den Nachrichtendienstsektor entweder, wie seither geschehen, nicht weiter zu verfolgen und ruhen zu lassen, oder BIN-freundlich zu gestalten. Unter Yudhoyono ist der ND-Sektor der einzige Sektor im Sicherheitsapparat, der über keine gesetzliche Grundlage verfügt.
54 Frauen spielen ohnehin im Militär kaum eine Rolle. Sie haben ihrem Ehemann dienstbar und ergeben zur Seite zu stehen. Der höchste Dienstgrad für die wenigen Frauen in den Streitkräften ist zur Zeit der Oberst (Kolonel), und aus der Elite der kämpfenden Truppe sind sie ausgeschlossen.
55 So charakterisiert die website www.tokohindonesia.com in einem Beitrag die Persönlichkeit Sutiyosos.


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