Indonesien: Schmusekurs mit den Militärs

Neues Deutschland, 27. Juli 2002

Präsidentin Megawati brüskiert eigene Wähler

Von Alex Flor

Neues-DeutschlandVor einem Jahr übernahm Megawati Sukarnoputri die Präsidentschaft in Indonesien. Doch die dritte Präsidentin seit dem Rücktritt von Diktator Suharto 1998 hat viele Erwartungen enttäuscht. In den ersten Tagen der Präsidentschaft von Megawati Sukarnoputri gab es viele Vorschusslorbeeren. Die Finanzwelt lobte ihr von Profis geprägtes Kabinett als »Traum-Team«, an den Devisenbörsen erlebte die Rupiah einen Kursanstieg um satte 1000 Punkte gegenüber dem US-Dollar und der Internationale Währungsfonds (IWF) gab seit Monaten auf Eis liegende Zahlungen für das mit über 120 Milliarden Dollar verschuldete Land frei. Doch heute drückt neben der nach wie vor sehr großen Schuldenlast die seit einigen Monaten wieder zweistellige Inflationsrate.

Direkt nach dem Regierungswechsel auf der Straße befragte Leute äußerten ihre Erwartungen, dass Megawati die Reformen vorantreiben, ihre Haltung gegenüber dem Militär klären und die Krankheit KKN – Korruption, Kollusion und Vetternwirtschaft – in den Griff bekommen sollte. Doch diese Erwartungen hat die Tochter Sukarnos, des ersten indonesischen Präsidenten nach Erlangen der Unabhängigkeit, nur zu einem geringen Teil erfüllt.

Megawati pflegt einen Schmusekurs mit dem Militär. Ihre inhaltliche Nähe zu den Streitkräften findet Ausdruck im ersten Punkt ihres Regierungsprogramms: »Aufrechterhaltung der nationalen Einheit im Rahmen des Einheitsstaates Republik Indonesien«. Dies schließt nicht aus, dass die Interessen der Präsidentin und die des Militärs in anderen Punkten auseinander klaffen könnten. Solange aber das Verhältnis noch ungestört ist, wird das Militär versuchen, sich so viele Privilegien wie möglich zu sichern und auszubauen.

Beispiel Aceh. In der abtrünnigen Provinz konsolidierte das Militär Anfang des Jahres seinen politischen Führungsanspruch durch die Einrichtung eines eigens für die Provinz zuständigen Territorialkommandos. Nun fordert das Militär sogar – gegen den Widerstand sämtlicher politischer Kräfte in Aceh selbst sowie gegen den Willen des Parlaments – die Verhängung des militärischen Ausnahmezustandes über die Provinz. Im Einklang mit der Präsidentin äußern die Generäle ihr Unverständnis über den anhaltenden Widerstand der Separatisten, da Aceh doch mit dem zum Jahreswechsel in Kraft getretenen besondere Autonomiestatus alles habe, was es sich wünschen könne. Die Autonomie gewährt der Provinz zwar einen deutlich höheren Anteil am Ertrag aus natürlichen Ressourcen sowie die Einführung des islamischen Rechts. Auf das dringendste Verlangen der Bevölkerung – ein Ende der Gewalt und der Abzug von Militäreinheiten – gab es jedoch keinerlei Entgegenkommen. Dieses Jahr fielen bereits rund 600 Menschen, größtenteils Zivilpersonen, den gewaltsamen Auseinandersetzungen zum Opfer. Inzwischen wirbt das Militär mit dem Begriff »Terrorismus« um Verständnis für seinen harten Kurs gegen die Separatisten. Als potenzieller Verbündeter im »Kampf gegen den Terror« verspürt das indonesische Militär erheblichen Rückenwind von Seiten der USA. Erst vorige Woche gab ein Ausschuss des USA-Senats grünes Licht für die Wiederaufnahme der militärischen Zusammenarbeit mit Indonesien. Diese war nach den blutigen Ereignissen in Osttimor 1999 auf Eis gelegt worden. Als eine der wichtigsten Bedingungen zur Wiederaufnahme wurde damals genannt, dass Täter aus den Reihen der indonesischen Armee wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt werden. Tatsächlich müssen sich seit März einige Militärs mittlerer Ränge in Jakarta vor einem Sondergericht verantworten. Der Besuch mehrerer Prozesstermine konnte den Autor jedoch nicht davon überzeugen, dass sich dieses Gericht die lückenlose Aufklärung der begangenen Taten zum Ziel gesetzt hat.

Präsidentin Megawati weiß indes, was das Ausland von ihr erwartet. Ungeachtet ihrer inneren Abneigung und zahlreicher Proteste nationalistischer Politiker besuchte sie am 20. Mai brav die Unabhängigkeitsfeiern in Osttimor. Damit war der Form genüge getan. Zugleich nötigte die Präsidentin ihre Gastgeber zum gemeinsamen Besuch eines indonesischen Soldatenfriedhofes, während draußen vor der Küste entgegen allen Absprachen gleich sechs indonesische Kriegsschiffe als Geleitschutz kreuzten.

Während Megawati geschickt die Erwartungen des Militärs wie auch des Auslandes gleichermaßen zu befriedigen versteht, droht ihr nun allerdings die eigene Wählerschaft abhanden zu kommen. Auf wenig Verständnis stieß bei ihren Anhängern, dass sie der Gedenkfeier zum 5. Jahrestag des blutigen Angriffs auf ihr eigenes Parteibüro fernblieb, bei dem etliche Gefolgsleute 1996 das Leben lassen mussten. Und jüngst erklärte ihre Demokratische Partei – Kampf (PDI-P), sie unterstütze aus realpolitischen Erwägungen die Wiederwahl von General Sutiyoso zum Gouverneur von Jakarta. Dieser lässt »wilde« Armensiedlungen dem Erdboden gleichmachen und Rikschafahrer und Garküchen mit Polizeigewalt von der Straße vertreiben. Gerade in diesen Bevölkerungsschichten hatte die Megawati-Partei jedoch traditionell ihre Hochburgen.

Der Autor ist Sprecher der Berliner Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia!


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