Milizen greifen UN-Hauptquartier auf Osttimor an

Süddeutsche Zeitung, 02. September 1999

Auszählung des Referendums behindert
Etwa 2000 Unabhängigkeitsgegner belagern Wahlzentrale / Gebäude beschossen und in Brand gesetzt

Von Andreas Bänziger

sz_rolleSingapur: Proindonesische Milizen haben am Mittwoch das UN-Hauptquartier in Osttimors Hauptstadt Dili angegriffen, in dem die Auszählung des Referendums begonnen hatte. Drei Tage nach der weitgehend friedlichen Volksabstimmung über die Zukunft der früheren portugiesischen Kolonie eskalierte die Gewalt zwischen Unabhängigkeitsbefürwortern und -gegnern auf dem gesamten Inselteil. Die indonesische Regierung beschloss daraufhin, weitere 360 Polizisten einer Eliteeinheit nach Osttimor zu entsenden. Der Weltsicherheitsrat berief eine Sondersitzung ein, um über die jüngste Entwicklung zu beraten.

Etwa 2000 Angehörige der Milizen hätten das UN-Gelände umzingelt, Schüsse abgegeben und Gebäude in Brand gesteckt, sagte der deutsche Wahlbeobachter Volker Stapke von der Menschenrechtsorganisation „Watch Indonesia“. Auch die Häuser ausländischer Wahlbeobachter würden belagert und beschossen. Nach Angaben der Polizei wurde eine Person getötet. Ausländische Journalisten würden von Milizen durch Dili gejagt, berichtete der britische Rundfunksender BBC. Die Milizen hätten Barrikaden errichtet und Ausweise der Bevölkerung kontrolliert. Auch aus anderen Städten kamen Berichte von Morden durch die Milizen. Viele Osttimoresen seien in die Berge im Landesinneren geflohen. Die Vereinten Nationen zeigten sich enttäuscht über die Untätigkeit der indonesischen Sicherheitskräfte. Sie erhöhten die Präsenz unbewaffneter Polizisten und Verbindungsoffiziere. Mehr ist gemäß ihrem Mandat, das keinen Einsatz von bewaffneten Friedenstruppen vorsieht, nicht möglich. Gleichzeitig begann das UN-Personal mit der Auszählung der Stimmzettel. Trotz der Behinderungen durch die Milizen war es den UN-Vertretern gelungen, sämtliche Wahlurnen nach Dili zu bringen, zum Teil mit Hubschraubern.

Das Resultat der Abstimmung soll nächste Woche bekanntgegeben werden. 98,6 Prozent der für die Wahl registrierten Osttimoresen waren am Montag in den 200 von den UN eingerichteten Wahlzentren erschienen. Beobachter erwarten angesichts der überwältigenden Wahlbeteiligung, dass sich eine klare Mehrheit für ein unabhängiges Osttimor und gegen einen Autonomiestatus innerhalb Indonesiens ausgesprochen hat.

Der Terror der Milizen gefährdet den Erfolg der Abstimmung, die selbst Indonesiens Präsident Jusuf Habibie als fair bezeichnet hat. Wenn sich die indonesischen Sicherheitskräfte nach einem Votum für Unabhängigkeit aus Osttimor zurückziehen, droht ein Machtvakuum, das zu einem neuen Bürgerkrieg führen kann. In den Nachbarländern und auch unter Menschenrechtsorganisationen wird deshalb der Ruf nach einer UN-Friedenstruppe immer lauter. Allerdings wird die Zeit zur Entsendung einer solchen Truppe knapp. Zudem hat sich Indonesien stets gegen bewaffnete UN-Vertreter ausgesprochen. <>


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