Osttimor-Expertin: Präsident Gusmão muss Krise politisch lösen

epd, 30.05.2006

(epd-Gespräch)

epdBerlin (epd). Die Osttimor-Expertin Monika Schlicher hat für die Unruhen in dem kleinen Inselstaat „eine hausgemachte politische Führungskrise“ verantwortlich gemacht. Das Land müsse sehr schnell eine politische Lösung treffen, sagte die Mitarbeiterin des Vereins „Watch Indonesia“ in einem epd-Gespräch. Dies könne die Entlassung von Regierungschef Marik Alkatiri oder des Verteidigungs- und Innenministers bedeuten. Präsident Xanana Gusmão sei der einzige, auf den die Bevölkerung noch vertraue.

Premierminister Alkatiri hat laut Schlicher den Beschwerden der Soldaten kein Gehör geschenkt und rund 600 entlassen. Er habe Proteste blutig niederschlagen lassen und der Armee Schießbefehl erteilt, obwohl dazu nur der Präsident autorisiert sei. „Daraufhin sind Teile der Armee desertiert und haben sich gegen die Regierung gewandt, weil sie nicht auf ihre Kameraden schießen wollten.“

Als entlassene Soldaten auf die Hauptstadt Dili vorgerückt seien, sei die Gewalt eskaliert. Auslöser der Krise seien im Grunde banale Soldaten-Beschwerden über Benachteiligungen bei Beförderungen und über weit von der Familie entfernte Einsatzorte gewesen.

Bei der Ausweitung der Unruhen spielt laut Schlicher auch die hohe Arbeitslosigkeit bei jungen Männern eine Rolle, von denen sich viele in Banden organisierten. Die Einnahmen Osttimors aus der Öl- und Gasförderung seien noch spärlich. Der Rechtsstaat funktioniere kaum, die Menschen vertrauten nicht auf die Justiz. Ehemalige gewalttätige pro-indonesische Milizionäre blieben unbehelligt.

„Heute werden bei diesen Gewalteskalationen alte Rechnungen beglichen“, unterstrich Schlicher. Den Einsatz ausländischer Truppen bezeichnete sie als einzige Möglichkeit, die Bevölkerung zu schützen. Die öffentliche Ordnung sei zusammengebrochen. „Armee kämpft gegen Armee, Armee kämpft gegen Polizei, der Polizeichef ist geflohen.“

Die frühere portugiesische Kolonie Osttimor war von 1975 bis 1999 von Indonesien besetzt. Gegen ein Referendum über die Unabhängigkeit gingen indonesische Militärs und pro-indonesische Milizen mit Gewalt vor. Eine internationale Friedenstruppe intervenierte. Das Gebiet kam unter UN-Verwaltung und erreichte am 20. Mai 2002 die staatliche Unabhängigkeit. Osttimor (Timor Leste) hat knapp 900.000 Einwohner und bedeckt die Osthälfte der Insel Timor. (06550/30.5.2006)

epd et jup


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