„Bonner Ambitionen in Indonesien lassen wenig Raum für Kritik“

Frankfurter Zeitung, 02. August 1996

SPD und Menschenrechtler klagen bei der Bundesregierung Stellungnahmen zur Gewalt gegen Oppositionelle in Jakarta ein

Von Brigitte Spitz

frankfurter_rundschau FRANKFURT A.M., 1. August. Die SPD-Bundestagsfraktion und die Menschenrechtsorganisation „Watch Indonesia!“ haben an die Bundesregierung appelliert, sich für ein Ende der Gewalt gegen die Opposition in Indonesien einzusetzen.

Das Auswärtige Amt in Bonn gab auch fünf Tage nach der Niederschlagung einer regierungskritischen Demonstration in Indonesiens Hauptstadt Jakarta keine Erklärung ab. Beim gewaltsamen Vorgehen der Armee waren mindestens drei Menschen getötet worden. Zahlreiche Oppositionelle gelten als verschwunden. Auch im Bundeskanzleramt war auf FR-Anfrage keine Stellungnahme zu erhalten. Die für Ende Oktober vorgesehene Indonesien-Reise von Helmut Kohl sei noch nicht offiziell bestätigt, heißt es lediglich.

„Der Bundeskanzler pflegt zu Indonesien ein ähnlich ambitioniertes Verhältnis wie zu China“, sagt Rudolf Bindig, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, der FR: Daher werde den kritischen Seiten der Beziehung nur wenig Raum gelassen. Bindig verurteilt das Vorgehen der indonesischen Regierung. Er forderte die Bundesregierung auf, sich für die Freilassung der Gefangenen und die Einhaltung grundlegender Menschenrechte in Indonesien einzusetzen. Der SPD-Politiker schlug eine Vermittlungsinitiative des UN-Hochkommissars für Menschenrechte vor.

„Watch Indonesia!“ fordert in einem Brief an Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP), gerade die deutsche Regierung mit ihren langjährigen guten Beziehungen zur Militärregierung Indonesiens dürfe nicht die menschenverachtende Politik des Suharto-Regimes übersehen, sondern müsse vielmehr die demokratische Opposition unterstützen. Die Menschenrechtler kritisierten auch die Waffenlieferungen an das südostasiatische Land.

Die Bundestagsfraktion der Bündnis-Grünen hatte sich jüngst in einer kleinen Anfrage nach Genehmigungen von Rüstungsexporten nach Indonesien erkundigt. Im Frühjahr hatte der Bundessicherheitsrat die Ausfuhr von sieben „Wiesel“-Panzer an Jakarta genehmigt. Die Grünen wollen nun von der Bundesregierung unter anderem wissen, weshalb die Panzerlieferung erlaubt wurde. Sie fragen auch, ob sich die Regierung über die Menschenrechtssituation in Indonesien informiert hat.

Die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums, Christine Kern, sagte epd zufolge, es gebe derzeit keine Überlegungen, die Genehmigung für den Export der Panzer in Frage zu stellen. Sie verwies darauf, dass deutsche Firmen noch keinen Auftrag aus Indonesien erhalten hätten.

Mit einem massiven Militäraufgebot und harten Strafandrohungen hat Indonesiens Präsident Suharto auch am Donnerstag versucht, Kritik an seiner Staatsführung zu unterbinden. Vor dem präsidentenpalast bezogen 200 Mitglieder einer Eliteeinheit der Armee Stellung. Vor dem Justizpalast wurde eine Kundgebung von schwer bewaffneten Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst. 500 Menschen hatten gegen die gerichtliche Entscheidung demonstriert, eine Klage der Oppositionsführerin Megawati Sukarnoputri gegen die Regierung um drei Wochen zu verschieben. Die Verschiebung des Gerichtstermins sei nötig geworden, weil der Richter wegen Zahnschmerzen krankgeschrieben sei, teilte das Gericht am Donnerstag in Jakarta mit. Mehrere hundert Sicherheitskräfte trieben die Menge vor dem Gerichtsgebäude auseinander. Auf den umgebenden Gebäuden standen Scharfschützen, in den Straßen hatten zwei Panzer und gepnazerte Armeefahrzeuge Stellung bezogen. Dem am Vortag verhafteten Gewerkschaftsführer Mochtar Pakpahan droht die Todesstrafe, da gegen ihn der Vorwurf der „Subversion“ erhoben wurde, teilte einer seiner Anwälte mit. (Text afp)


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