Biokraftwerke verbrennen Regenwald

Robin Wood Magazin, Nummer 93, 2/2007

rowoEin gutes Gewissen hatte bisher, wer Strom aus Kraftwerken bezog, die Pflanzenöl nutzen. Mehrere Elektrizitätswerke in Deutschland betreiben solche Blockheizkraftwerke und preisen deren Klimafreundlichkeit. Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen entlarven diese Form des „grünen“ Stroms als Selbstbetrug.

Befürworter von Strom aus Pflanzenöl begründen ihre Meinung damit, dass ausschließlich der Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre entlassen werde, der zuvor von den Pflanzen gebunden wurde. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Vergessen wird, dass der Anbau, der Transport und die Raffinerie beispielsweise von Raps viel Energie und viele Ressourcen kostet, was einen weiteren Ausstoß von Treibhausgasen bewirkt. Den größten Effekt hat aber der Ausstoß von Lachgas (N2O).

Ausgerechnet von Rapsfeldern steigt dieses Gas auf, das aus Prozessen in der Pflanze und im Boden stammt, die durch die Düngung verstärkt werden. Lachgas ist aber um das ca. 320fache treibhausaktiver als CO2. Die Bilanz, so rechneten Forscher des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie schon 1995 vor, ist ernüchternd: Strom aus Raps ist demnach nur um ein Prozent klimafreundlicher als Strom aus Kohle. Aber es kommt noch viel schlimmer.

Werden Blockheizkraftwerke mit Palmöl aus den Tropen betrieben, werden sie zum echten Klimakiller. Besonders in Indonesien und Malaysia, den weltweit mit Abstand größten Produzenten von Palmöl, wurden in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Millionen Hektar Regenwald vernichtet, um Ölpalm-Plantagen anzulegen. In den meisten Fällen werden zunächst die wertvollsten Hölzer im Wald geschlagen und verkauft. Der verbliebene Wald verschwindet häufig in den gigantischen Papierfabriken, die teilweise von deutschen Banken finanziert und von deutschen Steuergeldern rückversichert werden. Die zerstörten Naturflächen werden anschließend einfach in Brand gesteckt, was für die Firmen, die nicht selten auf allen Stufen an der Ausbeutung verdienen, den Vorteil hat, dass die Feuer auf noch intakte Waldgebiete übergreifen. Geschädigter Wald aber darf in Plantagen umgewandelt werden. Besonders verheerend ist das Zündeln in den Tiefland-Regenwäldern, zum Beispiel in Kalimantan, dem indonesischen Teil der Insel Borneo. Diese Wälder stehen im Sumpf auf meterdicken Torfschichten, die, einmal trockengelegt und angezündet, nicht verbrennen, sondern verkohlen, da nur wenig Sauerstoff in sie eindringt. Einige Torfböden in Indonesien brennen seit fast einhundert Jahren. Die Glut frisst sich unterirdisch fort und tritt irgendwo erneut zu Tage.

Rita Sastrawan von der indonesischen Naturschutzorganisation Borneo Orangutan Survival Foundation (BOS) berichtet von ihrer Reise durch Zentral-Kalimantan: „Auf meiner Fahrt auf dem Fluss Kapuas war die Waldzerstörung immer präsent. Ständig waren Sägewerke am Ufer zu sehen, und der beißende dicke Rauch ätzte in unseren Augen und Lungen. Manchmal konnten wir nicht weiter als 15 Meter sehen! Die Feuer diktieren hier das Leben der Menschen. Sie scheinen unbesiegbar. Mit Macheten und schwerem Gerät bahnen sich die Brandbekämpfer den Weg durch den noch verbliebenen Wald.“

Auf dem Satellitenfilm von Borneo waren 2006 über 300 große Brandherde zu erkennen – weit über zwei Millionen Hektar Regenwald fielen den Flammen zum Opfer. Die Rauchwolken nahmen ein ebenso großes Ausmaß an wie in der bisher schlimmsten Brandsaison 1997/98. Über den Indischen Ozean zog sich ein dichter Rauchteppich, der bis an die afrikanische Küste reichte. Am schlimmsten trifft es inzwischen fast jedes Jahr Malaysia: In den Straßen der großen Städte ist die Luft zum Schneiden dick und so gesundheitsschädlich, dass die Behörden Ausgangssperren verhängen. Aber vor allem den Menschen auf dem Land bleibt zum Überleben keine andere Wahl, als ihre Felder inmitten des Qualms zu bestellen.

Ganze 15 Prozent der weltweiten Klimagas-Emissionen gehen inzwischen auf das Konto der indonesischen Waldbrände! Das ist ungefähr so viel, wie alle EU-Staaten gemeinsam im Jahr ausstoßen. Im Fernsehmagazin Report vom 12. März 2007 äußerte sich der Klimaforscher Florian Siegert von der Uni München über die Untersuchungen seiner Arbeitsgruppe: „Wir konnten nachweisen, dass durch das Anlegen von Plantagen, durch das Abbrennen der Regenwälder und der Torfgebiete ein Viel-Tausendfaches an CO2 freigesetzt wird, als wir bei uns durch die Verbrennung von Palmöl zur Energiegewinnung einsparen können. Damit ist die Klimabilanz desaströs.“

Als wären die Umweltschäden durch die Waldzerstörung nicht schon genug, werden vor allem in Indonesien täglich Menschenrechte verletzt, die in Zusammenhang mit der Naturvernichtung stehen. Die Holz-, Papier- und Plantagenfirmen sind meist mit Lokalpolitikern und dem Militär verbandelt. Einschüchterungen, Bedrohungen, Vertreibungen der lokalen Bevölkerung und von Umweltschützern und Menschenrechtlern sind an der Tagesordnung. In Fällen, in denen Kleinbauern sich freiwillig für den Anbau von Ölpalmen entschließen, fehlt ihnen später das Land für die Selbstversorgung.

Im Jahr 2006 wurden in der Europäischen Union über eine Million Tonnen Palmöl zur Energiegewinnung verheizt. Nach einer unveröffentlichten Studie des Leipziger Instituts für Energetik und Umwelt werden allein die deutschen Blockheizkraftwerke im laufenden Jahr 2007 zusammen ca. 1,3 Mrd. Kilowattstunden Strom aus Palmöl produzieren – etwa die Menge, die hierzulande pro Jahr aus Sonnenenergie erzeugt wird.

Der Klimaschaden, den die Kraftwerksbetreiber dabei in Kauf nehmen, wird über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vom deutschen Stromverbraucher mit zur Zeit etwa 200 Millionen Euro jährlich gefördert. Denn Ölpalmen gelten nach dem EEG, genau wie Raps, als „nachwachsende Pflanzen aus landwirtschaftlichen Betrieben“. Bundesumweltminister Siegmar Gabriel sieht durch den Palmöl-Boom die Wende zu erneuerbarer Energie in Gefahr: „Es ist besorgniserregend: Wer das EEG nutzt, denkt, er tut etwas Gutes. Aber wenn er dies zum Teil durch die Zerstörung von Regenwald getan hat, sind wir dabei, den Sinn des EEG in der Öffentlichkeit zu diskreditieren.“

Die meisten Kraftwerksbetreiber in Deutschland sind mittlerweile von Rapsöl auf billigeres Palmöl als Brennstoff umgestiegen. Nicht alle nehmen dabei ihre Verantwortung für die Umwelt so ernst wie die Stadtwerke Schwäbisch Hall, die von ihrem ursprünglichen Plan, Palmöl aus einer Plantage in Malaysia zu beziehen, nach persönlicher Visite der angeblich ökologisch nachhaltigen Anbauflächen wieder abgerückt sind und nun eine eigene ökologisch und sozial verträgliche Plantage aufbauen wollen. Sie hatten sich von den vollmundigen Aussagen des so genannten Runden Tisches für nachhaltiges Palmöl (RSPO) täuschen lassen, deren Mitglied der Plantagenbetreiber in Malaysia ist. Axel Friedrich, Experte für nachwachsende Rohstoffe beim Umweltbundesamt (UBA), stellt unmissverständlich klar: „Es gibt kein Zertifizierungssystem für Palmöl. Wer das Gegenteil behauptet, sagt bewusst oder unbewusst die Unwahrheit.“

Ob aus offiziell nachhaltigen Plantagen oder nicht: ROBIN WOOD und Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen wie BOS, Rettet den Regenwald oder Watch Indonesia sprechen sich gegen jegliche Nutzung von Palmöl in europäischen Kraftwerken aus, da sie die weltweite Nachfrage nach dem zerstörerischen Rohstoff stützt. Axel Friedrich vom UBA sieht das ähnlich: „Wer behauptet, er bezöge ‚nur’ Palmöl aus lang bestehenden Plantagen, zieht Palmöl aus dem Gesamtsystem heraus und erhöht damit den Druck, neue Palmölplantagen zu Lasten des Urwalds anzulegen.“

Christian Offer, Berlin


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