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Asien-Reise zur Förderung einer ökologisch und sozial verträglichen Wald- und Papierwirtschaft in Indonesien und zur Lösung der Umschuldung des APP-Konzerns nutzen!

Offener Brief, 06. Mai 2003

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Herrn Bundeskanzler Gerhard Schröder Willy-Brandt-Straße 1 10557 Berlin Fax: 030/40 00 2357 Berlin, den 06. Mai 2003 Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, APPLogoam 10. Mai werden Sie gemeinsam mit Wirtschaftsminister Clement zu einer siebentägigen Asien-Reise aufbrechen, bei der Sie u.a. in Indonesien Station machen. Wir möchten Sie dringend bitten, bei Ihren Gesprächen mit Regierungs- und Wirtschaftsvertretern, auch das Thema einer sozial und ökologisch nachhaltigen Wald- und Papierwirtschaft in Indonesien anzusprechen. Im Speziellen fordern wir Sie auf, Ihre Einflußmöglichkeiten zu nutzen, um auf ein ökologisch wie sozial verträgliches Umschuldungsabkommen bei der indonesischen Unternehmensholding Asia Pulp and Paper (APP) hinzuwirken. Seit nunmehr fast zwei Jahren laufen die Verhandlungen zur Umstrukturierung der sich auf fast 7 Mrd. US$ belaufenden Schulden von APP, und noch immer ist kein Ende der Verhandlungen in Sicht. Mit Hermesbürgschaften im Umfang von 370 Mio. Euro hat die Bundesregierung in den letzten zehn Jahren Lieferungen deutscher Firmen an APP in Indonesien abgesichert, Kreditrückzahlungen im Umfang von 240 Mio. Euro stehen noch aus. Da auf Hermes ca. 1/4 der noch ausstehenden ECA-Kreditrückzahlungen im Umfang von insgesamt knapp einer Mrd. US$ entfallen, nimmt Deutschland unter den involvierten Exportkreditagenturen eine Schlüsselrolle ein. Trotzdem hat sich die Bundesregierung lange Zeit in der Öffentlichkeit auf die Position zurückgezogen, nur einer von vielen Gläubigern zu sein und daher kaum Einfluß auf die Verhandlungen selbst und das Verhandlungsergebnis zu haben. In dem jüngst an die indonesische Präsidentin Megawati gerichteten Brief der Regierungen aus den betroffenen ECA-Ländern läßt sich nunmehr jedoch ein sehr aktives Verhalten bis hin zum Aufbau von politischem Druck erkennen: darin wird die indonesische Regierung unter Androhung von ökonomischen Sanktionen aufgefordert, sich aktiv in die Umschuldungsverhandlungen einzubringen, um eine auch für die Gläubiger zufriedenstellende Lösung zu erzielen. Schließlich sei Indonesien beim Ausbau der eigenen Infrastruktur auch in Zukunft auf die Kooperation mit Exportkreditagenturen angewiesen: „APP will be a key test of your government´s commitment to attracting investment. (…) Our government agencies have always supported Indonesia´s economic development and intend to continue doing so. (…) However, it is likely that a failure reasonably to satisfy the creditors of APP will affect the confidence of future potential investors in Indonesia“ 1. Dieser Brief untermauert das Interesse der internationalen Gläubiger und auch der bundesdeutschen Regierung auf ein schnelles Ende der Verhandlungen. Der Fokus liegt dabei den Zeitungsberichten zufolge ausschließlich auf einem rein ökonomisch „fairen und transparenten“ Umschuldungsprozeß. Die durch den Betrieb von APP bedingten massiven ökologischen und sozialen Auswirkungen bleiben dabei unverständlicherweise unberücksichtigt. Eine Umschuldung von APP ist mittel- bis langfristig aber nur dann wirtschaftlich vertretbar und rentabel, wenn sie auch auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit ausgelegt ist. Sollte sich die Rentabilität des Unternehmens weiterhin auch auf die Vernichtung von Naturkapital zum Nulltarif (sprich: Kahlschlag von Naturwäldern) stützen, droht neben der weiteren Zuspitzung der ökologischen Probleme auch der nächste ökonomische Kollaps von APP. Es liegt somit auch in dem ureigensten ökonomischen Interesse Deutschlands, ökologische und soziale Kriterien in die Umschuldungsverhandlungen und den -vertrag zu integrieren. APP hat in der Vergangenheit für viel Negativschlagzeilen gesorgt. In Bankenkreisen gilt das Unternehmen als „Musterbeispiel für Misswirtschaft, fehlende Transparenz, Nachlässigkeit von Firmenanalytikern, Buchprüfern und Undurchsichtigkeit asiatischer Konglomerate“ 2. Dabei wird oft übersehen, daß der überdimensionierte und ökonomisch höchst riskante Ausbau der Produktionskapazitäten um das 7-fache auf inzwischen 2 Mio. t Zellstoff in nur zehn Jahren maßgeblich auch auf die Finanzierungs- und Investitionsbereitschaft internationaler Akteure und auch Exportkreditagenturen zurückzuführen ist. Erst diese großzügigen Beteiligungen ermöglichten die Expansion von APP. Bis kurz vor Einstellung der Schuldendienstzahlungen im März 2001 gelang es dem Unternehmen immer wieder, für die eigenen Geschäfte auf dem internationalen Finanzmarkt Gelder und Garantien aufzutreiben und angesichts nachlässiger Firmenprüfungen die Illusion von einem florierenden und prosperierenden Unternehmen aufrechtzuerhalten. Auch der Bundesregierung und der von ihr mit der Vergabe von Bürgschaften beauftragten Hermes AG ist zu keinem Zeitpunkt aufgefallen, daß dem Holz verarbeitenden Konzern APP eine nachhaltige Holzversorgung fehlt. Dabei basierte das Kostenwunder APP die ganze Zeit auf der kostenlosen Bedienung in den dortigen Tropenwälder. Mindestens 300.000 ha Regenwald auf der Insel Sumatra wurden in den letzten Jahren für den APP-Zellstoff- und Papierboom zerstört. Und auch in den nächsten Jahren bleibt APP auf den Kahlschlag von weit über 200.000 ha Naturwäldern angewiesen, sofern das Unternehmen keine drastischen Einschnitte bei den Produktionsmengen vornimmt. Über 80% der indonesischen Zellstoffproduktion konzentriert sich auf die Insel Sumatra. Der Verbrauch der Holz verarbeitenden Industrie liegt dabei gleich mehrfach oberhalb jener Menge, die bei einer nachhaltigen Bewirtschaftung aus den noch verbliebenen Wäldern bezogen werden könnte. Nach Schätzungen der Weltbank wird es im Tiefland Sumatras bereits im Jahre 2005 keine Primärwälder mehr geben, so der Ausverkauf im gleichen Tempo wie zur Zeit voranschreitet. Und das, obwohl Wissenschaftler/innen dort erst vor kurzem Gebiete mit einer weltweit einmalig hohen Artenvielfalt diagnostiziert haben 3 . Auch das von APP selbst propagierte Ziel, ab 2007 nur noch Plantagenhölzer zu verwenden, ist u.E. angesichts der dem Unternehmen derzeit zur Verfügung stehenden Plantagenflächen völlig unglaubwürdig. Selbst Ratingagenturen weisen darauf hin, daß es den Holzzulieferfirmen für APP in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt gelungen sei, die eigenen Aufforstungsziele auch nur ansatzweise zu erreichen: es wurde immer weit weniger aufgeforstet, als sie selbst im Voraus behauptet hatten 4. Wir fordern Sie als deutschen Regierungschef dringend auf, dahingehend auf die indonesische Regierung und Wirtschaftsvertreter einzuwirken, daß auch sie sich konsequent dafür einsetzen, daß der auszuhandelnde Umschuldungsvertrag mit Asia Pulp and Paper die Einhaltung bestimmter ökologischer und sozialer Mindestbedingungen garantiert. Es ist nicht länger hinnehmbar, daß die Bundesregierung über ihre Außenwirtschaftsförderpolitik Projekte unterstützt, die andere rot-grüne Politikziele wie die Bekenntnisse zu nachhaltiger Entwicklung sowie zu Umwelt- und Menschenrechtsschutz konterkarieren. Zudem sichert Ihnen im Fall APP langfristig auch nur eine ökologisch und sozial angemessene Umschuldung den gewünschten ökonomischen Erfolg. Als internationaler Gläubiger, der durch nachlässige Firmenanalysen und unzureichende Umweltprüfungen mit zu dieser ökonomischen wie ökologisch-sozialen Krisensituation beigetragen hat, steht die deutsche Regierung in der Verpflichtung, ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen und nicht nur eine kurzfristige Wiederbelebung der Kreditrückzahlungen anzustreben, sondern zugleich ein allseits nachhaltiges Umschuldungskonzept durchzusetzen. Unseres Erachtens ist es in diesem Kontext unerläßlich, eine faire und transparente Umschuldung des APP-Konzerns an folgende Bedingungen zu knüpfen und APP auf die Einhaltung derselben zu verpflichten:

  • Sofortiger Einschlagsstop in Gebieten mit Naturwäldern und in Gebieten mit ungeklärten Landbesitzverhältnissen; keine Verwendung und kein Zukauf von Hölzern aus ungeklärten oder gar illegalen Quellen
  • Deutliche Reduktion der Produktionskapazitäten, so daß sichergestellt ist, daß der Holzbedarf ausschließlich über Plantagenhölzer gedeckt wird
  • Angemessene Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Mindeststandards bei der Anlage und Bewirtschaftung von Plantagen
  • Kompensationszahlungen oder Wiederaufforstungsprogramme für Gemeinden, deren Territorien widerrechtlich für APP abgeholzt wurden
  • Regelmäßiges unabhängiges externes „monitoring“ der Zellstoff- und Papieranlagen sowie der zuliefernden Holzfirmen und einer nachhaltigen Holzzufuhr

Wir hoffen, daß Sie Ihren Besuch in Indonesien nutzen, um zu einer verantwortungsvollen nachhaltigen Lösung bei APP beizutragen. Das Beispiel APP sollten Sie zudem als deutliches „Warnsignal“ sehen, daß es dringend erforderlich ist, die Wirtschaftsbeziehungen zu Indonesien neu und ökologisch wie sozial nachhaltig umzugestalten.Mit vielem Dank im Voraus für Ihren Bericht über die erzielten Ergebnisse verbleiben wir mit freundlichen Grüßen (i. A. Dr. Barbara Happe, urgewald) 1 Dow Jones News, 4/1/2003 2 NZZ vom 14.9.2001 3 Science Magazine,  5/4/2001 4 GK Goh 2000


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