General’s Election

Jungle World, Nummer 30 vom 14. Juli 2004

von Alex Flor

Jungle WorldBei den Präsidentenwahlen in Indonesien kam ein ehemaliger General auf den ersten Platz. In der Stichwahl tritt er gegen die jetzige Präsidentin an.
„Das ist Demokratie pur!“, so jedenfalls bejubeln westliche Regierungen und internationale Wahlbeobachter das Superwahljahr im Staat der vielen Inseln, der, gemessen an der Einwohnerzahl, der viertgrößte der Welt ist. Am Montag vergangener Woche fand in Indonesien der erste Teil der Präsidentenwahl statt. Ein historisches Ereignis, da die Bürger das erste Mal in der Geschichte den Präsidenten bzw. die Präsidentin direkt wählen dürfen. Etwa 152 Millionen Wahlberechtigte waren dazu aufgerufen. Schätzungsweise 80 Prozent machten von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Die beiden bestplatzierten Kandidatenpaare, General a.D. Susilo Bambang Yudhoyono und sein Vize sowie Präsidentin Megawati Sukarnoputri mit ihrem Stellvertreter, müssen sich wohl im September der Stichwahl stellen. Nach den Parlamentswahlen im April wird dies dann die dritte Wahl in diesem Jahr sein.

Dass die bisherigen Wahlgänge bis auf wenige Zwischenfälle friedlich und geordnet verliefen, ist einer der Gründe, warum die internationalen Kommentare so euphorisch ausfallen. Da nirgendwo auf der Welt mehr Muslime als in Indonesien leben, sehen viele Beobachter im reibungslosen Ablauf auch einen Beweis dafür, dass „Islam und Demokratie durchaus vereinbar sind“. Hinzu kommt, dass erstmals seit Ende der Diktatur Suhartos 1998 im Parlament keine Sitze für Abgeordnete des Militärs reserviert sind.

Bedeutet dies, dass Indonesien in nur sechs Jahren zu einem demokratischen Musterland geworden ist? Ein Blick auf die Kandidatenliste zur Präsidentenwahl legt einen anderen Schluss nahe. Gleich zwei der fünf Spitzenkandidaten, Susilo Bambang Yudhoyono und Wiranto, sind ehemalige Generäle. Nach aktuellem Stand der Auszählung erhielt Yudhoyono mit fast 34 Prozent die meisten Stimmen. Ein dritter General a.D., Agum Gumelar, bewarb sich im Team mit dem amtierenden Vizepräsidenten Hamzah Haz um eben diesen Posten. Präsidentin Megawati Sukarnoputri, die bei 26 Prozent der Stimmen liegt, kooperierte während ihrer gesamten Amtszeit stark mit dem Militär, in dem sie den einzigen Garanten für den Zusammenhalt des von Sezessionskonflikten geplagten Einheitsstaates sieht.

Lediglich Amien Rais, der 1998 zur Symbolfigur der Reformbewegung hochstilisierte ehemalige Vorsitzende der muslimischen Massenorganisation Muhammadiyah, ließ sich als antimilitaristische Alternative anpreisen. Der für seine schnellen Wendungen bekannte derzeitige Präsident der Beratenden Volksversammlung, des bis vor kurzem höchsten Verfassungsorgans des Landes, verstand es, aus seiner Not eine Tugend zu machen. Vor Monaten hatte er noch erklärt, er werde auf jeden Fall mit einem Vertreter des Militärs als Vize antreten. Doch als es so weit war, waren alle Erfolg versprechenden militärischen Anwärter bereits anderweitig liiert. Als Ersatz für die obligatorische nationalistische Komponente der Kandidatenpaare diente ihm schließlich Siswono Yudohusodo, ein zweitrangiger früherer Minister unter Suharto. Für seine Bemühungen liegt er bei knapp 15 Prozent der Stimmen.

Die andere obligatorische Komponente, auf die keiner verzichten will, ist der Islam. Megawatis Vize, Hasyim Muzadi, war Vorsitzender der größten muslimischen Massenorganisation, Nadhlatul Ulama (NU). General Wiranto, gegen den die Staatsanwaltschaft in Osttimor wegen der dort begangenen Verbrechen kürzlich einen Haftbefehl erließ, versuchte sein Image aufzubessern, indem er Salahuddin Wahid, bis dato prominentes Mitglied der Nationalen Menschenrechtskommission und Bruder des früheren Präsidenten und langjährigen Vorsitzenden der NU, Abdurrahman Wahid, zu seinem Vize ernannte. Zusammen erhielten sie 22 Prozent.

Der gegenwärtige Vizepräsident Haz steht wie Amien Rais für die islamische Komponente. Er ist Vorsitzender der Islampartei PPP. Haz machte im Ausland vor allem dadurch von sich reden, dass er bis zum Tag des Bombenanschlags auf Bali im Oktober 2002 hartnäckig die Existenz terroristischer Elemente in Indonesien abstritt und radikale Islamisten im Gefängnis besuchte. In Indonesien wird dagegen in erster Linie darüber geredet, ob er offiziell mit zwei, drei oder gar vier Frauen verheiratet ist. Er erhielt gerade einmal drei Prozent der Stimmen.

General Susilo Bambang Yudhoyono, in Indonesien bekannt als SBY, deckte die Islamkomponente durch seinen Vize Jusuf Kalla ab, der ebenfalls der NU angehört. Darüber hinaus war die Benennung Kallas eine für SBY typische politische Meisterleistung, denn er schlug damit seinen beiden gefährlichsten Konkurrenten, Megawati und Wiranto, gleichermaßen ein Schnippchen. Kalla, ein reicher Geschäftsmann aus Sulawesi, gehört der immer noch mächtigen Partei Golkar an, die unter dem Diktator Suharto Regierungspartei war. In den Hochburgen der Partei in Ostindonesien, insbesondere auf Sulawesi, genießt er große Popularität. Somit musste der offiziell von der Golkar ins Rennen geschickte Kandidat Wiranto hinnehmen, dass die Stammwähler seiner Partei nicht geschlossen hinter ihm standen. Tatsächlich haben die Anhänger der Golkar auf Sulawesi mehrheitlich nicht den Kandidaten ihrer Partei, sondern das Team SBY/Kalla gewählt.

Auf einen ähnlichen Spaltungseffekt hatte wohl auch Präsidentin Megawati gehofft, in deren Kabinett Kalla bis vor kurzem als Koordinationsminister für Soziales diente. Kalla, so heißt es, wurde von Megawati als ihr Vize favorisiert. Aber SBY war schneller. Er konnte mit seiner neu gegründeten Demokratischen Partei bei den Parlamentswahlen im April 7,5 Prozent der Stimmen gewinnen. Fast ebenso viele Stimmen erhielt die zuvor unbedeutende islamische Gerechtigkeitspartei PKS. Die beiden Newcomer teilten sich somit fast zu gleichen Teilen den Verlust, den Megawatis Partei des Demokratischen Kampfes (PDI-P), der überragende Wahlsieger von 1999, hinnehmen musste. Damals hatte die reformorientierte PDI-P 33 Prozent erzielt.

Die Wähler sind enttäuscht von Präsidentin Megawati und der PDI-P. Die Wirtschaftspolitik der Regierung hat zwar beachtliche Erfolge vorzuweisen, wie etwa die Stabilisierung der Währung, die Eindämmung der Inflation und ein moderates Wachstum, doch diese Erfolge basieren fast ausschließlich auf dem gestiegenen Binnenkonsum und schlagen sich im Wesentlichen in verbesserten makroökonomischen Rahmendaten nieder. Die einfache Bevölkerung, ein wichtiges Wählerreservoir der PDI-P, bekommt davon wenig zu spüren. Die Menschen klagen über die aufgrund gekürzter Subventionen gestiegenen Preise für Strom, Wasser, Brennstoffe, Transport und Düngemittel bei gleichzeitigem Preisverfall für landwirtschaftliche Produkte. Investitionen bleiben aus, Fabriken werden geschlossen oder nach China und Vietnam verlegt. Mehrere Millionen Menschen sind arbeitslos, genaue Zahlen kennt wegen mangelhafter Statistiken keiner. Und längst hat die PDI-P in Sachen Korruption mit anderen Parteien gleichgezogen oder sie gar überholt.

Von all dem konnten die neuen Parteien profitieren. SBY, der General, gilt als diszipliniert und tatkräftig. Schon seine körperliche Statur bedient das Klischee vom starken Mann, nach dem sich viele sehnen. Ob die ihm zugeschriebene weiße Weste nicht doch ein paar Flecken hat? Jakarta 1996, Osttimor, Aceh sind Stationen seiner militärischen Biographie. „Konnte er dort sauber bleiben?“ fragen sich kritische Geister. Doch konkret nachweisen konnte ihm bisher niemand etwas. SBY weist die Angst vor einer Remilitarisierung der Politik zurück: Dass Generäle in der Politik so eine große Rolle spielen, sei kein Zeichen der Überlegenheit des Militärs, sondern Ausdruck der Schwäche ihrer zivilen Gegenspieler. Womit er wohl Recht hat. <>


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