Information und Analyse

Hoffnung auf den Stern im Osten – Dialog in Papua

08. Dezember 2009

Der 1. Dezember in Manokwari

von Marianne Klute

Frau und Kind des Folteropfers Buchtar Tabuni auf der Demo in Manokwari

Frau und Kind des Folteropfers Buchtar Tabuni auf der Demo in Manokwari

Foto: Marianne Klute

„Seit 48 Jahren feiern wir den 1. Dezember. Wir erinnern daran, dass Papua am 1. Dezember 1961 die Unabhängigkeit ausgerufen hat”, erklärt Mara Meliak (Name geändert; red). „Wir Frauen von Solidaritas Perempuan Papua (Frauensolidarität Papua) wollen, dass die Demonstration heute friedlich verläuft. Auf keinen Fall darf es zu Gewalt kommen. Die könnte von Dritten bzw. vom Militär zur Schaffung neuer Konflikte missbraucht werden. Es darf kein Blut fließen. Wir wollen nur an die geschichtlichen Ereignisse erinnern.“

Tatsächlich verlief die Demonstration in Manokwari am 1. Dezember friedlich. Papua aus allen Schichten der Bevölkerung beteiligten sich daran. In einem drei Kilometer langen „Longmarch” zogen die Menschen vom Sitz des Papuarats (DAP) bis zur Kirche Elim Kwawi, wo die Missionare Ottow und Geissler begraben liegen. (Die beiden Deutschen – sie haben den Boden Papuas 1855 betreten – werden bis heute verehrt.) Sichtlich bewegt sangen die Demonstranten Kirchenlieder, mit denen sie ihre Hoffnung auf etwas ausdrückten, was am ehesten als „Erlösung” bezeichnet werden kann.

Anders in Jayapura. Die dortige Geburtstagsfeier wurde von der Polizei schon nach einer guten halben Stunde aufgelöst. 15 Personen wurden vorläufig festgenommen. An Material als „Beweis” für eine separatistische Veranstaltung wurden sichergestellt: drei Kameras, traditionelle Musikinstrumente und Transparente mit dem Morgenstern. Auch in Manokwari war der Morgenstern zu sehen, allerding künstlerisch verändert. Sterne zierten große Transparente mit Bibelzitaten („Barang siapa yang bekerja di tanah ini dengan setia dan adil, Ia akan melihat tanda heran yang satu ke tanda heran yang lain.” – „Wer immer in diesem Land in Wahrheit und Gerechtigkeit arbeitet, der wird Wunder über Wunder erleben“; , „Selamatkan Tanah yang dilindungi Tuhan Israel”- „Heiligt das von Israels Gott geschützte Land“; „Aku Yesus, Aku adalah Tunas yaitu Keturunan Daud, Bintang Timur yang Gilang Gemilang” – „Ich bin Jesus, ich bin die Wurzel des Geschlechts David, der helle Morgenstern“). Da geht es um das von Gott versprochene Land, um den Messias als Stern aus dem Osten – also um Tanah Papua und den Morgenstern. Das klingt für Außenstehende kaum nach einer Unabhängigkeitsdemonstration, sondern eher nach einer Prozession.

Mit Hilfe der Sterne gelingt der Sprung in die Politik. Für die Demonstranten ist die Sonderautonomie gescheitert; sie fordern eine Lösung des Papua-Konflikts durch einen Dialog, auch mit internationaler Unterstützung. Modifizierte Morgensterne verschönerten Transparente mit aktuellem politischem Bezug: „Die Sonderautonomie ist total gescheitert. Wir brauchen internationale Unterstützung” und „Das Papua-Problem kann nur mit Dialog gelöst werden”.

„Wir sind überzeugt, dass der Dialog die einzige Lösung für die Probleme in Papua ist”, sagt auch Samuel Yensenem von der Rechtshilfeorganisation LP3BH. Mit „Dialog” spricht der Jurist die Schrift des führenden katholischen Theologen Dr. Neles Tebay an. (Neles Tebay: Dialog Jakarta-Papua. Sebuah Perspektif Papua. Hrg: SKP Jayapura – Büro Justitia et Pax der katholischen Diözese Jayapura, 2009). Auch Tebay stellt fest, dass die Sonderautonomie die Erwartungen nach einer Lösung des Papua-Problems nicht erfüllt hat. In Übereinstimmung mit Muridan, dem Autor der 2008 erschienenen Papua-Road-Map (Papua Road Map – Negotiating the Past, Improving the Present and Securing the Future, The Indonesian Institute of Sciences (LIPI) Jakarta, 2008), schlägt Tebay vor, die unerledigten Probleme in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wirtschaft und Umwelt losgelöst vom politischen Konflikt anzugehen. Sein „Dialog” hat das Ziel, die Papua auf diese Herangehensweise vorzubereiten, unter der Voraussetzung, dass das Streben nach Unabhängigkeit (oder Erlösung?) vom Dialog mit Jakarta ausgenommen wird.

Mit dieser Taktik versuchen Tebay und Muridan die festgefahrene Situation wieder anzutreiben. Möglicherweise standen die Türen für eine Lösung des Papua-Problems 1999-2000 offen, doch sie wurden von beiden Seiten fest zugeschlagen: Der Papua-Kongress 2000 und bedeutende Papuaführer sprachen sich für Unabhängigkeit aus, worauf Jakarta nur mit „NKRI – harga mati!” (Einheitsstaat oder Tod) anwortete. Die einzige Führungskapazität in Papua, Theys Eluay, der man zugetraut hatte, die Verhandlungspostion der Papuas stärken zu können, ist am 11. November 2001 ermordet worden.

Eine positive Reaktion auf Versuche aus Papua im Umgang mit dem Konflikt, so unzulänglich sie auch gewesen sein mögen, hat es aus Jakarta nie gegeben. Es gab nur die eine Antwort: Sonderautonomie. Die Sonderautonomie, sagte man, solle das Papua-Problem lösen. „Die Sonderautonomie ist nur ein zahnloser Tiger. Wir meinen, eine Revision muss her, oder weg mit der Sonderautonomie!” rief Aktivist Donny am 1. Dezember in Manokwari. „Mit der Sonderautonomie hätte Papua die Möglichkeit gehabt, wenigstens im Schul- und Gesundheitsdienst für Verbesserungen zu sorgen. Doch nichts ist geschehen. Seit den acht Jahren der Sonderautonomie hat sich für die Bevölkerung nichts verändert. Bei jedem Versuch aus Papua kommt es immer wieder zu Intervention von Seiten Jakartas.”

Wie die meisten Papua ist auch Donny überzeugt, dass die Vernachlässigung der Sektoren Gesundheit und Bildung Methode hat, um den Papua-Konflikt immer wieder anzuheizen. Wenn sogar Entwicklungsprojekte in Schulwesen und Gesundheitsdienst leicht in den Verdacht geraten, sich in Wirklichkeit mit der Unabhängigkeitsorganisation zu solidarisieren, wird Eigeninitiative fast unmöglich, ganz zu schweigen von der Arbeit von Menschenrechts- und Umweltaktivisten, die vom Geheimdienst als eine Art Separatisten zweiter Garnitur gehandelt werden.

Ärzte und Lehrer fehlen, die Müttersterblichkeit ist extrem hoch, die AIDS-Prävalenz die höchste in Indonesien, nicht wenige Papua sitzen wegen unbedeutender Delikte im Gefängnis, der Wald wird brutal abgeholzt – die Liste von Problemen, mit denen Papua konfrontiert ist, ist endlos lang – und sie würde im Falle einer Veränderung des politischen Status sicherlich nicht wesentlich kürzer.

Was auch immer geschehen mag – die Vorschläge von Tebay und Muridan werden derzeit bis in den letzten Kampung (Dorf, Wohnviertel) heiß diskutiert. Mancher ist der Ansicht, ein Dialog schaffe nur neue Probleme, besonders, wenn die Erwartungshaltung der Papua nicht einmal tangiert werden dürfe. Damit werde ein echter Dialog unmöglich oder nur ein Taktieren um den heißen Brei „Merdeka” (Freiheit, Unabhängigkeit, Erlösung).

Andere finden sich im „Dialog” wieder: „Road Map und Dialog versuchen, die gravierenden Probleme Papuas aufzudröseln und einzeln anzugehen, vor allem in den Sektoren Gesundheit und Bildung“, sagt Samuels Kollege Andries. „Deren Empfehlungen stimmen genau mit den Punkten überein, die die Zivilgesellschaft in Papua seit Jahren diskutiert, nicht erst seit Einführung der Sonderautonomie. Die Ideen sind natürlich nicht auf dem Mist von Muridan und Romo Neles gewachsen, sondern sind lebendige Ideen der Zivilgesellschaft Papuas.”

Bei der Diskussion mit Aktivisten im Anschluss an die 1. Dezember-Demonstration in Manokwari zeigten sich die Befürworter des Dialogs in der Überzahl. Die Agenda eines Dialogs könne nur sein: wie können die Papua an der Entwicklung beteiligt werden, gerade in den Sektoren Gesundheit und Bildung. Im Zentrum der Aufmerksamkeit müssen die Menschen stehen.

Anders als bei den Aceh-Friedensverhandlungen solle die Zivilgesellschaft eine Rolle spielen und ihre Vorstellungen in den Dialog einbringen. Eine Verhandlung ausschließlich zwischen indonesischer Regierung und Unabhängigkeitsorganisation OPM nach dem Modell von Aceh ist keine Option für die Papua. Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppen sollten beteiligt werden: Parlamentarier, Indigene, Akademiker, die Jugend und: „50% sollen Frauen sein”, rief Mara. Weil man Indonesien gegenüber misstrauisch ist, wünscht man sich internationale Mediation.

Mittags schon war die historische Feier und die Diskussion vorbei. Eigentlich hatte Gouverneur Ataruri eine Demonstration verboten, vielleicht, um Gewaltausbrüche zu vermeiden, vielleicht aber auch, um den Jahreskongress der Partei Golkar nicht zu stören. Während die Teilnehmer sich nach Hause verzogen, landeten der derzeitige und der ehemalige Golkar-Vorsitzende Aburizal Bakrie bzw. Akbar Tanjung in Manokwari. Sie schufen ein weiteres historisches Ereignis.

Akbar Tanjung sorgte für einen Moment des überraschten Schweigens, als er bei der Pressekonferenz zur Kongresseröffnung erklärte: „Ein Dialog ist der beste Weg, damit wir die Differenzen zwischen den Wünschen der Papua und der Nationalregierung besser begreifen.” Der Dialog könne zu einer Lösung führen, allerdings könne es nur eine Lösung im beiderseitigen Interesse und nur im Rahmen des Einheitsstaats sein. Einer internationalen Mediation erteilte Akbar Tanjung eine klare Absage: „Die Probleme kennen wir selbst am besten. Warum soll die internationale Gemeinschaft (am Dialog; red) beteiligt sein? Wir haben eine gemeinsame Kultur, wir kennen und respektieren uns gegenseitig…..”

Mit einem solchen Vorstoß hat in Manokwari niemand gerechnet. Was bedeuten die Aussagen des Ex-Parteivorsitzenden? Will die Partei sich einen Ruf als Friedensstifter erwerben? Gibt es ein echtes Interesse in Jakarta? Hat die Regierung begriffen, dass sie handeln muss? Weicht Jakarta nur geschickt gesteigertem internationalen Interesse an einer Konfliktlösung aus?

Oder wird hier wieder einmal eine gute Idee instrumentalisiert? Werden die Befürchtungen, auch dieser Versuch aus Papua werde an Interventionen oder Spielchen aus Jakarta scheitern, schneller Wirklichkeit als geahnt? Was wird hinter den Kulissen gespielt?

Das Misstrauen ist groß, so groß, dass niemand den wohlwollenden Worten Glauben schenkt. Dass Ical (Aburizal Bakrie) mitgekommen ist, bestätigt die Analyse derjenigen, die Manokwari als Schauplatz eines Kampfes um die Ressourcen des Vogelkopfes sehen. Das Bakrie-Partnerunternehmen Medco Energi ist gerade dabei, im Distrikt Manokwari eine 45.000 Hektar große Ölpalmplantage anzulegen. Die Bakriegruppe selbst, inzwischen Indonesiens wichtigster Kohleproduzent, hat wohl ein Auge auf die bedeutenden Kohlevorkommen im Süden Manokwaris, in der Bintuni-Bucht, geworfen. Doch nicht nur die Bakriegruppe hat Interesse an Kohle, auch ein Unternehmen des Militärs.

Es bleibt also zweifelhaft, wer den Dialog führen wird und um was es gehen wird. Akbar Tanjung hat von gemeinsamen Interessen gesprochen und nicht von den Menschen, die im Mittelpunkt der Bemühungen von Neles Tebay und Muridan stehen. Gemeint können nur die Wirtschaftsinteressen sein, die verfeindete Gruppen in Indonesien gemeinsam haben. Der Verdacht drängt sich auf, die mit Golkar verbundenen Konzerne instrumentalisieren den Dialog im Kampf gegen die Interessen von Prabowo und gewissen militärischen Kreisen an Kohle, Holz und Mineralien. Mit Hilfe des Dialogs könnten sie sich des biblisch versprochenen Landes bemächtigen. Sie könnten auch scheitern, und mit ihnen der Dialog. Dann muss Papua weiter auf Erlösung und den Stern aus dem Osten warten. <>


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