Im Namen der Profitgier

FOCUS online, 16. Januar 2008

Ölpalm-Plantagen

Täglich finden Verbrechen gegen Menschen und Natur statt, weil Konzerne mit allen Mitteln Land für Ölpalm-Plantagen gewinnen wollen.

Von FOCUS-Redakteur Michael Odenwald

FocusAus den Früchten der Ölpalmen lässt sich Öl gewinnen, das ein wichtiger Grundstoff der Lebensmittelindustrie ist, in steigendem Maß aber auch in Biodiesel umgewandelt wird. Wegen des Treibstoffdursts der Industrieländer verschwinden in großem Stil Regenwälder, vor allem in Indonesien.

Entsprechend verfünffachten sich in dem Inselreich die Ölpalmen-Anbauflächen von 600.000 Hektar im Jahr 1985 bis auf fünf Millionen Hektar im Jahr 2005. Mindestens 26 Millionen weitere Hektar sollen nach dem Willen der indonesischen Regierung in Ölpalm-Monokulturen umgewandelt werden. Diese Fläche entspricht ungefähr der Fläche der noch unberührten Regenwälder des Landes. Auf Sumatra etwa, der zweitgrößten Insel des Archipels, wird nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace pro Stunde eine Waldfläche größer als 300 Fußballfelder abgeholzt.

Unersättlicher Ölbedarf

Trotz der Kahlschlagorgien reichen die Flächen auf Sumatra und den Nachbarinseln Kalimantan und Borneo nicht aus, um den Palmöl-Bedarf der Welt zu decken. Deshalb suchen die Produzenten noch unerschlossene Gebiete für neue Plantagen. Das 1962 von Indonesien besetzte Westpapua, der Westteil der Insel Neuguinea, ist eine solche Region, ebenso das benachbarte Papua-Neuguinea. Dort gibt es riesige zusammenhängende Waldgebiete, die zahllosen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bieten.

Diese ökologisch einzigartigen Wälder sind nun akut gefährdet. Firmen wie der indonesische Konzern Pinar Mas wollen sie durch Ölpalmplantagen ersetzen. Ihre Pflanzungen sollen im Süden Westpapuas entstehen, im Bezirk Merauke. Zwar werde dort ausschließlich ungenutztes Brachland für die Pflanzungen genutzt, versichert die Firma. Doch dieses Gebiet ist von ausgedehnten Sumpfwäldern bedeckt. Sie sind der wichtigste Wasserlieferant für die lokale Bevölkerung. Werden sie für die Palmölproduktion abgeholzt, trocknen die Böden aus, und neues Brachland entsteht.

Doppelt Profit machen

Für Journalisten ist der Zutritt zum Pinar-Mas-Konzessionsgebiet verboten. Der Hamburger Fernsehreporterin Inge Altemeier wurde jedoch heimlich gedrehtes Material zugespielt. Nach ihren Angaben zeigt es überall großflächige Abholzungen. Die Urwaldriesen müssen den Plantagen weichen. Palmöl- und Tropenholzindustrie gehen hierbei eine unselige Allianz ein, denn in Westpapua gibt es noch reichlich wertvolle Edelhölzer.

Auf der Insel Neubritannien, die zu Papua-Neuguinea gehört, lassen sich die dramatischen Auswirkungen der Urwaldrodung auf die Artenvielfalt studieren. Anhand von Satellitenbildern konnten Biologen der internationalen Vogelschutzorganisation Birdlife International (BI) zeigen, dass allein zwischen 1989 und 2000 ein Achtel der gesamten Regenwälder des Eilandes für Ölplantagen verschwanden, die sich teilweise über Hunderte von Quadratkilometern erstrecken. Ihre Flächen sollen sich bis 2014 teilweise verdreifachen. Besonders betroffen war das Tiefland, wo sogar 20 Prozent des Ökosystems für die Monokulturen fielen. Dort lebt jedoch auch ein Großteil der 37 endemischen Vogelarten des Eilands. Von ihnen gelten 21 als vom Aussterben bedroht, darunter der Bismarck-Eisvogel und das Grünstirnpapageichen. „Neubritanniens Vögel werden wegen unseres Durstes nach Palmöl ausgerottet“, klagt BI-Projektleiter Stuart Butchart.

Blutiger Streit um den Boden

Die Regenwälder der Insel Woodlark, knapp 280 Kilometer östlich von Papua-Neuguinea gelegen, entgingen zumindest vorübergehend diesem Schicksal. Sie ist knapp 80.000 Hektar groß. Die Palmöl-Plantagen, die der malaysische Konzern Vitroplant aus Woodlark anlegen wollte, sollten sich über
60.000 Hektar erstrecken. Damit würde die Natur der Insel nahezu vollständig ausgelöscht. Die Regierung des Staats hatte das Projekt bereits genehmigt.

Doch die etwa 6000 Inselbewohner wehrten sich vehement gegen die Zerstörung ihrer Wälder. Ihre Kultur, fürchteten die Ureinwohner, würden mit ihren Jagdgebieten und Anbauflächen für Nahrungsmittel verschwinden. Von der Regierung, sagen sie, wurden sie niemals zu dem Palmöl-Projekt gehört. Der Protest hatte nun Erfolg: Vor wenigen Tagen zog Vitroplant – auch aufgrund des Drucks internationaler Naturschutzorganisationen – den Projektantrag zurück.

Ausbeutung der Armen

So glimpflich enden Auseinandersetzungen um Böden und Wälder, auf denen Ölpalmen wachsen sollen, indes selten. In der Regel gehen sie mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Folter und Mord einher. „Palmöl als Agrartreibstoff treibt Menschen in die Armut. Die riesigen Plantagen sind verantwortlich für Hunderte solcher Fälle. Zudem bergen sie ein großes Konfliktpotenzial zwischen Unternehmen und Bevölkerung oder zwischen Bauern, Plantagenarbeitern und indigenen Völkern, etwa durch unrechtmäßiger Inbesitznahme von Land“, sagt Marianne Klute von der Menschenrechts- und Umweltorganisation „Watch Indonesia“.

Auf Sumatra beispielsweise sind viele Menschen gezwungen, zum schieren Überleben für Hungerlöhne auf Palmölplantagen zu schuften. Viele kommen aus weit entfernten Dörfern oder sind Umsiedler von der indonesischen Zentralinsel Java, die einst im Zuge eines Transmigrationsprogramms nach Sumatra kamen (es wurde durch deutsche Entwicklungshilfegelder und die Weltbank finanziert). Das Land, das sie erhielten, konnte sie indes nicht ernähren. Jetzt sind sie Tagelöhner, und ihre Kinder jäten auf den Plantagen Unkraut, weil den Familien das Geld fehlt, sie zur Schule zu schicken.

Völkervertreibung: Vom eigenen Land ins Elendsviertel

Viele Völker, etwa die Papua-Stämme oder die Dayak auf Borneo, verfügen über keine Besitzurkunden für ihr angestammtes Land, sodass sie sich gegen eine Enteignung kaum wehren können. „Die Regierung bestimmt das für Plantagen vorgesehene Land. Die Provinzen und Distrikte haben für die Umsetzung zu sorgen, die Bürgermeister für den Erwerb von Land, ohne dass die Bevölkerung beteiligt wird. Am Ende unterzeichnet der Bürgermeister oder der Clanchef einen Vertrag, von dem die Dorfgemeinschaft nichts weiß. Sie wird dann umgesiedelt“, beschreibt Klute das Vorgehen von Regierung und Palmölkonzernen. Oft landen die Menschen in den Elendsvierteln der Städte, wo Trunksucht und Aids grassieren.

Von wegen Öko: Palmöl ist ein Klimakiller

Unter der Palmöl-Produktion leiden nicht nur die Menschen, sondern auch das Klima – obwohl der Agrartreibstoff doch gerade klimaneutral sein soll. „Palmöl ist keine Lösung für den Klimawandel, sondern beschleunigt ihn noch, denn riesige Landflächen werden gebraucht, um nur einen kleinen Bruchteil des Treibstoffbedarfs zu decken. Das meiste Land kommt von Regenwäldern oder anderen Ökosystemen, die das Klima natürlicherweise regulieren“, konstatiert Almuth Ernsting vom Umweltverband „Biofuelwatch“. Nach dem Kahlschlag werden Restholz und Buschwerk abgebrannt. Das indonesische Umweltnetzwerk Walhi fand heraus, dass etwa 80 Prozent aller Waldbrände von Plantagenunternehmen gelegt werden, um degradiertes Land zu schaffen, auf dem Plantagen angelegt werden dürfen (siehe „Abholzen für die Kohle“). Sie sind die billigste Variante der Wiederaufforstung und bringen den Firmen Gelder aus dem staatlichen Wiederaufforstungsfond ein.

In der Feuersaison 2006 gab es laut Walhi allein in Kalimantan mehr als 5000 Brände, denen fast eine Million Hektar Wald zum Opfer fielen. Durch diese Urwaldzerstörung, so ermittelte Greenpeace, werden jährlich 2,6 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) freigesetzt, das ist mehr als die Emissionen von Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen. Damit ist Indonesien nach den USA und China weltweit der drittgrößte Treibhausgas-Emittent. „Palmölplantagen in indonesischen Torfgebieten sind globale Klimakiller“, erklärt Greenpeace-Sprecher Björn Jettka. „Das Leben in den Urwäldern Indonesiens wird auch für den deutschen Palmöl-Bedarf vernichtet.“

Landraub in Kolumbien

In anderen Ländern bewirkt die Palmöl-Produktion ebenfalls großflächige ökologische Verwüstungen, gepaart mit Menschenrechtsverletzungen und Landraub. In Kolumbien etwa werden derzeit zahlreiche Kleinbauern von ihrem Land vertrieben. Der Grund ist, dass die Regierung mit der Ausweitung der Palmölproduktion das Land befrieden will. Sie soll Paramilitärs, die nicht mehr am Bürgerkrieg teilnehmen wollen, der in dem südamerikanischen Staat herrscht, die Wiedereingliederung in ein ziviles Leben ermöglichen.

Für größere Plantagen aber müssen Kleinbauern ihre Äcker aufgeben, nicht selten werden sie mit Gewalt vertrieben. „Für ihre missliche Lage sind auch die Importeure von Palmöl verantwortlich“, urteilt Diego Cardona von der kolumbianischen Naturschutzorganisation „Censat Agua Viva“. Er reiste in den letzten Tagen mit zwei Mitstreitern durch Europa, um in Gesprächen mit Presse- und Firmenvertretern sowie Politikern auf das Problem aufmerksam zu machen. Dies zielt insbesondere auf deutsche Importeure: Sie nehmen rund ein Viertel der Palmöl-Ausfuhren Kolumbiens ab.

Palmölverbrauch in Deutschland

„Der Palmöl-Boom ist ein Verbrechen gegen die Natur und die Menschlichkeit“, meint auch Reinhard Behrend vom Hamburger Verein „Rettet den Regenwald“ (RdR), „und die Auftraggeber sitzen in Brüssel und Berlin.“ Im Jahr 2006 wurden in Deutschland etwa 800.000 Tonnen Palmöl importiert. Das meiste davon landete in Margarine, Tütensuppen oder Kosmetika, doch 340.000 Tonnen wurden in Blockheizkraftwerken verbrannt. EU-weit erzeugten Raffinerien aus dem Rohstoff zudem 270.000 Tonnen Biodiesel.

Wegen der großen Nachfrage erzielte Palmöl zudem Rekordpreise. Kostete die Tonne im Juli 2007 auf dem Weltmarkt noch knapp 500 Euro, sind es heute 800 bis 850 Euro pro Tonne. Die damit verbundenen Gewinnaussichten dürften den Boom noch weiter anheizen, und der Absatz auch steigender Mengen ist garantiert. Denn in Deutschland werden dem Diesel seit Anfang 2005 fünf Prozent Agrosprit beigemischt, bis 2020 soll dieser Anteil auf 20 Prozent steigen.

Guter Wille – aber nicht um jeden Preis

Allerdings gibt es in der Politik erste kritische Stimmen. So warnte EU-Umweltkommissar Stavros Dimas soeben vor ökologischen und sozialen Problemen durch die Agrarkraftstoffe. Gegenüber der britischen BBC sagte er, das Ziel der EU, im Verkehrssektor zehn Prozent des Treibstoffes aus Pflanzen zu gewinnen, stehe nicht in Frage. Es sei aber besser, es zu verfehlen als es mit Mitteln zu erreichen, die zur Umweltzerstörung führen oder die Armut verschärften. Dimas: „Wir erkannten, dass die durch Biotreibstoffe ausgelösten ökologischen und sozialen Probleme größer sind als wir dachten.“

Als Lösung stellte der EU-Politiker ein Zertifizierungssystem für Biotreibstoffe in Aussicht. Es solle verhindern, dass Diesel aus Palmöl zur Waldzerstörung in Indonesien führe. RdR-Leiter Behrend begrüßte die in seinen Augen überfällige Erkenntnis, forderte aber eine Abkehr von den EU-Zielen: „Endlich erkennt der EU-Umweltkommissar die katastrophalen Folgen von Agrar-Sprit für Regenwälder, Menschen und das Klima, aber das geplante Zertifizierungssystem wird scheitern. Die EU muss einen sofortigen Importstopp für sämtliche Agrar-Treibstoffe beschließen.“ <>


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