Gut Holz!

konkret, Heft 6 / Juni 2008

Welche Auswirkungen hat der Biotreibstoffwahn auf die Tropenwälder? KONKRET sprach mit Marianne Klute, der Umweltreferentin der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia.

KonkretKONKRET: Wie viel Wald ist in Indonesien noch übrig?

Klute: Es gibt wohl noch auf 20 Prozent der Landesfläche Primärwald, gegenüber geschätzten 85 Prozent im Jahr 1950. Die Entwaldung erfolgte in mehreren Phasen und verlief von Insel zu Insel unterschiedlich. Java und Bali sind fruchtbar und dicht bevölkert, so daß dort schon vor 50 Jahren nur noch ein kleiner Teil von vielleicht zehn Prozent bewaldet war. Die großen Primärwälder gab es auf Sumatra, Borneo und Papua. Papua war vor 60 Jahren – damals gehörte es noch nicht zu Indonesien – fast vollständig bewaldet. Von den drei genannten Inseln war Sumatra die erste, auf der großflächige Entwaldungen stattfanden, da Sumatra leichter zugänglich war als die anderen beiden und über eine bessere Infrastruktur verfügte. Heute gibt es dort keinen Tieflandregenwald mehr. Auf Borneo begannen die großen Abholzungen erst in den letzten 18 Jahren, auf Papua erst Anfang dieses Jahrzehnts. Von ca. 163 Millionen Hektar Primärwald im Jahr 1950 sind wohl höchstens noch etwa 40 Millionen übrig. Wird der Kahlschlag nicht gestoppt, wird es in fünfzehn Jahren nur noch in den Gebirgen Wald geben.

„Biotreibstoffe“ wie Palmöl werden in Deutschland als zukunftsträchtige Energieträger propagiert. Einen bedeutenden Anteil hat Palmöl aus Indonesien. Wie hat sich dieser Industriezweig dort entwickelt, was sind die Folgen?

Palmöl für die Lebensmittel- und Waschmittelindustrien ist längst ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Indonesien. Mitte der achtziger Jahre begann der IWF, Indonesien dazu zu drängen, in die Sektoren Holz, Zellstoff und Palmöl zu investieren. Die erste Folge war die Abholzung des Waldes. In den folgenden 15 Jahren bis zur Asienkrise, dem Rücktritt Suhartos und den großen Bränden – das alles passierte 1997 gleichzeitig – wurden allerdings nur etwa 20 Prozent der für Palmölplantagen vorgesehenen und entwaldeten Flächen tatsächlich mit Ölpalmen bepflanzt. Das hat mit der indonesischen Gesetzgebung zu tun. Firmen, die vom Staat eine Lizenz zum Holzschlagen erwerben, ist es nicht gestattet, den Wald vollständig abzuholzen. Haben Sie jedoch eine Lizenz für eine Plantage, dürfen sie das. Daher wurden viele Lizenzen für Plantagen beantragt und vergeben. Der Wald wurde gerodet, um das Holz zu verkaufen, ohne daß Plantagen errichtet worden wären. Der Schaden an der Umwelt entsteht also lange bevor die erste Palme gepflanzt wird. Allein in den vergangenen 12 Monaten sind etwa 1 Million Hektar neue Plantagen entstanden. Insgesamt sind es jetzt 7,4 Millionen Hektar, die meisten davon auf Sumatra, gefolgt von Borneo, aber auch Papua wird immer wichtiger.
Das führt zu Wassermangel. Die wasserspeichernden Wälder gehen verloren, und eine Palme verbraucht 12 bis 15 Liter Wasser pro Tag. Der Grundwasserspiegel sinkt, die ganze Umgebung wird trockener. Bei Regen ist der Boden dann so ausgetrocknet, daß die besiedelten Gebiete in einem weiten Umkreis überschwemmt werden. Das Grundwasser wird nicht nur weniger, durch Dünger und Pestizide wird es zudem verunreinigt. Diese Probleme bringen alle Palmölplantagen mit sich, unabhängig von der Größe. Bei den großen Monokulturen kommt hinzu, daß sie die Biodiversizität stark beeinträchtigen. Wo Palmölplantagen stehen, gibt es keine anderen Pflanzen oder Tiere mehr.

Hat sich die Abholzung durch den Palmölboom beschleunigt?

Indonesien ist seit Jahren Weltmeister der Abholzung. Es geht kaum noch schneller. Auf den Palmölboom reagiert Indonesien mit unvorstellbaren Planungen: 20 Millionen Hektar Neuplantagen sollen entstehen. Die Frage ist, wo? Bisher ist die Palmölindustrie eine der treibenden Kräfte für den Kahlschlag, denn, wie gesagt, bislang ist nur ein relativ kleiner Teil der entwaldeten Flächen bepflanzt worden. Palmölplantagen könnten nun also auf den bereits kahlen Flächen errichtet werden, und das ist vom Gesetzgeber eigentlich auch als Ziel vorgegeben. Die Wirklichkeit ist aber anders. Tatsächlich werden die neuen Lizenzen für die Gebiete vergeben, in denen es noch Wald gibt.

Weil die Unternehmen dort vorher auch noch das Holz verkaufen können?

Das ist ein wichtiger Grund. Aus Sicht des Staates gibt es noch einen anderen: Die noch bewaldeten Flächen liegen oft in hügeligen, unzugänglichem und wenig besiedeltem Gebiet, das auf diese Weise erschlossen wird. Das ist besonders wichtig in den Gebieten entlang der Staatsgrenze zu Malaysia und Papua-Neuguinea. Da gibt es also auch politisches und strategisches Interesse.

Wie reagiert die Bevölkerung?

Die meisten betroffenen Bauern und Indigenen haben schlechte Erfahrungen mit den Holz- und Palmölkonzernen gemacht. Sie haben ihr Land eingebüßt, sind verarmt. Die Versprechungen, die ihnen von den Konzernen gemacht wurden – etwa auf ein eigenes Stück Land – sind oft nicht gehalten worden. Von dieser Seite gibt es Widerstand. Auf der anderen Seite gibt es bei manchen Bauern die Hoffnung, vom Palmölboom zu profitieren, denn laut offizieller Politik soll ein Drittel der Plantagen von Kleinbauern bewirtschaftet werden – doch diese Hoffnungen werden sehr oft enttäuscht.
Die Situation verschärft sich nun dadurch, daß zu den bestehenden Palmölplantagen innerhalb der nächsten 15 bis 20 Jahre 20 Millionen Hektar hinzukommen sollen. Die Menschen, die auf diesen 20 Millionen Hektar leben, befürchten, daß sie ihr Land verlieren werden. Sie haben ja in der Regel keine gültigen Besitztitel, das Land gehört dem Staat, der über solche Projekte entscheidet, ohne daß die Bevölkerung beteiligt werden muß. Die auf uns zukommenden Veränderungen in den Besitzverhältnissen sind weitaus größer als die der letzten 20 Jahren. Das bereitet uns große Sorge.
Widerstand gibt es vor allem dort, wo bereits Plantagen existieren und die Leute betrogen wurden, wo es also Konflikte um Landbesitz gibt. Davon sind uns mehr als tausend bekannt. Manchmal, wenn die Bauern richtig wütend sind, gehen sie auf die Plantagen, ernten und legen Feuer, oder sie blockieren die Straße, so daß die LKWs mit den Früchten nicht zu den Ölmühlen gelangen. In der Regel gehen solchen Aktionen jahrelange Auseinandersetzungen vor Gericht voraus. Die großen Unternehmen wiederum verfügen über private Sicherheitskräfte, oder sie lassen ihre Plantagen von Polizei- und Militäreinheiten schützen. Sie reagieren auf Widerstand oft gewalttätig, oder agieren schon vor der Errichtung einer Plantage gewaltsam, indem sie die Bevölkerung einschüchtern, oder die Häuser der Landbewohner anzünden.

Sorgt sich die Bevölkerung auch um die ökologischen Probleme?

Natürlich, sie sind neben der Frage der Landrechte das, was die größten Sorgen bereitet. Es gibt keinen Zugang mehr zu Wasser, und wenn doch, dann ist es vergiftet. Außerdem haben sich durch die großflächigen Abholzungen die Wetterverhältnisse verändert. Früher wußten die Bauern wann es regnen würde und konnten sich danach richten. Heute klagen die Bauern überall, egal ob auf Sumatra, Osttimor oder Borneo, daß das Wetter unberechenbar geworden ist, die Monsune sind durcheinander geraten. <>

– Interview: Stefan Frank


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