(Deutsch) Das Omnibusgesetz zur Schaffung von Arbeitsplätzen: Wirtschaftswachstum zuerst! – Menschenrechte, Umwelt und Demokratie später?

 Christine Holike & Kartika Manurung*

Wirtschaftswachstum zuerst! – Menschenrechte, Umwelt und Demokratie später?

Omnibus Law Jkt

Im Oktober 2019 begann die indonesische Regierung mit der Propagierung des sogenannten Omnibusgesetzes. Es zielt darauf ab, eine Vielzahl von Bestimmungen in bestehenden Gesetzen zu ändern. Erfasst wird ein breites Spektrum von Themen: Von der Wirtschaft, der Umweltverträglichkeitsprüfung, dem Arbeitsrecht und der Bildung bis hin zur Halal-Zertifizierung und den Befugnissen der Regionalregierungen. Aufgeteilt in die Pakete “Schaffung von Arbeitsplätzen”, “Staatskapital”, “Steuern” (bereits im Januar verabschiedet) und “Arzneimittel”, unterstreicht das “eine Gesetz für alles” Joko Widodos („Jokowis“) Bestreben, Indonesien als globalen Wirtschaftsakteur und Regionalmacht auf die Landkarte zu setzen. Die Änderung von 82 bestehenden Gesetzen und rund 1.194 Vorschriften durch das Gesetz zur “Schaffung von Arbeitsplätzen” mit einem Streich erscheint den Machern dabei als Wundermittel. Der Regierungssprecher Fadjroel Rachman, erwartet, dass das Gesetzespaket rund 1 % Wirtschaftswachstum bringen und damit Indonesiens Wirtschaftswachstumsrate auf mehr als 6 % pro Jahr katapultieren wird. Das Mantra: Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Schaffung von Arbeitsplätzen durch Abschaffung von „Wachstumshindernissen“. Doch wer bezahlt den Preis für diese Ambitionen?

Die Chronologie

Gleich in seiner ersten öffentlichen Rede nach dem Amtsantritt am 20. Oktober 2019, stellte Jokowi die Idee des Omnibusgesetzes vor. Wie schon häufig zuvor, bekräftigte er auch bezüglich seiner zweiten Amtszeit die Prioritätensetzung: Wirtschaftswachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen. Sein Rezept: die Beseitigung von Investitionshindernissen. Es gebe, so Jokowi, zu viele nationale Regelungen in verschiedenen Rechtsbereichen, die Hindernisse für Investoren und Unternehmensgründer*innen, darstellen.

Bereits am 12. Februar 2020 nahm der DPR-Vorsitzende Puan Maharani den Gesetzentwurf entgegen. Bis zur Abstimmung haben die Parlamentarier*innen qua Gesetz einhundert Tage Zeit, um offene Fragen zu klären und ihre Kommentare, und Verbesserungsvorschläge einzureichen. Mit einer Abstimmung ist bis Anfang Juni zu rechnen. Der Gesetzentwurf stößt jedoch bei indonesischen Bürger*innen, Gewerkschaften, Menschenrechts- und Umweltorganisationen auf Widerstand. Nicht nur erscheint ihnen seine Ausarbeitung zu sehr im Geheimen und mit erstaunlicher Geschwindigkeit erfolgt zu sein. Überdies erfolgte die Aufnahme in den nationalen Gesetzgebungsplan ohne dass die Öffentlichkeit die Inhalte des Entwurfs zu sehen bekam. Etwas, das im indonesischen Gesetzgebungsverfahren verpflichtend ist. Immerhin versprach das Parlament, Vertreter*innen von Arbeitnehmergruppen in den Konsultationsprozess einzubeziehen, nachdem Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftlichen Gruppen protestiert und eine stärkere Beteiligung gefordert hatten.

Jüngere Entwicklungen

Am 24. April verkündete Jokowi offiziell die Entscheidung, die arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Gesetzentwurfs bis zum Ende der Covid-Krise aufzuschieben. Die Erklärung erfolgte nach einem Treffen mit den Führern der drei einflussreichsten indonesischen Gewerkschaften Said Iqbal (KSPI), Andi Gani (KSPSI) und Elly Silaban (KSBSI). Diese hatten angekündigt, dass sie an ihrem Plan festhalten würden, am 30. April Massenproteste zu veranstalten, um der Verabschiedung des Gesetzes entgegenzuwirken. Ebenso wollten sie die im Zuge der Pandemie verschlechterte Lage von Arbeitnehmer*innen adressieren. Hunderttausende von Arbeitnehmer*innen sind von Massenentlassungen betroffen, oft ohne ausstehende Löhne zu erhalten oder sind zur Weiterarbeit unter unsicheren Bedingungen gezwungen.

Nur wenige Tage nach der präsidialen Ankündigung jedoch, hielt das Repräsentantenhaus (DPR) eine virtuelle Plenarsitzung ab, für die Expert*innenberatungen vorgesehen waren. Entgegen dem Versprechen, relevante Interessenvertreter*innen, wie z.B. die Civil Society Coalition in die Beratung einzubeziehen, heißt es, dass einige ihrer Mitglieder nach kritischer Meinungsäußerung während der Konsultation blockiert wurden.

Demokratie, Menschenrechte und Umwelt stehen auf dem Spiel

Nach allen verwaltungsrechtlichen Standards ist es zumindest fraglich ob, das Omnibusgesetz überhaupt als Gesetz bezeichnet werden kann und sich, ebenfalls gemessen an diesen Standards, für eine Abstimmung überhaupt qualifizieren dürfte. Anders als die weithin anerkannte Definition eines Gesetzes, schafft es nämlich keine neuen Bestimmungen, sondern ändert lediglich bestehende. Überdies ermächtigt Artikel 170 des Entwurfs die Regierung dazu, künftig jedes bestehende Gesetz zu ändern, das sie als Hindernis für ihrer Strategien zur Schaffung von Arbeitsplätzen erachtet.

Jenseits dieser (formalen) Unebenheiten, erscheint das Omnibusgesetz im Wesentlichen als ein – übrigens ebenso in autoritären Systemen beliebtes – Instrument, Mehrheiten im Parlament auch gegen die Überzeugung der Mehrheit der Abgeordneten zu organisieren – Mehrheiten, die bei Einzelabstimmungen möglicherweise nicht zustande kämen.

Darüber hinaus fehlte es an öffentlicher Transparenz. Die Regierung hat es versäumt, das Gesetzgebungsverfahren für legitime und relevante Interessengruppen zu öffnen. So richtete Airlangga Hartarto, der koordinierende Wirtschaftsminister, im Rahmen der öffentlichen Konsultation zum im Dezember 2019 zwar eine Arbeitsgruppe ein. Unter den insgesamt 127 Arbeitsgruppenmitgliedern fanden sich jedoch vor allem Wirtschaftsakteure und Vertreter*innen von Unternehmenskonglomeraten. Ähnlich einseitig gestaltet sich die Ergänzung der im Entwurf gelisteten Investitionshindernisse, für die die indonesische Handelskammer (KADIN) beauftragt wurde. Diese fiel in der Vergangenheit mehrfach durch arbeitnehmerfeindliche Positionen auf – unter anderem sprach sie sich gegen die Anhebung von Mindestlöhnen aus.

Die Arbeiter*innenbewegung, Demokratie- und Menschenrechtsgruppen sowie Umweltverbände haben die Heimlichkeit, mit der der Entwurf dem Parlament vorgelegt wurde sowie die mangelnde Beteiligung der Öffentlichkeit immer wieder scharf kritisiert. Eine solche Vorgehensweise steht auch in Widerspruch zu Indonesiens menschenrechtlichen Verpflichtungen. Artikel 25 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, den Indonesien 2006 unterzeichnet hat, verpflichtet die indonesische Regierung das Recht der Bürger*innen auf Beteiligung an Entscheidungsfindungen, einschließlich der Politikgestaltung, zu garantieren und Gesetzgebungsverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit durchzuführen. Für Usman Hamid, Exekutivdirektor von Amnesty International Indonesien, widerspricht der Entstehungsprozess sowohl indonesischen als auch internationalen menschenrechtlichen Grundprinzipen.

Nicht zuletzt wird die Aushöhlung des Autonomiegesetzes befürchtet. Der Entwurf sieht vor entscheidende Genehmigungsverfahren in Jakarta zu zentralisieren und die Entscheidungsmacht regionaler Behörden zu schwächen. In der Praxis soll die Entscheidungsgewalt über die Landzuweisung von den Lokalregierungen auf die Zentralregierung übertragen und die Verwaltung der Stromversorgung wieder auf staatliche Unternehmen verlagert werden. Eine solche Rezentralisierung führt zu einer Umkehr der während der Demokratisierung mühsam erkämpften Stärkung der Regionen. Diese Beschneidung der bereits in den Anfängen der Demokratisierung mühsam errungenen Stärkung der Regionen, erscheint nicht nur Umweltschützer*innen und Indigenenvertreter*innen wie eine Rückkehr in die Zeiten, in denen eine ausgewählte Riege von regierungstreuen Oligarchen, gemeinsam mit Militärs und der politischen Elite, mit der Kanalisierung von Naturschätzen und Erträgen nach Jakarta, quasi alle Regionen außerhalb Javas ausgeblutet haben.

Prekarisierung der Arbeit und Umweltzerstörung

Die geplanten Eingriffe in das Arbeitsrecht tragen zu weitreichender Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen bei und nehmen Arbeitgeber*innen in etlichen Bereichen aus der Pflicht. Würden sie rechtskräftig, wären Arbeitssicherheit, betriebliche Sozialleistungen und die Aussicht auf faire Löhne drastisch reduziert. Zu den einschlägigen Bestimmungen gehört beispielsweise die Umstellung des Lohnsystems auf ein Stundenlohnsystem, was zwangsläufig zu Änderungen der bestehenden Mindestlohnvorschriften führen wird, sprich: die Reduzierung von Mindestlöhnen. Andere sind darauf ausgelegt, die maximale Wochenarbeitszeit und das Überstundenkontingent zu erhöhen. Die allgemeinen Ansprüche auf Abfindungszahlungen, die über eine Grundversorgung hinausgehen, werden entweder reduziert oder ganz gestrichen. Die geplante Aufhebung jeglicher Einschränkungen für Leiharbeit und der regionalen Mindestlöhne in arbeitsintensiven Industrien lässt nicht nur Lohndumping und Einkommensunsicherheit, sondern auch eine Verschärfung der hire-und-fire-Mentalität erwarten. Im Übrigen sollen bezahlte Sonderurlaubstage, wie sie z.B. für Heirat oder Todesfälle existieren, komplett abgeschafft werden. Die bisherige Verpflichtung für Unternehmen, bezahlten Mutterschutz zu gewährleisten, soll abgeschafft werden. Eine Ersatzleistung ist nicht in Sicht.

Der Entwurf sieht ebenfalls vor, bestehende Umweltschutz- und Umweltmanagementstandards obsolet zu machen. Seit der Einführung von Artikel 23 des Gesetzes 32/2009 über Umweltschutz und Umweltmanagement ist für alle Geschäftstätigkeiten, die Auswirkungen auf die natürliche Landschaft, das soziokulturelle Leben oder die Erhaltung des kulturelles Erbes haben, eine Umweltverträglichkeitsprüfung (AMDAL) erforderlich. Geht es nach dem Gesetzesentwurf wäre dieser Standard auf Unternehmen beschränkt, die “bedeutende Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur” haben. Welche dies sind, soll durch eine weitere, nicht näher definierte staatliche Verordnung festgelegt werden. Darüber hinaus würde die geplante Änderung von Artikel 26 des Umweltschutzgesetzes die Möglichkeit der betroffenen Gemeinden einschränken, auf der Grundlage der AMDAL-Vorgaben Berufung einzulegen. Umweltverträglichkeitsprüfungen durch unabhängige Gutachter*innen sollen ebenfalls abgeschafft werden.

Diese Eingriffe stellen nicht nur eine Bedrohung für die natürlichen Ressourcen, sondern auch für die indigenen Bevölkerungen dar. Der internationale Standard und Rechtsrahmen für Umweltverträglichkeitsprüfungen, dem auch Indonesien folgt, garantiert das Prinzip der freien, vorherigen informierten Zustimmung (FPIC) beim Schutz und der Förderung der Rechte indigener Völker. Die Änderungen führen zu dessen faktischer Abschaffung.

Der Omnibus fährt im Schatten der Covid-Krise

Seit Mitte Februar 2020 haben indonesische Gewerkschaften und soziale Bewegungen mehrere Proteste in verschiedenen indonesischen Großstädten, wie Jakarta, Surabaya, Yogyakarta und Medan, abgehalten. Für 23. März 2020 riefen die Gewerkschaften zu einem landesweiten Streik auf, dem sich schätzungsweise 50.000 Beschäftigte angeschlossen hätten. Der Streik fand jedoch nicht statt, da das Repräsentantenhaus (DPR) seine für denselben Tag geplante Sitzung zur Erörterung des Gesetzentwurfs kurzfristig absagte.

Vor dem Hintergrund weitreichender Versammlungseinschränkungen aufgrund der Covid-Krise hielt die DPR am 14. April 2020 überraschenderweise eine Plenarsitzung zur Erörterung des Entwurfs ab. Da Jakarta eine Politik der groß angelegten sozialen Restriktionen (PSBB) verfolgt, die die Zahl der Menschen, die sich in einem öffentlichen Raum versammeln können, begrenzt, war es Gewerkschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Bündnissen nicht möglich, ihren Widerstand durch einen organisierten Massenprotest zum Ausdruck bringen.

Obwohl Jokowi vor kurzem angekündigt hat, die Entscheidung über die arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Gesetzentwurfs bis zum Ende der Covid-Krise zu verschieben, bleibt unklar, ob das Parlament wie geplant im Juni über dessen übrigen Bestandteile abstimmen wird. Da der Entwurf bereits in den Beratungsprozess eingetreten ist, der laut Gesetz 100 Tage nicht überschreiten darf, bleibt offen, was den Präsidenten rechtlich zu einer Aufschiebung ermächtigt und wer letztlich den Endzeitpunkt der Krise festlegen wird. Dabei könnte das Eingangs geschilderte Gebaren des Repräsentantenhauses, Anhörungen unter Ausschluss kritischer Stimmen weiterzuführen, wenn vielleicht nicht unbedingt auf ein Scheinmanöver Jokowis, so doch auf eine Einflussübermacht der Befürworter*innen hindeuten.  

Last but not least muss gefragt werden, ob das Omnibusgesetz die indonesische Wirtschaftsentwicklung tatsächlich voranbringen und Investitionen fördern würde. In einer Expert*innebefragung des Weltwirtschaftsforums (WEF 2017 -2018) bewerteten internationale Unternehmensmanager*innen 16 Faktoren, die Hindernissen für das Investitionsklima in Indonesien darstellen. Korruption wird als Haupthindernis genannt, gefolgt von bürokratischer Ineffizienz, Zugang zu Finanzmitteln, unzureichender Infrastruktur sowie politischer Instabilität und Instabilität der Regierung. Man mag internationalen Wirtschaftsvertreter*innen nicht uneingeschränkt folgen, zumal sie nicht selten eine ähnliche Agenda vertreten wie es das Omnibusgesetz repräsentiert. Dass Indonesien ein gravierendes Korruptionsproblem hat – vor allem eines der politischen Korruption – an dem Vertreter*innen der oberen Ränge aus Politik, Wirtschaft und Militär sowie die Bürokratie im großen Stil partizipieren, ist jedoch kein Geheimnis. Erst im September 2019 allerdings stutze die Regierung Jokowi der im Zuge der Demokratisierung 2003 geschaffenen und erfolgreich arbeitenden Antikorruptionskommission soweit die Flügel, dass deren Bedeutungsverlust absehbar ist. Es fragt sich, wie das Omnibusgesetz, das ja allen Verlautbarungen nach das Investitionsklima öffnen soll, die Korruptionshürde zu überspringen vermögen könnte.

Letztlich wurde das „Omnibusgesetz zur Schaffung von Arbeitsplätzen“ maßgeblich von einflussreichen Wirtschaftsplayern gestaltet. Allem Anschein nach bedient es in großen Teilen deren (kurzfristigen?) Markt- und Machtinteressen. Man wird den Verdacht nicht los, dass Jakarta volle Fahrt im Rückwärtsgang der Geschichte die Oligarchen wieder zu einem Bankett am grünen Tisch geladen hat.

*Unter Mitarbeit von Novidia

Fotoquellen nach Reihenfolge:
Leona Pröpper, Watch Indonesia!;  Konfederasi Serikat Pekerja Seluruh Indonesia (KSPSI); Konfederasi Persatuan Buruh Indonesia (KPBI)

 

Weiterführende Links:

https://www.thejakartapost.com/news/2020/02/21/guide-to-omnibus-bill-on-job-creation-1028-pages-in-8-minutes.html

https://www.thejakartapost.com/academia/2020/03/05/making-omnibus-law-in-time-of-coronavirus.html

https://www.bwint.org/de_DE/cms/aktuelles-72/indonesische-bauarbeiter-protestieren-gegen-omnibus-gesetz-1626

https://www.westpapuanetz.de/aktuelles/1566-jokowis-omnibusgesetz-fuer-die-schaffung-von-arbeitsplaetzen-kritiker-befuerchten-weitreichende-folgen-fuer-westpapua

https://suedostasien.net/indonesien-profit-geht-vor-umweltschutz-teil-i/


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1 Comment

  1. […] „Das Omni­bus­ge­setz zur Schaf­fung von Arbeits­plät­zen: Wirt­schafts­wachs­tum zuerst… stell­te das Geset­zes­pa­ket fol­gen­der­ma­ßen zusam­men­fas­send vor: „… Nach allen ver­wal­tungs­recht­li­chen Stan­dards ist es zumin­dest frag­lich ob, das Omni­bus­ge­setz über­haupt als Gesetz bezeich­net wer­den kann und sich, eben­falls gemes­sen an die­sen Stan­dards, für eine Abstim­mung über­haupt qua­li­fi­zie­ren dürf­te. Anders als die weit­hin aner­kann­te Defi­ni­ti­on eines Geset­zes, schafft es näm­lich kei­ne neu­en Bestim­mun­gen, son­dern ändert ledig­lich bestehen­de. Über­dies ermäch­tigt Arti­kel 170 des Ent­wurfs die Regie­rung dazu, künf­tig jedes bestehen­de Gesetz zu ändern, das sie als Hin­der­nis für ihrer Stra­te­gien zur Schaf­fung von Arbeits­plät­zen erach­tet. Jen­seits die­ser (for­ma­len) Uneben­hei­ten, erscheint das Omni­bus­ge­setz im Wesent­li­chen als ein – übri­gens eben­so in auto­ri­tä­ren Sys­te­men belieb­tes – Instru­ment, Mehr­hei­ten im Par­la­ment auch gegen die Über­zeu­gung der Mehr­heit der Abge­ord­ne­ten zu orga­ni­sie­ren – Mehr­hei­ten, die bei Ein­zel­ab­stim­mun­gen mög­li­cher­wei­se nicht zustan­de kämen. Dar­über hin­aus fehl­te es an öffent­li­cher Trans­pa­renz. Die Regie­rung hat es ver­säumt, das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren für legi­ti­me und rele­van­te Inter­es­sen­grup­pen zu öff­nen. So rich­te­te Air­lang­ga Hartarto, der koor­di­nie­ren­de Wirt­schafts­mi­nis­ter, im Rah­men der öffent­li­chen Kon­sul­ta­ti­on zum im Dezem­ber 2019 zwar eine Arbeits­grup­pe ein. Unter den ins­ge­samt 127 Arbeits­grup­pen­mit­glie­dern fan­den sich jedoch vor allem Wirt­schafts­ak­teu­re und Vertreter*innen von Unter­neh­mens­kon­glo­me­ra­ten. Ähn­lich ein­sei­tig gestal­tet sich die Ergän­zung der im Ent­wurf gelis­te­ten Inves­ti­ti­ons­hin­der­nis­se, für die die indo­ne­si­sche Han­dels­kam­mer (KADIN) beauf­tragt wur­de. Die­se fiel in der Ver­gan­gen­heit mehr­fach durch arbeit­neh­mer­feind­li­che Posi­tio­nen auf – unter ande­rem sprach sie sich gegen die Anhe­bung von Min­dest­löh­nen aus. Die Arbeiter*innenbewegung, Demo­kra­tie- und Men­schen­rechts­grup­pen sowie Umwelt­ver­bän­de haben die Heim­lich­keit, mit der der Ent­wurf dem Par­la­ment vor­ge­legt wur­de sowie die man­geln­de Betei­li­gung der Öffent­lich­keit immer wie­der scharf kri­ti­siert. Eine sol­che Vor­ge­hens­wei­se steht auch in Wider­spruch zu Indo­ne­si­ens men­schen­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen. Arti­kel 25 des Inter­na­tio­na­len Pakts über bür­ger­li­che und poli­ti­sche Rech­te, den Indo­ne­si­en 2006 unter­zeich­net hat, ver­pflich­tet die indo­ne­si­sche Regie­rung das Recht der Bürger*innen auf Betei­li­gung an Ent­schei­dungs­fin­dun­gen, ein­schließ­lich der Poli­tik­ge­stal­tung, zu garan­tie­ren und Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren unter Betei­li­gung der Öffent­lich­keit durch­zu­füh­ren. Für Usman Hamid, Exe­ku­tiv­di­rek­tor von Amnes­ty Inter­na­tio­nal Indo­ne­si­en, wider­spricht der Ent­ste­hungs­pro­zess sowohl indo­ne­si­schen als auch inter­na­tio­na­len men­schen­recht­li­chen Grund­prin­zi­pen. Nicht zuletzt wird die Aus­höh­lung des Auto­no­mie­ge­set­zes befürch­tet. Der Ent­wurf sieht vor ent­schei­den­de Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren in Jakar­ta zu zen­tra­li­sie­ren und die Ent­schei­dungs­macht regio­na­ler Behör­den zu schwä­chen. In der Pra­xis soll die Ent­schei­dungs­ge­walt über die Land­zu­wei­sung von den Lokal­re­gie­run­gen auf die Zen­tral­re­gie­rung über­tra­gen und die Ver­wal­tung der Strom­ver­sor­gung wie­der auf staat­li­che Unter­neh­men ver­la­gert wer­den. Eine sol­che Rezen­tra­li­sie­rung führt zu einer Umkehr der wäh­rend der Demo­kra­ti­sie­rung müh­sam erkämpf­ten Stär­kung der Regio­nen. Die­se Beschnei­dung der bereits in den Anfän­gen der Demo­kra­ti­sie­rung müh­sam errun­ge­nen Stär­kung der Regio­nen, erscheint nicht nur Umweltschützer*innen und Indigenenvertreter*innen wie eine Rück­kehr in die Zei­ten, in denen eine aus­ge­wähl­te Rie­ge von regie­rungs­treu­en Olig­ar­chen, gemein­sam mit Mili­tärs und der poli­ti­schen Eli­te, mit der Kana­li­sie­rung von Natur­schät­zen und Erträ­gen nach Jakar­ta, qua­si alle Regio­nen außer­halb Javas aus­ge­blu­tet haben. Die geplan­ten Ein­grif­fe in das Arbeits­recht tra­gen zu weit­rei­chen­der Pre­ka­ri­sie­rung von Arbeits­ver­hält­nis­sen bei und neh­men Arbeitgeber*innen in etli­chen Berei­chen aus der Pflicht. Wür­den sie rechts­kräf­tig, wären Arbeits­si­cher­heit, betrieb­li­che Sozi­al­leis­tun­gen und die Aus­sicht auf fai­re Löh­ne dras­tisch redu­ziert. Zu den ein­schlä­gi­gen Bestim­mun­gen gehört bei­spiels­wei­se die Umstel­lung des Lohn­sys­tems auf ein Stun­den­lohn­sys­tem, was zwangs­läu­fig zu Ände­run­gen der bestehen­den Min­dest­lohn­vor­schrif­ten füh­ren wird, sprich: die Redu­zie­rung von Min­dest­löh­nen. Ande­re sind dar­auf aus­ge­legt, die maxi­ma­le Wochen­ar­beits­zeit und das Über­stun­den­kon­tin­gent zu erhö­hen. Die all­ge­mei­nen Ansprü­che auf Abfin­dungs­zah­lun­gen, die über eine Grund­ver­sor­gung hin­aus­ge­hen, wer­den ent­we­der redu­ziert oder ganz gestri­chen. Die geplan­te Auf­he­bung jeg­li­cher Ein­schrän­kun­gen für Leih­ar­beit und der regio­na­len Min­dest­löh­ne in arbeits­in­ten­si­ven Indus­trien lässt nicht nur Lohn­dum­ping und Ein­kom­mens­un­si­cher­heit, son­dern auch eine Ver­schär­fung der hire-und-fire-Men­ta­li­tät erwar­ten. Im Übri­gen sol­len bezahl­te Son­der­ur­laubs­ta­ge, wie sie z.B. für Hei­rat oder Todes­fäl­le exis­tie­ren, kom­plett abge­schafft wer­den. Die bis­he­ri­ge Ver­pflich­tung für Unter­neh­men, bezahl­ten Mut­ter­schutz zu gewähr­leis­ten, soll abge­schafft wer­den. Eine Ersatz­leis­tung ist nicht in Sicht. Der Ent­wurf sieht eben­falls vor, bestehen­de Umwelt­schutz- und Umwelt­ma­nage­ment­stan­dards obso­let zu machen…“ […]


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