Milizen halten 150 Beobachter in Osttimor fest

Berliner Zeitung, 01. September 1999

Trotz Unruhen Mehrheit für Unabhängigkeit erwartet

BerlinerZeitungDILI, 31. August. Einen Tag nach der Volksabstimmung über Autonomie oder Unabhängigkeit in Osttimor hat sich die Spannung in der früheren portugiesischen Kolonie wieder verschärft. Pro-indonesische Milizen hielten in Gleno im Bezirk Ermera rund 150 internationale Beobachter und UN-Mitarbeiter zeitweise fest, die erst am Dienstagabend (Ortszeit) die Hauptstadt Dili erreichten.

Die Vereinten Nationen dementierten, dass in der Region Ermera drei UN-Mitarbeiter getötet worden seien. Zwei Angestellte würden aber noch vermisst, erklärte die Mission in Osttimor. Am Montag war dort nach der weitgehend friedlich verlaufenen Abstimmung über Autonomie oder Unabhängigkeit Osttimors ein Lehrer getötet worden.

Die Wahlbeteiligung betrug nach UN-Angaben 98,6 Prozent. Dies wird als klares Zeichen dafür gewertet, dass eine breite Mehrheit der 450.000 stimmberechtigten Osttimorer für eine Loslösung von Indonesien votiert hat. Das Ergebnis soll am 7. September veröffentlicht werden. Einer Abspaltung Osttimors müsste die „Beratende Volksversammlung“ zustimmen, die im November zusammentritt.

Am Dienstag errichteten die Milizen vielerorts Straßensperren und patrouillierten mit Gewehren und Macheten in den Straßen von Dili. Zeitweise blockierten sie auch den Zugang zum Flughafen und zum Seehafen von Dili. „Es brennt an vielen Ecken“, erklärte der deutsche Wahlbeobachter Volker Stapke in Dili. „Wir erwarten mehrere Überfälle.“ Wie in Ermera hätten auch aus zwei weiteren Orten bereits internationale Teams evakuiert werden müssen.

Aufruf zur Versöhnung

Für ausländische Beobachter und UN-Mitarbeiter sei „Krisenmanagement“ notwendig. Am meisten bedroht seien aber Einheimische, die für die UN tätig seien. Nach Angaben des britischen Rundfunksenders BBC sah die indonesische Polizei dem Treiben der Milizen tatenlos zu. Milizenführer hätten zudem angekündigt, ein geplantes Versöhnungstreffen der UN zu boykottieren. Die Vereinten Nationen haben keine Pläne für eine internationale Friedenstruppe für Osttimor, falls die Gewalt weiter eskaliert. Am Morgen hatte die UN-Mission Gegner und Befürworter der Unabhängigkeit zur Versöhnung aufgerufen.

Die Wahlurnen wurden am Dienstag nach Dili transportiert, wo die Stimmen zentral ausgezählt werden sollen. Ergebnisse von einzelnen Distrikten sollen nicht bekannt gegeben werden, um Racheakte zu verhindern. Indonesiens Außenminister Ali Alatas lobte den Ablauf des Referendums. „Es war friedlich, und deshalb hoffe ich, dass niemand behaupten wird, es sei nicht frei oder fair oder friedlich zugegangen, wenn die Ergebnisse verkündet werden“, sagte er.

Der Volksabstimmung waren wochenlange blutige Konflikte vorausgegangen. Pro-indonesische Milizen hatten Zivilisten überfallen, getötet und sie vor der Teilnahme an dem Referendum gewarnt. Tausende flüchteten vor dem Terror aus ihren Dörfern in die Berge.

Die Osthälfte der Insel Timor war mehr als 400 Jahre lang portugiesische Kolonie. Nach deren Abzug wurde sie 1975 von Indonesien besetzt und später annektiert. Friedliche Proteste und bewaffneter Widerstand gegen die Annexion wurden brutal unterdrückt. (epd)


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