Information und Analyse

»Ihrer Ansicht zu Indonesien«

Watch Indonesia! – Information und Analyse, 04. November 2017

Umfrage: Indonesiens Regierung will am Image des Landes arbeiten. Doch schon im Ansatz geht der Versuch in die Hose.

von Alex Flor

35»Ihrer Ansicht zu Indonesien: Die Regierung von Indonesien führt derzeit eine Umfrage durch, um zu erfahren, wie Indonesien momentan von der Welt betrachtet wird. Diese Befragung dient nur zu wissenschaftliche -bzw. Forschungszwecken. Bereitgestellten Informationen werden nicht die Befragten in keiner Weise beeinträchtigt.«
So hieß es in schlechtem Deutsch in einem Fragebogen, der kürzlich über den Verteiler der Abteilung für Presse, Soziale- und Kulturelle Angelegenheiten der indonesischen Botschaft in Berlin verschickt wurde. Um es vorweg zu schicken: es ist nicht meine Absicht, diese Abteilung für die Befragung verantwortlich zu machen, denn wahrscheinlich spielte sie nur den »Briefträger« zur Verbreitung dieser auf höherer Ebene angestoßenen Umfrage.

Begrüßenswert ist, dass sich die indonesische Regierung offenbar um ihr internationales Image sorgt und versucht Bereiche zu identifizieren, in denen Verbesserungen vorgenommen werden sollten. Es ist allerdings völlig offen, ob gewonnene Erkenntnisse auch dazu führen an den Ursachen anzupacken oder nur Anlass für eine Aufpolierung der Außendarstellung sein werden. Wenn überhaupt. Es wäre nämlich auch keine Ausnahme, wenn die Evaluierung völlig unbeachtet in den Schubladen der Behörden landet und dort verschimmelt. Es kommt öfter vor, dass jemand eine gute Idee ins Spiel bringt, eine Behörde Geld zu deren Realisierung bereit stellt und jemand mit guten Kontakten sich als Durchführende/r des Projektes anbietet …

Bereits ein erster Blick auf die oben zitierte Einleitung des Fragebogens lässt jedenfalls Zweifel an der Seriosität dieser Umfrage aufkommen: stand denn für so eine wichtige Aufgabe keine deutsche MuttersprachlerIn zur Verfügung, die hätte verhindern können, dass dieser kurze Text voller grammatikalischer Fehler ist, die sich sogar bereits in der Überschrift finden? Bereits solche Kleinigkeiten sind nicht unwichtig für eine gelungene Imagepflege. Die Befragten könnten dadurch den Eindruck gewinnen, dass dieses Projekt nicht sonderlich ernst genommen wird. Wer sich nicht um KorrekturleserInnen bemüht, der wird auch mit den Ergebnissen der Umfrage nicht zu einer wahrnehmbaren Veränderung beitragen.

»Wissen Sie über Indonesien?« Welches Licht auf die Wissenschaft und Forschung, denen die Umfrage dienen soll, wirft eine solche Frage? Als Grundschüler, der Indonesien spontan auf der Weltkarte lokalisieren konnte, hätte ich diese Frage zweifelsohne mit »ja« beantwortet. Erst recht einige Jahre später als Schüler der Sekundarstufe, der zusätzlich wusste, dass Indonesien einst ein ehemaliges Kolonialgebiet der Niederlande war, seinerzeit durch einen Diktator namens Suharto regiert wurde und völkerrechtswidrig Osttimor besetzt hatte. Heute, nach fast 30 Jahren täglicher intensiver Befassung mit Indonesien, die längst zu meinem Beruf geworden ist, wäre ich mit der Antwort zögerlicher.
Ich weiß vieles. Zum Leidwesen mancher indonesischer StaatsbürgerInnen vielleicht mehr als sie selbst. Aber »weiß ich über Indonesien«? Was immer diese Frage bedeuten mag: ich habe heute sicher mehr offene Fragen als zu meiner Zeit als Grundschüler.

Sehen wir uns einige weitere Fragen an. »Wie erhalten sie informationen über Indonesien? Zutreffendes bitte ankreuzen:« (sic!) Erste Auswahlmöglichkeit: »durch den Kauf von indonesischen Produkten«. Alternativ die zweite: »aus Zeitschriften/Büchern/Internet/Fernseher bzw. anderen Medien« (sic!) und die dritte: »Sonstiges«.
Erstaunlich! Der Kauf von Produkten des Landes als Informationsmedium …  Was lernt die KäuferIn eines Smartphones von Samsung über Südkorea? Und wie viel Landeskunde über Italien vermittelt sich einem Milliardär in Jakarta, wenn er sich aus Statusgründen einen Ferrari ins Wohnzimmer stellt? (Draußen fahren kann er ja nicht, wg. Stau.)

Der Fragebogen reißt einige Themen an, die nicht nur für das Image Indonesiens im Ausland, sondern vor allem auch für die BürgerInnen des Staates selbst sowie für die Wirtschaft des Landes von Bedeutung sind: religiöse Toleranz, Demokratie, Tourismus und Lebensqualität. Die Fragen nach religiöser Toleranz und demokratischer Verfasstheit dürfen als ein Zeichen gedeutet werden, dass sich Indonesien in diesen Bereichen heftiger Kritik ausgesetzt fühlt und die Notwendigkeit verspürt darauf zu reagieren. Vorzugsweise durch aalglatte Antworten ahnungsloser Touristen und Businessleute. Denn selbige dürften neben den eigenen StaatsbürgerInnen die Mehrzahl der EmpfängerInnen des Fragebogens darstellen.

Nicht gefragt wurde nach gleichermaßen bedeutenden Problemen wie Rechtssicherheit, der Wahrung der Menschenrechte von Indigenen in Papua oder sexuellen Minderheiten (LGBT). Völlig außen vor bleiben auch Fragen nach Umwelt, Klima und traditionellen Landrechten. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die massive Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die immense Klimabelastung durch Palmölplantagen, Waldbrände, großflächige Bergbauprojekte sowie die geplante Expansion der Energiegewinnung durch Kohlekraftwerke massiv zum Imageverlust Indonesiens beitragen. Vielleicht wurde danach nicht gefragt, weil Probleme und Kritik allzu offensichtlich auf der Hand liegen? Wäre es aber dann nicht ein viel versprechender Ansatz gewesen, gezielt nach Lösungen dieser Probleme zu suchen, anstatt mit anderen Themen eine neue Imagekampagne zu starten?

Eine Umfrage, die für sich beansprucht der Wissenschaft zu dienen, muss eindeutige Fragen stellen. Eindeutig genug, um die Antworten richtig bewerten zu können. Wenn ich gefragt werde, ob die Integration von Flüchtlingen und insbesondere der Muslime unter ihnen ein vordringliches Thema der deutschen Regierungspolitik sein sollte, dann müsste ich mit »ja« antworten. Dennoch verweigere ich in solchen Fällen die Aussage.
Warum? Ganz einfach deshalb, weil meine Antwort auf eine so pauschal gestellte Frage in jede beliebige Richtung interpretiert werden kann. Die einen werden daraus schließen: »Deutschland hat noch immer Nachholbedarf bezüglich der Integration von Flüchtlingen muslimischer Herkunft«. Aber andere werden schreiben: »soundsoviel Prozent der Deutschen sehen in der Einwanderung von muslimischen Flüchtlingen ein Problem«. Wenn die Frage nicht wissenschaftlich präzise gestellt wurde, besteht die Gefahr, dass meine Antwort ins Gegenteil dessen, was ich zum Ausdruck bringen wollte, ausgelegt wird.

Im wissenschaftlichen Kontext verbieten sich daher auch mit UND oder ODER verknüpfte Fragen, wie beipielsweise diese: stimmen Sie der Aussage zu: »Indonesien hat eine vielfaltige und tolerante Gesellschaft« (sic!)  
Auf jeden Fall hat Indonesien eine vielfältige Gesellschaft! Aber ist sie auch tolerant? Und wenn sie in überwiegendem Maße noch tolerant sein sollte, welche Möglichkeit bietet die Beantwortung dieser Frage, um auf die zunehmende Radikalisierung gewaltbereiter Minderheiten und deren Duldung durch staatliche Organe hinzuweisen?

»Indonesien ist ein guter Ort, um Geschäfte zu betreiben«. Die Antwortmöglichkeiten reichen von »Ich stimme völlig zu« bis zu »Ich stimme überhaupt nicht zu«. Welche Art von Geschäften ist hier gemeint? Und was schließen wir daraus, falls ein deutscher Konzernmanager und ein Drogendealer dieselbe Antwort geben sollten?

»Indonesien hat eine übersichtliche Einwanderungsregelung«. Auch US-Präsident Donald Trump strebt eine »übersichtliche Einwanderungsregelung« an, derzufolge Menschen muslimischen Glaubens aus bestimmten Staaten unter Generalverdacht gestellt und an der Einreise in die USA gehindert werden sollen. Das ist freilich inakzeptabel. Aber es erfüllt bestens das Kriterium der »Übersichtlichkeit« des vorliegenden Fragebogens und müsste ohne jeden Zweifel mit »stimme voll zu« beantwortet werden.

Überspringen wir gerne die Bewertung der allzu pauschalen Aussage: »Indonesier sind freundlich und hilfsbereit«. Es sind einfach Menschen wie alle anderen auch. Manchmal gut, manchmal schlecht drauf. Vor allem auf Java von Kind auf darauf trainiert, immer freundlich zu sein und Gefühle nie nach außen zu tragen. Wie kommt es, dass ausgerechnet Menschen aus Java in anderen Regionen des Staates als aggressiv und dominant empfunden werden?

Den absoluten Knaller der Umfrage stellt die letzte Frage dar: »Indonesier sind fleißige Arbeiter und widerstandsfähig«. Anders formuliert: »wir laden ausländische Unternehmen herzlich ein, jederzeit von der billigen Verfügbarkeit unserer Arbeitskräfte Gebrauch zu machen!«

Mittlerweile ist die Befragung abgeschlossen. 50 Menschen haben daran teilgenommen. Die Ergebnisse können unter folgener Adresse eingesehen werden:

https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSfeg7erpr4aDntI85H5rqaBrR7sOmeeMycwMPSL4XNZ4pP7Jg/viewanalytics

Beeindruckendes Zeugnis der Wissenschaftlichkeit ist gleich die erste Grafik dieser Auswertung. Demnach gaben als ihren Wohnsitz an:

49% Deutschland
28,6% Germany
4,1% germany
4,1% Berlin
2% 13589 Berlin, Frankenwaldstr. 16
2% BRD
2% Deustchland
2% Deutschland
2% Deutschland/Jerman
2% jerman
2% Indonesien

Staatsangehoerigkeit
Keine andere mir bislang zu Augen gekommene Erhebung unterscheidet derart genau demographische Merkmale der Befragten. Möge es der Wissenschaft dienen!

Rundum eine hervorragend gelungene Initiative zur Imageverbesserung Indonesiens. Fehlt nur noch der Glaube an den Willen zur Veränderung.


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