Presseerklaerung

Waigel setzt die falschen Zeichen

Berlin, 19. Februar 1998

Die bundesdeutsche Politik fällt dem IWF in den Rücken – das Gebot der Stunde wäre ein beherztes Einschreiten gegen Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Vetternwirtschaft

Finanzminister Theo Waigel übte bei seinem gestrigen Besuch des angeschlagenen indonesischen Diktators Suharto nur halbherzige Kritik an dessen Finanzpolitik. Ungeachtet der offenkundigen Weigerung Suhartos, in dem von Korruption und Vetternwirtschaft geprägten Land politische und wirtschaftliche Reformen durchzuführen, versprach Waigel der indonesischen Regierung weitere Finanzhilfen durch die Bundesrepublik.

Der künftige Vizepräsident Habibie – the „german boy“

Bei seiner Ankunft in Jakarta wurde Waigel von Indonesiens Forschungs- und Technologieminister Habibie begrüßt, der in Kreisen der deutschen Wirtschaft und Politik seit vielen Jahren als besonderer Freund gehandelt wird. Erst vor wenigen Monaten wurde Habibie im Bonner Kanzleramt das Großkreuz verliehen – die höchste Auszeichnung, die das Protokoll für ausländische Politiker vorsieht. Habibie, der nach einer steilen Karriere beim deutschen Rüstungskonzern MBB in Indonesien zum Minister berufen wurde, zeichnete für zahllose deutsch-indonesische Kooperationsabkommen verantwortlich. Wegen des Kaufs von 39 Kriegsschiffen der ehemaligen NVA-Flotte wurde Habibie 1994 im eigenen Land so heftig angegriffen, daß seine Position nur durch das Verbot dreier führender Zeitschriften, die darüber berichtet hatten, gerettet werden konnte. Habibie hat neben seinem Ministeramt die Aufsicht über 10 sogenannte „strategische Industrieunternehmen“ inne, die inzwischen als Sinnbild für die verfehlte Wirtschaftspolitik Indonesiens gelten. Während 1997 weltweit über die verheerenden Waldbrände in Indonesien berichtet wurde, durfte Habibie seiner Flugzeugfirma IPTN mit mehreren Millionen nicht rückzuzahlender Zuschüsse aus dem Wiederaufforstungsfonds der Regierung aus einer akuten Liquiditätskrise helfen.

Folgerichtig ließ die vor wenigen Tagen erfolgte trotzige Ankündigung Suhartos, Habibie im März zum Vizepräsidenten zu machen, den Kurs der indonesischen Währung auf ein neues Zwischentief fallen. Die internationale Finanzwelt sieht in Habibie – neben dem Präsidenten selbst – einen der wichtigsten Repräsentanten der wirtschaftlichen und politischen Strukturen, die als Ursache der schweren Wirtschaftskrise gewertet werden. Sollten die bisherigen militärischen oder zivilen Eliten an der Macht bleiben, wird sich an diesen Strukturen nichts Grundlegendes ändern. Doch wie es scheint, räumt die Bundesregierung den eigenen nationalen Interessen, nämlich den guten Wirtschaftskontakten zu eben diesen Eliten, eine höhere Priorität ein als dem Stabilitätsdenken von Gremien wie dem internationalen Währungsfonds, an dem sie nicht unwesentlich beteiligt ist.

Ethnische Chinesen werden zu Sündenböcken gemacht

Während das private Vermögen von Präsident Suharto und seiner Familie auf mindestens 16 Milliarden Dollar geschätzt wird (Forbes, Juli 1997) zieht die derzeitige Wirtschaftskrise Indonesiens vor allem die ärmeren Schichten in Mitleidenschaft. Die Lebensmittelpreise sind um ein Vielfaches gestiegen, viele Waren sind nicht mehr im Handel erhältlich. Hamsterkäufe und Massenunruhen, bei denen jüngst 5 Menschen ums Leben kamen, kennzeichnen die Lage. Mit subtiler Propaganda verstehen es Regierung und Militär, den Zorn der Menschen auf die im Handel dominierende chinesisch-stämmige Minderheit zu lenken, die nun als Sündenböcke für die verfehlte Regierungspolitik herhalten müssen. Ethnische Chinesen sind die Hauptopfer der jüngsten Unruhen.

Zunehmende Repression

Angesichts der damals vorliegenden Wirtschaftsdaten hat der Regimekritiker Dr. Sri-Bintang Pamungkas bereits 1995 bei einem Deutschlandbesuch vor den drohenden Folgen einer Währungskrise wie seinerzeit in Mexiko gewarnt. Anstatt seine Warnungen ernst zu nehmen, ließ ihn das Suharto-Regime kurze Zeit später ins Gefängnis sperren. Nun, da sich Sri-Bintangs Vorhersagen bewahrheitet haben, reagiert die Regierung mit verstärkten Repressalien gegen Oppositionelle. Das Militär erließ einen Schießbefehl auf „Unruhestifter“ und in der Hauptstadt Jakarta wurden zunächst befristet bis eine Woche nach der im März anstehenden Wieder“wahl“ von Präsident Suharto gleich sämtliche Demonstrationen, Seminare oder sonstigen politischen Veranstaltungen verboten. Mit Bezug auf die „Wahl“ warnte der abtretende Chef der Steitkräfte, Feisal Tanjung, jede oppositionelle Gruppe würde ausgeschaltet werden. Presse und Wirtschaftsfachleute wurden verwarnt, weil sie allzu offen über die Krise berichteten. Zahlreiche Anhänger der Demokratiebewegung wurden verhaftet, mindestens zwei sind seit Anfang Februar spurlos verschwunden. Telefongespräche sowie die Kommunikation über Telefax und e-mail werden massiv überwacht bzw. unterbunden.

Die Repressionsmaßnahmen der Regierung richten sich nicht nur gegen politische Gegner. Der diese Woche zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte beförderte General Wiranto warnte, gegen die Hortung von Nahrungsmitteln könne das Anti – Subversionsgesetz angewandt werden, auf das im Höchstfall die Todesstrafe steht. Die inzwischen alltäglich gewordenen gewaltsamen Übergriffe auf die chinesisch-stämmige Bevölkerungsruppe wurden dagegen bislang nicht offiziell problematisiert.

Politische Reformen sind Voraussetzung für Wiederaufschwung

Jahrelang wurden die asiatischen „Tigerstaaten“ wegen ihres scheinbaren Erfolges von der internationalen Finanzwelt großzügig mit Investitionen und Krediten versehen. Anstatt die banküblichen Sicherheiten vorzuweisen, genügte es indonesischen Unternehmen Optimismus in den ungebremsten Aufschwung zu vermitteln oder auf gute Beziehungen zur „First Family“ des Landes zu verweisen. Die oft als risikoscheu bezeichnete deutsche Wirtschaft zeichnete sich dabei keineswegs durch größere Vorsicht aus, sondern litt vielmehr unter dem Komplex, den bereits fahrenden Zug womöglich schon verpasst zu haben.

Unter der Last finanzieller Verluste bemüht sich die internationale Gemeinschaft nun vorrangig um die wirtschaftliche Stabilität Indonesiens, um zu retten, was zu retten ist. Während der IWF und die USA dabei mit der Maßgabe, die monopolistischen Wirtschaftsstrukturen zu brechen und mehr Transparenz zu schaffen, eher auf eine temporäre Unterstützung des alten Regimes setzen, scheinen Theo Waigel und die Bundesregierung auf die dauerhafte Fortsetzung der guten Beziehungen zu Suharto und Habibie zu bauen.

Auf der Strecke bleibt bei dieser Strategie die Einsicht, dass die Ursachen der Wirtschaftskrise eher politischer als rein ökonomischer Art sind. Die politischen Strukturen und insbesondere das Versagen der Kontrolle der Exekutive hat nicht nur Monopolbildungen, Korruption und Vetternwirtschaft sondern auch Menschenrechtsverletzungen und immense Demokratiedefizite möglich gemacht. Die Taktik der Lippenbekenntnisse und Scheinzugeständnisse der indonesischen Regierung funktioniert bis heute in der Menschenrechtspolitik Indonesiens und – wie sich jüngst zeigte – auch in der Wirtschaftspolitik, mit Auswirkungen auf die gesamte Region und weit darüber hinaus.

Deutschland und die internationale Gemeinschaft sollten endlich erkennen, dass es – auch im eigenen Interesse – ihre Aufgabe sein muss, einen Anteil zu leisten für den Schutz und die Wahrung der Menschenrechte, den sozialen Ausgleich und einen grundlegenden Aufbau demokratischer Strukturen unter einer neuen Regierung Indonesiens. Dazu gehören auch die Aufarbeitung früherer Menschenrechtsverletzungen und das Anliegen der Selbstbestimmung Osttimors.

Waigels Besuch hat hier die falschen Zeichen gesetzt. Die Rechnung werden die unter Mangel und Repression leidende indonesische Bevölkerung sowie nichtzuletzt die deutschen Steuerzahler zu begleichen haben. <>


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