Im Frausein beschnitten

junge Welt, 31. Januar 2014

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Terre des Femmes fordert zu diesjährigem Aktionstag weltweites Verbot weiblicher Genitalverstümmelung. Kampagne mit indonesischen Partnerinnen gestartet

Von Jana Frielinghaus

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Weltweit werden jedes Jahr drei Millionen Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt. Vermutlich rund 140 Millionen Frauen haben Klitoris- und Schamlippenamputationen, nicht wenige sogar das Zunähen der offenen Wunden bis auf eine kleine Öffnung, vielfach unter unhygienischen Bedingungen, erlitten. Soweit die bislang von der Weltgesundheitsorganisation geschätzte Zahl. Möglicherweise muß sie diese demnächst nach oben korrigieren. Denn nach Informationen der indonesischen Frauenorganisation »Kalyanamitra« und der Initiative Watch Indonesia! sind allein in dem ostasiatischen Land jedes Jahr zwei Millionen Mädchen von einer Verletzung der Klitoris betroffen. Dies berichtete Basilisa Dengen, Geschäftsführerin von Watch Indonesia!, am Donnerstag in Berlin. Gemeinsam mit dem deutschen Verband Terre des Femmes (TdF) startet die Organisation am 6. Februar, dem elften Internationalen Tag gegen Genitalverstümmelung, in der Bundesrepublik eine Unterschriftenaktion gegen die von Behörden und Regierung in dem Land verharmloste Praxis. Das Kabinett in Jakarta habe sowohl die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau und die Kinderrechtskonvention als auch die UN-Resolution zur Abschaffung der Genitalverstümmelung, kurz FGM (für Female Genital Mutilation), unterzeichnet und ratifiziert, betonte Dengen.

Bisher sei die Tatsache, daß FGM auch in vielen asiatischen und arabischen Ländern praktiziert wird, von den Vereinten Nationen kaum beachtet worden, sagte TdF-Expertin Katharina Kunze. Sie werde vielfach noch immer vor allem als »afrikanisches Problem« wahrgenommen. In bezug auf die Lage in Indonesien sei besonders besorgniserregend, daß das Gesundheitsministerium selbst eine Verordnung zur »richtigen«, medizinisch unbedenklichen Beschneidung bei Mädchen erlassen hat. Nach Angaben von Basilisa Dengen wird der Eingriff – meist eine Einritzung der Klitorisvorhaut – in 65 Prozent der Fälle bereits im Krankenhaus kurz nach der Geburt des Kindes vorgenommen, oft von Hebammen und Ärzten. Vielfach seien durch unzureichende Fähigkeiten der Ausführenden die Verletzungen größer als beabsichtigt. Die Aktivistin bezeichnete die »Medikalisierung« der FGM in Indonesien als wesentliches Problem. Dadurch werde der Bevölkerung suggeriert, der Eingriff sei ungefährlich.

Nach Einschätzung von Katharina Kunze von TdF zielt die weibliche Genitalverstümmelung bei aller Vielfalt der Formen, Anlässe und Begründungen weltweit darauf ab, daß »Frauen passiv, gehorsam und anspruchslos werden sollen«. Es werde so symbolisch bekräftigt, daß »Frausein als untergeordnete Kategorie« gelte. Deshalb müsse auch gegen »mildere Varianten« entschlossen vorgegangen werden. Auch bei diesen sei die Reduktion des weiblichen Lustempfindens und eine Diskriminierung beabsichtigt.

Die auch bei Jungen in Indonesien nahezu flächendeckend praktizierte Beschneidung werde mit der aktuellen Kampagne nicht thematisiert, da diese, anders als bei Mädchen, im Rahmen einer Zeremonie vorgenommen werde, die die Männlichkeit feiere und hervorhebe, sagte Dengen auf jW-Nachfrage. TdF und Watch Indonesia! fordern von der Regierung in Jakarta »juristische und soziale Maßnahmen« zur Abschaffung der FGM und ihre Ächtung als Menschenrechtsverletzung.

Dies müsse auch weltweit endlich umgesetzt werden, forderte TdF-Geschäftsführerin Christa Stolle. Auf europäischer Ebene hat TdF das Projekt »Change« initiiert, in dem die Organisation mit britischen, schwedischen, niederländischen Partnerverbänden sowie mit Plan International Deutschland zusammenarbeitet.

www.frauenrechte.de


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