Palmöl: „vermischt mit dem Blut von Mutter Erde“

Robin Wood Magazin, Nr. 112/1.12

http://www.robinwood.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Magazin/2012-1/112-16-21-tropenwald.pdf

MenschenrechtsaktivistInnen aus Indonesien zu Besuch in Deutschland

thumb Robin Wood.phpTäglich kommt es auf den Ölpalmplantagen in Südostasien zu gewaltsamen Übergriffe gegen Menschen, die sich nicht von den Palmöl-Konzernen ihr Land rauben lassen wollen. Tausende Landkonflikte schwelen – die Region erlebt eine humanitäre und ökologische Katastrophe.

Wir wollen, dass die vom Palmöl-Boom überrannten Menschen gehört werden: Opfer der weltweiten Konsum-Maschinerie von Wilmar, Unilever und Co. – angetrieben von uns KonsumentInnen. Die Organisationen Watch Indonesia!, Rettet den Regenwald und ROBIN WOOD haben darum sieben AktivistInnen der indonesischen Anti-Palmöl-Koalition nach Deutschland eingeladen. Hierhin, wo Unilever sein Wilmar-Palmöl verarbeitet. Die AktivistInnen trafen Vorstandsvertreter von Unilever, besuchten Wilmars riesige Palmöl-Raffinerie in Niedersachsen und protestierten vor der Unilever-Zentrale in Hamburg. Das Interview ist ein Zusammenschnitt aus verschiedenen Gesprächen der AktivistInnen mit Mitgliedern der Organisationen in Deutschland.

? Welche Bedeutung hat der naturnahe Wald in Indonesien und welche Folgen haben Entwaldung und Ölpalmplantagen?

! Abah Nordin: Wir sind auf den Wald angewiesen als Schutz vor Überschwemmungen, für das ökologische Gleichgewicht und als Nahrungs- und Lebensgrundlage. Die Waldzerstörung für Ölpalmplantagen erschüttert unser Land. Nach der Anlage der Plantagen gibt es keine Natur mehr, die dem Menschen dient, sie kann die Einwohner nicht mehr ernähren. Bedrohte Arten wie Orang-Utans sind dem Tod geweiht. Werden sie in den Ölpalmplantagen oder in den Siedlungen angetroffen, werden sie erschossen oder an Privatfamilien als Haustiere verkauft.

! Muhammad Rusdi: Nach der Waldzerstörung in unserer Gemeinde flüchteten sich sechs Tiger an den Rand unseres Dorfes, da es hier wenigstens noch Haustiere zum Jagen gab. Die Bewohner haben sie getötet, da sie Angst vor ihnen hatten. Außerdem sind die Menschen natürlich auf die Nutztiere als Überlebensquelle angewiesen.

? Welche Möglichkeiten seht Ihr, gegen Zerstörung und Landraub vorzugehen?

! Nordin: Es ist an der Zeit, dass wir unsere Kräfte bündeln und gemeinsam und auf allen Ebenen der Palmölindustrie das illegale Handwerk legen. Wir beginnen mit Wilmar International, dem größten Palmölkonzern der Welt. Unser Ziel ist es, die Wilmar-Group für ihre Verbrechen an Mensch und Natur zu verklagen. Wir fordern ein sofortiges Verbot, neue Plantagen anzulegen.

? Was kritisiert Ihr an den Praktiken von Wilmar?

! Feri Irawan: Für Wilmar scheinen keine Gesetze zu gelten. Der Konzern lässt Wälder illegal abholzen oder anzünden und Plantagen pflanzen, er vertreibt Bauern von ihrem Land und lässt sie verhaften, wenn sie sich wehren. Wilmar gründet ständig neue Tochterfirmen und besticht Beamte, um Gesetze zu umgehen.

! Safrudin Mahendra (Udin): Die Korruption macht aber an den Werkstoren von Wilmar nicht halt, sie setzt sich bis in alle politischen und gesellschaftlichen Schichten fort. Je höher der Dienstgrad, desto größer die Tantiemen aus der Korruption und die Verbindungen zum Filz.

? Euer Dorf wurde von der BRIMOB, der berüchtigten Spezialeinheit der Polizei, die Wilmar angeheuert hatte, dem Erdboden gleichgemacht. Wie geht es Euch heute?

! Ida: Die Firma Wilmar und ihre Helfer wollen, dass wir aus unserer Heimat weggehen. Deshalb haben sie unser Dorf zerstört, uns alles geraubt, was wir besaßen und uns mit Gewalt und Demütigungen eingeschüchtert. Doch wie können wir unsere Ahnen verlassen? Wohin sollen wir gehen? Wir bleiben hier, bis wir das Land zurückbekommen, das uns die Palmölfirma gestohlen hat!

! Bidin: Die Gräber unserer Ahnen befinden sich in diesem Land. Das beweist, dass wir seit vielen Generationen dort leben. Das Land gehörte schon unseren Ururgroßeltern. Eintausend Durian-Bäume haben unsere Vorfahren dort gepflanzt. Wilmar hat gegen die indonesische Verfassung verstoßen, indem der Konzern unser angestammtes Land geraubt hat, das uns nach dem Adat**-Recht verfassungsmäßig zusteht, da es uns von unseren Ahnen zur Bewahrung anvertraut wurde.

Seit 1983 besitzen wir sogar eine Karte und Urkunden. Das alles hat uns nichts genützt, Wilmar und die indonesische Regierung haben unseren heiligen Boden mit Füßen getreten. Verklagt haben wir den Konzern, da er unsere Häuser zerstört und uns gewaltsam vertrieben hat. Unseren Schmerz kann uns aber kein Prozess der Welt nehmen!

? Nachdem Unilever, der europäische Hauptabnehmer des Palmöls von Wilmar, nicht mehr an den Menschenrechtsverletzungen durch Wilmar vorbeisehen konnte, beauftragte der Konzern den TÜV Rheinland mit einer Untersuchung der Geschehnisse im Dorf Sungai Beruang. Feri, was kritisiert Ihr an der Untersuchung?

! Feri: Wilmar hat den PT. TUV, eine Tochtergesellschaft des TÜV Rheinland, beauftragt, die Vorkommnisse vor Ort zu überprüfen. Es war nie jemand vom deutschen TÜV in Indonesien – der TÜV Bericht wurde in Deutschland verfasst. Auf Sumatra wurden die Gutachter des PT. TUV ständig von Mitarbeitern von Wilmar und von Militäreinheiten begleitet. Hier zertifiziert sich ein aggressiver Konzern selbst eine angebliche Gewaltlosigkeit!

? Was denkst du über die Ausbreitung der Ölpalmplantagen und den Umgang der Konzerne mit den Menschenrechten und den Landrechten?

! Rusdi: Wozu dient denn der Reichtum Indonesiens, wenn die Menschen hungern und ihre Kinder nicht zur Schule schicken können? Die Regierung sollte wenigstens die eigenen Gesetze einhalten und den Bewohnern ihr rechtmäßiges Land zurückgeben. Meine Gemeinde hat nach jahrelangem Kampf und vielen persönlichen Entbehrungen 600 Hektar Land zurück erhalten – einen kleinen Bruchteil unseres Adat-Landes. Nun können wir das Palmöl selbst vermarkten. Eine unabhängige Studie hat ergeben, dass unsere Gemeinde die wohlhabendste Palmöl-Gemeinde im Distrikt ist.

? Wenn dieser Fall Schule machte, könnte dann der Druck auf die Regierung zu dem Erfolg führen, in Zukunft die vorgeschriebenen 20 Prozent Gemeindeland zu bewahren und die Gemeinden selbst entscheiden zu lassen, was sie mit dem Land tun wollen?

! Nordin: Der Fall von Rusdis Gemeinde ist meiner Meinung nach kein gutes Vorbild für andere Gemeinden. Ich habe Angst, dass die Gemeinden, die noch Naturwald im Adat nutzen, nun auch Ölpalmen anbauen wollen, weil sie den schnellen Profit sehen.

! Feri: Das Beispiel von Pak Rusdi zeigt doch nur überdeutlich, dass das System des Plasma* und der Bevölkerungsbeteiligung bisher nicht klappt. Weniger als ein Dutzend Menschen besitzen 9,4 Millionen Hektar Konzessionsfläche. Die Familien, denen das Land eigentlich zustehen müsste, besitzen nun nichts mehr.

! Rusdi: Wir fordern, das Adat-Land zurück zu erhalten und zusätzlich 20 Prozent des Konzessionsgebiets den Gemeinden als Einkommensquelle zur Verfügung zu stellen! Dann wird der Wald vermutlich erhalten, da der wirtschaftliche Druck sinkt.

! Marianne Klute, Watch Indonesia!: Die Palmöl-Konzerne behaupten zu Unrecht, dass die Plasmaflächen auch ihnen gehören. Die Firmen besitzen das Land nicht – sie haben nur das Nutzungsrecht. Es gab eine Entscheidung des Verfassungsgerichts, dass keine Firma legal ist, die bestimmte Gesetze übertritt. Es gibt aber keine Palmöl-Firma, die kein Gesetz übertritt. Demnach wären alle Unternehmen illegal. In diesem Rechtsspruch könnte eine juristische Chance liegen.

! Udin: Insgesamt sind 5.000 Konfliktfälle vom Landwirtschaftsministerium registriert. Die Regierung handelt gegen ihre eigenen Gesetze, wenn sie Adat-Land nicht zurückgibt. Indonesien sitzt auf einem Pulverfass, das die Palmöl-Industrie ins Land gebracht hat. Hätten die Menschen Waffen, gäbe es bereits Krieg. Vielleicht ist aber der Krieg im Inneren eine viel stärker brennende Lunte.

? Welche Lösungsansätze seht Ihr als indonesische Organisationen vor Ort?

! Nordin: Wir haben den sogenannten „Aktionsplan für ein besseres Leben“ gestartet, den wir mit Hilfe der deutschen Organisationen umsetzen wollen. Der Plan ist auf 18 Monate angelegt und arbeitet auf allen Ebenen. 1. Workshops mit den betroffenen Bauernfamilien. Dabei werden auch die Landrechte besprochen und möglichst Karten erstellt. Außerdem wird die Bevölkerung über das Vorgehen von Wilmar aufgeklärt und wie sie sich wehren kann, 2. Training in Waldmanagement und Landrecht, 3. Recherchen und Datensammlung über Aktivitäten der Wilmar-Töchter, 4. Workshops über Korruption, 5. Multimedia-Kampagne über die Gesetzesbrüche von Wilmar und die Verwicklung der Politik, 6. Öffentlicher Dialog zwischen allen Beteiligten: Politiker, Wissenschaftler, Journalisten, Umweltschützer und die Opfer der Palmölindustrie werden an einen Tisch gebracht.

? Mit welchen Gefühlen seid Ihr neulich zur Raffinerie von Wilmar in Brake gefahren, die täglich unfassbare 2.500 Tonnen Palmöl verarbeitet?

! Bidin: Als wir auf der Weser fuhren und die gewaltigen Öl-Silos von Wilmar am Ufer sahen, habe ich die Fassung verloren, ich rief: „Hier also landet das Palmöl, das für uns Leid, Not und Hunger bedeutet! Sie schaffen alles aus dem Land, verdienen damit das große Geld, auch Unilever! Und wir haben nichts davon!“

? Welches sind die schlimmsten Folgen, die die Palmöl-Industrie Euch als Volk gebracht hat?

! Bidin: Wilmar und alle, die mit dem Palmöl von unserem Land viel Geld verdienen, haben uns zu Bettlern gemacht. Wir können unseren Kindern nicht mehr genug zu essen geben. Das Geld für die Schule fehlt schon lange. Täglich demütigen die Mitarbeiter von Wilmar uns, jeden Tag müssen wir auf unserem Land das Schild von Wilmar sehen: ‚Nicht betreten. Dieses Land gehört Asiatic Persada‘. Das ist die Tochterfirma von Wilmar.

Ich mache mir große Sorgen, dass wir unser Erbe, das Wissen um den Wald, nicht mehr an unsere Kinder weitergeben können: Wie man Bäume pflanzt, wie man den Wald erhält und wie man in der Wildnis überlebt. Dazu gehört zum Beispiel, die Sprache der Affen zu verstehen – wie sie sich gegenseitig vor Tigern warnen. Jetzt gibt es keine Affen mehr und keine Tiger. Keine Urwaldriesen und keine Obstbäume. Wir haben nur noch einen Baum – und den millionenfach: Die Ölpalme. Das ist die große Tragödie unseres Volkes. Die junge Generation kennt nur noch Palmölplantagen und kriegsähnliche Zustände. Das ist es, was wir unseren vier Kindern hinterlassen. Wie soll ich da an eine Zukunft glauben?

? Was erwartet Euch, wenn Ihr nach Indonesien zurückkehrt?

! Ida: Wir kehren voller Sorge in unser Heimatdorf zurück. Wie ist es unseren drei anderen Kindern ergangen, der Familie, allen Menschen in unserem zerstörten Dorf? Leben sie noch? Haben sie etwas zu essen? Dürfen wir überhaupt zurück – oder ist das Dorf wieder von der Polizei abgeriegelt?

! Feri: Unsere AktivistInnen in Jambi haben für den 22. Dezember eine Vorladung zum Polizei-Verhör erhalten. Es geht um angebliche Landbesetzung während der Wilmar-Gewaltaktion im August in Bidins Dorf und zwei weiteren Dörfern. Wir befürchten, dass unsere Leute verhaftet werden sollen – denn man tut alles, um die Gegenbewegung zu zerschlagen.

? Welche Wünsche und Forderungen möchtet Ihr an uns Deutsche richten?

! Nordin: Wir möchten, dass alle Menschen in Europa verstehen, dass ihr Palmölverbrauch die Zukunft von uns allen bedroht. Nur wenn wir uns global vernetzen, können wir die Konzerne stoppen, die die Regenwälder und unsere Lebensgrundlage zerstören. Jeder von uns bündelt in seinem Land die Kräfte, die wir zu einem großen Netzwerk vereinen. Das ist uns während der gemeinsamen Aktionen in Deutschland gelungen. So wünsche ich mir auch unsere weitere Zusammenarbeit.

! Feri: Wir fordern von den Deutschen und europäischen Firmen sowie von der europäischen Politik, die Geschäftsbeziehungen zu Wilmar abzubrechen, und wir fordern diese und auch alle KonsumentInnen auf, kein Palmöl von kriminellen Firmen mehr zu kaufen. Wir brauchen alle einen neuen Lebensstil, der das koloniale Erbe der Ausbeutung hinter sich lässt und in eine Ära der Solidarität und des sozialen und ökologischen Handelns eintritt. Wie wäre es, wenn die westlichen Industrienationen mit gutem Beispiel vorangehen? Schließlich habt Ihr eine Bringschuld uns gegenüber.

? Welche Botschaft habt Ihr als direkt Betroffene für die Menschen in Deutschland?

! Bidin: Wir wollen, dass alle Menschen in Deutschland und Europa verstehen: Für das Palmöl, das ihr hier in großen Mengen verbraucht, vernichten internationale Konzerne in Indonesien den Wald, die Lebensquelle aller Menschen.

! Rusdi: Wir alle müssen uns die Frage gefallen lassen: Können wir es mit unserem Gewissen vereinbaren, Palmöl zu konsumieren, das mit dem Blut von Menschen und von Mutter Erde vermischt ist?
 

Christian Offer (christian.offer@gmx.de) hat das Interview mit Unterstützung der MitarbeiterInnen von Rettet den Regenwald und Watch Indonesia! zusammengestellt. Herzlichen Dank!
 
 


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