Information und Analyse

Indonesien – Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Irian Jaya

Berlin, 26.5.1998

Der Rücktritt Suhartos bedeutet eine neue Chance für Indonesien. In den vergangenen Tagen wurden bereits einige bekannte politische Gefangene frei gelassen. Für einen echten Neuanfang wird es jedoch notwendig sein, die Gesetzgebung und das politische System zu reformieren und alten Menschenrechtsverletzungen nachzuforschen, wie es u.a. von amnesty international gefordert wurde. Mit dem neuen Präsidenten Habibie steigt der potentielle Einfluß der Bundesregierung auf Indonesien auf ein stärkeres Maß als bisher. Im gleichem Maße wachsen die Erwartungen überall in der Welt an Deutschland, seine neuen Möglichkeiten gegenüber Indonesien verantwortungsvoll wahrzunehmen und die Regierung auf wirkliche Reformen zu drängen.

Dabei dürfen auch die abgelegerenen Regionen Indonesiens, wie die Provinz Irian Jaya oder Westpapua, wie es von den Einheimischen lieber genannt wird, nicht vergessen werden. Im Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen und den Interessen der dortigen indigenen Bevölkerung kam es dort in den vergangenen 30 Jahren unter weitgehenden Ausschluß der Öffentlichkeit immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, Folter und Morden durch das indonesische Militär.

Jetzt haben am 25. Mai die Vertreter dreier lokaler Kirchen Irian Jayas einen Bericht über die Menschenrechtsverletzungen seitens der indonesischen Armee im Hochland der Provinz veröffentlicht. In dem betroffenen Gebiet, das die Täler Bela und Alama umfaßt, wurde vor 2 Jahren ein indonesisch – europäisches Wissenschaftlerteam von der „Befreiungsbewegung Westpapua“ (OPM) entführt. Seit der Befreiung der Geiseln im Mai 1996 ist das Gebiet für die Öffentlichkeit gesperrt und lediglich dem Militär zugänglich.

Die Menschen sind dort heute akut vom Hungertod bedroht. Dem Bericht zufolge flohen nach dem Ende der Entführung zahlreiche Menschen aus den Tälern Bela und Alama in Höhlen, Verstecke im Wald oder in weiter entfernte Ortschaften, um den militärischen Übergriffen zu entgehen. Zahlreiche ihrer Siedlungen wurden vom Militär verbrannt. Mindestens 11 Menschen wurden zwischen Dezember 1996 und Oktober 1997 erschossen, darunter zwei Kinder und ein Pfarrer. Viele von ihnen verloren ihr Leben, wenn sie ihre Verstecke verließen um ihre Gärten aufzusuchen. Dem Bericht zufolge schießt das Militär wahllos und willkürlich.

Das Hochland Westpapuas leidet infolge des Wetterphänomens El Niño unter starker Trockenheit. Die angespannte Situation verschärft die herrschende Nahrungsmittelknappheit. Diejenigen, die noch in ihren Heimatorten leben, benötigen für jeden Gang außerhalb ihrer Ortschaft eine „Reisegenehmigung“. Zahlreiche Gärten und Felder der Menschen wurden zerstört. Die Folge ist eine bis heute andauernde Hungersnot, der bisher über 100 Menschen zum Opfer gefallen sind.

Schon 1995 hatten eine australische Organisation sowie der katholische Bischof Munninghoff Irian Jayas von schweren Menschenrechtsverletzungen durch das indonesische Militär berichtet, die Folge der Konflikte um Umweltschäden und Landrechte im Zusammenhang mit dem Kupferabbau in der 150 km entfernt liegenden Mine der US – amerikanischen Gesellschaft Freeport McMoRan sind. Seit 1996 ist vor einem Gericht in den USA ein Verfahren gegen die Gesellschaft anhängig, die beschuldigt wird, durch stillschweigende Billigung an Folter, Morden und „Verschwindenlassen“ mitverantwortlich zu sein.

Diesen Menschenrechtsbericht zu veröffentlichen, erfordert Mut. Die Personen und Institutionen, die die Verantwortung für den Bericht auf sich nehmen, können trotz des Regierungswechsels noch nicht ausschließen, daß sie sich dadurch erheblichen Schwierigkeiten und Gefahren aussetzen. Mit ihrem Schritt an die Öffentlichkeit sind sie nun auch auf den Schutz der internationalen Staatengemeinschaft angewiesen.

Nach dem Regierungswechsel sollten nun umfassende politische und gesetzliche Reformen durchgeführt und alte Menschenrechtsverletzungen untersucht werden. Die Bundesregierung sollte nun ihren Einfluß auf die indonesische Regierung nutzen um darauf hin zu wirken, daß die neue Regierung auch in der entlegenen Provinz Irian Jaya einen ersten Schritt in Richtung auf echte Reformen unternimmt. Die Bundesregierung sollte darauf drängen, daß das ehemalige Entführungsgebiet sofort für Nothilfe zugänglich wird, daß unabhängige Menschenrechtsbeobachter die Geschehnisse dort weiter untersuchen können, daß das Militär zurückgezogen und das Gebiet wieder unter zivile Verwaltung gestellt wird. Die Bundesregierung sollte außerdem ihren Einfluß in den Vereinten Nationen wahrnehmen, um ihren Sonderberichterstatter für extralegale, summarische und willkürliche Hinrichtungen in das Gebiet um Bela und Alama entsenden. <>


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