"In the Spotlight"

IS-Unterstützung aus Indonesien

Kurz belichtet, 03. September 2014

von Alex Flor

Flag_of_Islamic_StateZunehmend islamistische Tendenzen in Gesellschaft und Politik in Indonesien können nicht geleugnet werden. Und wenn sich selbst westliche Staaten wie Deutschland oder Großbritannien darum sorgen, dass in den Kämpfen in Syrien, dem Irak oder anderen Kriegsschauplätzen radikalisierte eigene Staatsbürger den Terror in die Heimat tragen könnten, dann wäre es vermessen anzunehmen, dass dies in Indonesien, dem Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit, keinerlei Rolle spielen würde. Derzeit sollen mindestens 50 Indonesier auf Seiten des IS (Islamischer Staat; ehem. ISIS) kämpfen.

Natürlich gibt es unter den ca. 200 Millionen indonesischen Muslimen auch extremistische Elemente. Abu Bakr Ba’asyir, einer der Wortführer der radikalsten islamistischen Organisationen des Landes, sitzt derzeit eine 15-jährige Haftstrafe ab. Aus seiner Gefängniszelle heraus verkündete er seine uneingeschränkte Unterstützung für das sogenannte Kalifat des IS im Irak und in Syrien.

Aber wer hört noch auf diesen alternden Einpeitscher? Es waren nicht zuletzt seine Söhne, überzeugte Islamisten, die sich von den Äußerungen ihres Vaters los sagten.

Andere Hardcore-Islamisten in Indonesien distanzieren sich von IS als einer ihrer Überzeugung nach vom Westen (alias USA) aufgebauten Organisation, mit dem Ziel das Ansehen des Islam weltweit in Schutt und Asche zu treten.

 


 

Berliner Zeitung, 31. August 2014

http://www.berliner-zeitung.de/politik/rekrutierung-in-fernost-das-gift-der-is-miliz-erreicht-asien,10808018,28274274.html

  Rekrutierung in Fernost

Das Gift der IS-Miliz erreicht Asien

Von Willi Germund

Jakarta – Der IS-Miliz-Führer Abu Bakr al-Bagdadi verspricht seinen Anhängern, dass der entscheidende Krieg um die Kontrolle der Welt begonnen habe. Das zeigt offenbar bei Muslimen in allen asiatischen Staaten Wirkung. Die dortigen Sicherheitsexperten sind entsetzt. 

Das Foto aus einer Zelle im Pasir Putith Gefängnis auf der Insel Nusakambangam, dem indonesischen Alcatraz, erzeugte eine Schockwelle im Land mit den meisten Muslimen der Welt. Der freundlich lächelnde, ältere Herr mit Namen Abu Bakr Baschir verkündete vor einer schwarzen Fahne der radikalen Organisation „Islamischer Staat“ (IS): „Wir unterstützen den Kampf von Islamischer Staat für ein Kalifat.“

Einst galt der Mann mit dem grauen Kinnbärtchen als spiritueller Führer der Selbstmordattentäter der Organisation Jemaah Islamiyah, die 2002 auf der Ferieninsel Bali ein Blutbad anrichteten. Über 200 Menschen starben – darunter viele ausländische Touristen. Jemaah Islamiyah war ein Ableger von Al-Kaida, doch diese Organisation gehört für Abu Bakr Baschir offensichtlich der Vergangenheit an.

Indonesien war überzeugt, dass das Land von dem 76-jährigen Greis mit seinen mörderischen Fantasien von einer islamischen Revolution nichts mehr zu befürchten habe. Schließlich war er zu einer 15-jährigen Haftstrafe wegen terroristischer Umtriebe verurteilt und ins Gefängnis gesteckt worden.

Doch das stellte sich eben als Irrtum heraus: Plötzlich rief der Mann aus seiner Zelle die 250 Millionen Muslime des Landes dazu auf, sich der IS-Miliz anzuschließen, die im Irak und in Syrien Schrecken verbreitet und dort ihr Herrschaftsgebiet vergrößert. Es ist ein Aufruf dazu, dem Vorbild einiger Schüler seiner Koranschule Ngruki Solo in der Stadt Solo zu folgen.

Abkehr von der alten Al-Kaida

Riza Fardi, der in dieser Koranschule 2006 sein Examen ablegte, war den Weisungen des Meisters offenbar schon vor Monaten gefolgt: Als er im November 2013 in Syrien bei Gefechten umkam, starb er als erster indonesischer IS-Kämpfer. Vier weitere Absolventen von Baschirs Koranschule absolvierten quasi erst eine Weiterbildung an der „Internationalen Islamischen Universität“ in Pakistans Hauptstadt Islamabad, bevor sie nach Syrien oder Irak weiterzogen, um sich den IS-Kämpfern anzuschließen.

„Nach Angaben der Polizei sollen sich bislang 50 Indonesier der Gruppe angeschlossen haben“, sagt die Extremismus-Expertin Sydney Jones vom „Institute for Policy Analysis of Conflict“ (IPAC) in Jakarta. Aber wahrscheinlich seien es mehr, vielleicht etwa 100 Terrorismus-Reisende. Ansyaad Mbai, Chef von Indonesiens Anti-Terror-Behörde BNPT versetzt das in große Sorge. „Wir müssen genau wissen, wer dort hingegangen ist“, sagt er. „Für uns wird es nämlich dann zum Problem, wenn diese Kämpfer nach Hause zurückkehren.“

Im Verhältnis zu den geschätzten etwa 8.000 bis 10.000 ausländischen Kämpfern, die sich dem IS angeschlossen haben, ist der Anteil der indonesischen Kalifats-Krieger noch gering. Aber immer mehr erliegen der Faszination der IS-Miliz und ihres Anführers Abu Bakr al-Bagdadi, der einen Islamischen Staat vom Golf bis zum Mittelmeer errichten will und den Muslimen der Welt nach all den Niederlagen verheißt, dass der entscheidende Krieg um die Kontrolle der Welt begonnen habe. Das zeigt offenbar bei Muslimen in allen asiatischen Staaten Wirkung.

Nach Angaben der syrischen Behörden sollen schon 15 Malaysier, die in den Reihen der IS-Miliz kämpften, ums Leben gekommen sein. Im Grenzgebiet von Pakistan und Afghanistan, so wird in pakistanischen Medien berichtet, wandten sich Extremisten von den letzten Al-Kaida-Verbänden ab und machten sich auf den Weg, um sich der IS-Miliz anzuschließen.

Auch der pakistanische Kleriker Abdul Aziz hat nach Angaben von Journalisten seine Unterstützung für das Kalifat von IS-Führer Abu Bakr al-Bagdadi erklärt. Aziz hatte ab 1998 die Rote Moschee in Islamabad geleitet – bis 2007, als es dort zu immer heftigeren Zusammenstößen zwischen der Regierung mit dem Personal sowie den Anhängern der Moschee kam.

Der aufkeimende Wille ist beängstigend

Der Kampf um die Einführung eines Scharia-Gerichts endete damals mit der Erstürmung der Moschee, Abdul Aziz saß danach bis 2009 im Gefängnis. Jetzt ist er wieder Imam der Moschee. Er verherrlicht IS und ist geistiger Einflüsterer von rund 10.000 Schülern der Koranschule, die der Roten Moschee angeschlossen ist.

Am stärksten aber scheint die Sogwirkung der in Syrien und Irak agierenden IS-Miliz jedoch in Indien zu sein – zum Entsetzen der dortigen Sicherheitsbehörden. So tauchte IS-Propaganda in den Sprachen Tamil, Hindi und Urdu auf, in denen der Norden Indiens für das bereits ausgerufene, im Entstehen begriffene Kalifat reklamiert wird.

Bislang brachen nach Angaben der Behörden zwar nur 18 junge Männer aus den Bundesstaaten Maharashtra, Tamil Nadu und Kerala auf in Richtung Naher Osten. Doch selbst das sei ein Schock, sagt der auf Terrorbekämpfung spezialisierte Polizeibeamte Deven Bharti in der Wirtschaftsmetropole Mumbai. Der Wille, dass Inder bei einem islamistischen Krieg mitmachen wollen, sei etwas Neues.

„Ich sehe das als eine Entwicklung, die 1994 mit der Zerstörung der Babri-Moschee in Ayoda begonnen hat“, sagt der Journalist Maseeh Rahman. Ein hindunationalistischer Mob hatte damals unter Führung von Lal Krishna Advani, einem Politiker der hindunationalistischen Partei Bharatiya Janata Party (BJP) die Moschee im Bundesstaat Uttar Pradesh gestürmt. Das war der Höhepunkt eine maßgeblich von Advani initiierte BJP-Kampagne, anstelle der Babri-Moschee einen Tempel zu bauen, weil sich dort der angebliche Geburtsort des Gottes Rama befinde.

Die nachfolgenden religiösen Auseinandersetzungen, denen rund 3?000 Menschen zum Opfer fielen, wurden zwar eingedämmt. Doch die Ereignisse führten zu einer Spaltung: Muslime und Hindus, die zuvor gemischt lebten, wohnen seither in eigenen Vierteln, strikt nach ihrer Religion getrennt. Aber auch die Benachteiligung von Muslimen gegenüber Hindus spielt eine Rolle, wenn sich indische Muslime dem fernen Dschihad anschließen zu wollen.

Kinder aus dem Mittelstand

Der 22-jährige Arif Majeed, Sohn eines Arztes und selbst ein angehender Ingenieur, führt vor seiner Abreise in den Nahen Osten in seinem Abschiedsbrief noch einen weiteren Grund an. „Ich habe mich auf die gesegnete Reise gemacht,“ schreibt er an seine Familie, „weil ich nicht mehr in diesem Land der Sünde leben möchte.“

An seinem letzten Tag in Indien soll er mit Freunden Kricket gespielt haben. Danach reiste er, ohne noch einmal nach Hause gegangen zu sein und sich verabschiedet zu haben, gen Bagdad. Gemeinsam mit drei Freunden aus ebenfalls gut situierten Mittelstandsfamilien verließ er nach der Ankunft in der irakischen Hauptstadt seine Freunde. Nach Erkenntnissen der indischen Sicherheitsbehörden machte er sich auf den Weg zu Kampfeinheiten der Islamischer-Staat-Miliz in Nord-Irak.

 


 

Jakarta Post, August 13, 2014

http://www.thejakartapost.com/news/2014/08/13/sons-top-aides-abandon-ba-asyir-over-isil-form-new-jihadist-group.html 

Sons, top aides abandon Ba’asyir over ISIL, form new jihadist group

 

Rendi A. Witular, Jakarta — Terrorist convict Abu Bakar Ba’asyir is set to lose his long-held position as the region’s spiritual leader of a terrorist network after expelling his sons and top aides from his organization, Jamaah Ansharut Tauhid (JAT), following their refusal to support the Islamic State of Iraq and the Levant (ISIL), also known as ISIS.

Disenchanted by their father’s support for ISIL, Abdul „Iim“ Rohim and Rosyid Ridho have formed a new jihadist group, called Jamaah Ansharusy Syariah (JAS), to rival JAT in recruiting followers to fight for the full implementation of sharia.

„Our father has said that anyone refusing to support ISIL should step aside. Sad to say, we’re among those that see that our presence [in JAT] is no longer wanted,“ Iim told The Jakarta Post on Tuesday.

During a pledge of allegiance held on Monday at the haj dormitory in Bekasi, West Java, former JAT chairman Mochammad Achwan was elected as the new group’s leader, while Iim was made chairman of the group’s sharia council.

The group boasts of having 2,000 members in Jakarta, West Java, Central Java, East Java, West Nusa Tenggara and Bengkulu.

„For the sake of our future propagation, it is in our best interests to form a new organization that has no hierarchical links to Ustadz Abu [Ba’asyir’s nickname],“ said Iim.

While indicating his grave disappointment to his father, Iim said he remained in contact with Ba’asyir but only for personal affairs.

Ba’asyir is serving a 15-year prison sentence for terror offenses in the maximum-security Pasir Putih prison in Nusakambangan, an island off the coast of Cilacap, Central Java.

After a string of denials, Ba’asyir, along with several of his followers finally pledged the ba’iat [oath of allegiance] to ISIL’s leader, Abu Bakar al-Baghdadi, in his prison in mid-July, according to Achwan.

Ba’asyir’s expectation that performing the ba’iat would encourage his followers to do the same turned out to be short-lived, as only a few senior JAT officials and JAT’s Banten branch followed suit.

A source within Ba’asyir’s inner-circle said that Ba’asyir had initially expected his support for ISIL to attract more young followers into his camp and help curtail his diminishing power in the jihadist movement. „More than 50 percent of JAT members denounced the ba’iat and jumped ship,“ Achwan told the Post.

Enraged by the insubordination, Ba’asyir fired Achwan from the JAT chairmanship on July 17, replacing him with Afif Abdul Majid. Afif, however, was later arrested by the National Police’s Densus 88 counterterrorism unit on Aug. 9 for his alleged role in funding terrorist activity in Aceh in 2010.

„It’s just horrendous. How can you throw support behind a group [ISIL] that is massacring fellow Muslims?“ said Achwan, who was pardoned by then-president BJ Habibie in 1999 from a life sentence following the bombing of the Buddhist Borobudur temple in Magelang, Central Java, in 1985.

„Our sharia councils in Yemen and Syria have denounced ISIL because the group has deviated from the right course in forming a caliphate,“ he said.

Achwan also explained that it was about time to leave, as JAT had been subjected to intense scrutiny since voicing its support for ISIL, and that many of its members had been convicted of terrorism. „Because of the liabilities, it is no longer feasible to continue our fight with the group,“ he said.

Achwan said he believed Ba’asyir was misled into supporting ISIL by fellow cleric Aman Abdurrahman, who is serving a nine-year prison term for funding terror-training camps in Aceh. „It seems Ustadz Abu had intense communications with Ustadz Aman, who is a prominent proponent of ISIL,“ Achwan said.

But, aside from the differences in ideology, the refusal to support ISIL is also based on the fact that many JAT leaders have close ties to Jabhat al-Nusra (JN) — a prominent Salafi jihadist organization in the Syrian conflict with links to al-Qaeda. JN and ISIL are engaged in a rivalry to gain prominence in Syria, and many JN members have fallen victim to ISIL’s ruthlessness.

One JAT member said that prior to ISIL’s rise to prominence, JAT had sent many Indonesian nationals to fight with JN in the hope that once they returned, they would help train fellow jihadists here to assemble explosives or use firearms.

Achwan did not deny the allegation. „We received our direction from our respected clerics in JN, and we have supported the group in many ways,“ Achwan said.

Terrorism expert Noor Huda Ismail from the Institute for International Peace Building warned that the infighting may provide renewed encouragement for disgruntled members in the new splinter group to prove, in various ways, that they were better than their previous colleagues.

„All terror attacks in Indonesia have been carried out by splinter groups of known jihadist organizations, such as Jamaah Islamiyah [JI], which was born out of Darul Islam, and JAT from the Majelis Mujahidin Indonesia [MMI]. Now we are seeing JAS,“ Huda said.

„These disgruntled members have resorted to violence to prove that they are more ‚pure‘ in their jihad,“ he said.

Huda said that while the emergence of new „political entrepreneurs“ in the jihadist movement should be anticipated, the most important thing was to identify the informal leaders behind the movement.

„Ba’asyir and Achwan are not strong leaders. Achwan is being ‚controlled‘ by Iim, while Ba’asyir is controlled by a network operated by Aman Abdurrahman,“ he said.

Head of the National Counterterrorism Agency (BNPT), Ansyaad Mbai, told the Post that the infighting within JAT would not significantly alter the general strategy of the terrorist network.

„They may have different flags, but they are all the same. I sense that the infighting is just their trick to expand their support base,“ Ansyaad said.


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