Ölpest

ÖKO-TEST September 2013

http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=102584&bernr=04
 

Margarine und Streichfette

Palmöl steckt in Fertigsuppen, Schokoriegeln – und Margarine. Die Anbauflächen für Ölpalmen wachsen stetig. Gleichzeitig schrumpft der Urwald. Menschen verlieren Heimat und Lebensgrundlage, Tiere und Pflanzen sterben aus. ÖKO-TEST wollte von den Anbietern wissen, ob die Palmölprodukte für ihre Margarine verantwortungsvoll hergestellt worden sind. Labore untersuchten die Produkte auf Schadstoffe und Fettzusammensetzung.
 

Von Mirko Kaiser

Oekotest-logoFünfzig Mal hat der Parteivorsitzende Philipp Rösler beim FDP-Dreikönigstreffen 2012 im Stuttgarter Staatstheater während seiner Rede das Wort „Wachstum“ benutzt. Wäre die FDP eine Pflanze, sie wäre eine Ölpalme. Denn wie die marktgläubige Partei steht Elaeis guineensis für das Grundrauschen des Kapitalismus: Wachstum.

Die Ölpalme stammt aus Afrika. Ihre Heimat sind vermutlich die Breiten des Golfs von Guinea. Im Jahr 1848 brachten niederländische Seeleute die ersten Ölpalmen ins heutige Indonesien. Die Kolonialherren legten den Grundstein für eine einzigartige Wachstumsstory: 1980 betrug die weltweite Produktion von Palmöl 4,5 Millionen Tonnen. Im Jahr 2012 waren es laut dem US-Landwirtschaftsministerium 54 Millionen Tonnen. Indonesien und Malaysia produzieren rund 90 Prozent des weltweit gehandelten Palmöls.

Dass dies mittlerweile das meistverkaufte Pflanzenöl der Welt ist, hat einen einfachen Grund: Die Ölpalme ist ertragreicher als Raps, Soja oder Sonnenblume. Laut der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) produziert eine Ölpalme im Durchschnitt vier Tonnen Öl pro Hektar und Jahr. Bei guten Anbaumethoden sind sogar acht Tonnen möglich. Soja, Sonnenblume und Raps schaffen weniger als 800 Kilogramm. Ölpalmen benötigen auch weniger Land – mindestens sechsmal weniger als Soja.

Der Anbau ist zwar kaum mechanisiert – die Früchte müssen per Hand geerntet werden. Doch auch wenn laut UNCTAD 30-mal mehr Arbeitskräfte pro Pflanzung benötigt werden als beim Sojaanbau, rechnet sich der Anbau für Plantagenbesitzer. Da die Frucht in tropischen Ländern gedeiht, in denen niedrige Arbeitsstandards vorherrschen, verfügen die Produzenten über billige Arbeitskräfte bei der Ernte. Die Weltbank gibt an, dass allein auf Plantagen in Indonesien, wo Firmen mehr als die Hälfte des weltweit vorhandenen Palmöls produzieren, rund drei Millionen Menschen arbeiten.

Und wie die meisten von ihnen dort arbeiten, weiß Marianne Klute vom Verein Watch Indonesia!. Dessen Mitglieder kämpfen für Demokratie, Menschenrechte und Umweltschutz in Indonesien und Osttimor. „Neben den angestellten Arbeitern gibt es die Kontraktarbeiter, die so gut wie keinen rechtlichen Schutz genießen“, weiß Klute. Erst gar nicht in die Lohnabrechnungen und Statistiken schaffen es die sogenannten „Helfer“. Das sind meist Familienangehörige, auch Kinder, die die Arbeiter unterstützen, damit sie das Arbeitspensum schaffen. Nach Daten der indonesischen Nichtregierungsorganisation Lentera sind ein Drittel bis zur Hälfte aller Arbeitskräfte auf Ölpalmenplantagen solche unbezahlten, daher völlig rechtlosen Helfer. Günstig für die Firmen. Denn so haben sie keinerlei Verpflichtungen zu Sozialleistungen und Arbeitsschutz.

Dass im Jargon des Kapitalismus Wachstum nicht Wachstum für alle bedeutet, zeigt die Studie The Loss of Reason – Human Rights Violations in the Oil-Palm Plantations in Indonesia, die Saurlin P. Siagian und Amin Siahaan für die Organisation „Brot für die Welt“ verfasst haben: Plantagenarbeiter leiden unter miserablen Arbeitsbedingungen. Es fehlen beispielsweise Schutzbekleidungen beim Umgang mit Pestiziden. Gewerkschaftsmitglieder klagen über Benachteiligungen bis hin zu Repressionen. Und die Löhne sind auf den Ölpalmenplantagen im Vergleich zur Kolonialzeit gesunken: Während ein Arbeiter 1937 das Äquivalent zu 4,37 Kilogramm Reis pro Tag zuzüglich Sozialleistungen (etwa Rente) erhielt, entsprach der Tageslohn 2007 nur noch 3,7 Kilogramm Reis ohne Sozialleistungen. Auch das bedeutet Globalisierung: Die Gewinne des einen, sind die Einbußen vieler anderer.

Aber noch etwas schrumpft aufgrund der unvergleichlichen Wachstumsstory Palmöl: der Urwald. Forschungsergebnisse auf der Basis von Daten der Food and Agriculture Organisation (FAO) der Vereinten Nationen zeigen, dass zwischen 1990 und 2005 1,87 Millionen Hektar Palmölplantagen in Malaysia und mehr als drei Millionen Hektar in Indonesien neu angelegt wurden, von denen mehr als die Hälfte durch Abholzung von Wäldern entstand. Laut Germany Trade & Invest, der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing, wuchs der Anteil der Palmölplantagen allein in Indonesien zwischen 2007 und 2012 flächenmäßig um 32 Prozent. Und es geht weiter: Die Indonesian Association of Palm Oil Companies (GAPKI) rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum der Anbaufläche für Ölpalmen um weitere 700.000 auf insgesamt 10,3 Millionen Hektar.

Experten der Weltbank schätzen, dass bereits im Jahr 2010 rund 70 Prozent der Plantagen Indonesiens auf zuvor bewaldeten Flächen, 25 Prozent auf Torfflächen angelegt worden waren. Abstrakte Zahlen für eine konkrete Umweltkatastrophe: Denn Regenwald, der auf Torfböden wächst, enthält bis zu 50-mal mehr Kohlenstoff als „normaler“ Regenwald. Werden solche Torfwälder für den Anbau von Ölpalmen gerodet, wird CO2 in Massen freigesetzt. Die Moorschutzorganisation Wetlands International hat errechnet, dass entwässerte Moore in Indonesien im Jahr 2008 rund 500 Millionen Tonnen CO2 emittiert haben. Und: Jede, auf ehemaligen Torfwaldflächen erzeugte Tonne Palmöl ist laut Wetlands International für den Ausstoß von 10 bis 30 Tonnen an CO2 verantwortlich. Für Marianne Klute von Watch Indonesia! ist klar: „Es gibt in Indonesien keinen Ölpalmenanbau ohne Regenwaldzerstörung.“ Ihre Beobachtung: „In Sumatra gibt es so gut wie keinen Tieflandregenwald mehr, vernichtet durch Logging-, Zellstoff- und Ölpalmenunternehmen, die oftmals zum selben Konzern gehören.“ Die aktuelle Expansion finde auf Kalimantan und in Papua statt, weiß Klute. Nach ihren Informationen entstehen hier weitere 14 bis 17 Millionen Hektar Ölpalmenplantagen – und zwar meist in Regenwaldgebieten.

Aber auch das Anlegen von Plantagen auf degradierten Flächen ist für Klute nicht unproblematisch: „Auch degradierte oder marginalisierte Böden bilden die Lebensgrundlagen vieler Menschen.“ Das ist ein weiterer Skandal in Zusammenhang mit dem Ölpalmenanbau: die Vertreibungen von lokaler Bevölkerung für den Plantagenbau. Die erwähnte Studie The Loss of Reason – Human Rights Violations in the Oil-Palm Plantations in Indonesia kommt zum Schluss: Der Ölpalmenanbau verletzt massiv die politischen und zivilen Menschenrechte der örtlichen Bevölkerung. Durch die Vertreibung wird ihnen der Zugang zu Ressourcen verwehrt, ohne Alternativen zur Bildung einer neuen Lebensgrundlage zu bieten.

An dieser Stelle könnte man aufhören, all das aufzuzählen, was im Zuge der Palmölproduktion vernichtet wird, wessen Rechte verletzt, wie viele Menschen ausgebeutet, welche Tier- und Pflanzenarten aufgrund des Verlusts ihres Lebensraumes aussterben werden. Der eine oder die andere, in dessen/deren Brust ein Aktivistenherz schlägt, könnte an den Boykott von Palmölprodukten denken. Doch der ist unmöglich. Too big to fail „zu groß, um zu scheitern“, lautet seit Beginn der Banken- und Finanzkrise im Jahr 2008 die Begründung, warum man Großbanken, die Milliarden verzockt haben, angeblich nicht pleitegehen lassen kann. „Too big to fail“ beschreibt auch die Palmölproduktion treffend: Schätzungen zufolge enthalten rund 50 Prozent der im Supermarkt angebotenen Produkte Palmöl oder Palmkernöl – von Nahrungsmitteln über Seife bis hin zu Kosmetikartikeln. Laut der OECD 2010/2019 Agricultural Forecasts wird der Verbrauch von pflanzlichen Ölen zwischen 2010 und 2019 um 30 Prozent steigen. Die Nachfrage steigt hauptsächlich durch das Bevölkerungswachstum und den Anstieg der Durchschnittseinkommen in den Entwicklungsländern. Große Teile der Weltbevölkerung decken ihren Grundbedarf an Fett durch Palmöl. So hatten im Jahr 2012 Indien mit 8,4 Millionen Tonnen, Indonesien mit 7,5 Millionen Tonnen und China mit 6,3 Millionen Tonnen den größten Inlandsverbrauch an Palmöl. Die EU 27 verbrauchte dagegen „nur“ 5,4 Millionen Tonnen Palmöl.

Um den von der OECD prognostizierten zusätzlichen Bedarf an pflanzlichen Ölen zu decken, müsste auf weiteren rund 6,5 Millionen Hektar Ölpalmen angebaut werden – oder auf 42 Millionen Hektar Soja. Dazu kommt die Nachfrage nach Bio-Treibstoff. Schon heute lässt sich an den Rohstoffbörsen beobachten, dass der wachsende Verbrauch von pflanzlichen Ölen zur Energiegewinnung Preisdruck auf Palmöl verursacht und dass die Volatilität des Palmölpreises in Verbindung zur Instabilität des Ölpreises steht.

Wenn also die Palmölproduktion die Umwelt zerstört, das Klima erwärmt, Menschen ihr Land und ihre Rechte nimmt, gleichzeitig aber die durch Bevölkerungswachstum stetig steigende Nachfrage nach günstigem pflanzlichem Öl nicht ohne die ertragreiche Ölpalme befriedigt werden kann, braucht es einen verantwortungsvollen Anbau von Ölpalmen. Den beansprucht der Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) für sich. Gegründet im Jahr 2004 in Zürich auf Initiative von so unterschiedlichen Akteuren wie dem Schweizer Unternehmen Migros und dem WWF, versucht die Organisation nach eigener Aussage „nachhaltige Anbaumethoden für Palmöl zu fördern und so die Umweltschädigung zu begrenzen“.

Der RSPO hat zurzeit 800 Mitglieder, darunter vor allem Produzenten, Mühlenbesitzer, Agrar- und Handelsunternehmen, aber auch Banken und Umweltschutzorganisationen. Im Jahr 2005 hat der RSPO acht Prinzipien und 32 Kriterien entwickelt, die laut RSPO „nachhaltig“ produziertes Palmöl ausmachen. Ein Zertifizierungssystem soll die Einhaltung der Prinzipien und Kriterien sicherstellen. Erzeuger werden bei der RSPO-Zertifizierung durch unabhängige Zertifizierungsunternehmen darauf hin geprüft, dass Palmöl entsprechend diesen Kriterien produziert wurde. Die RSPO-Zertifizierung von Händlern und anderen Unternehmen der Lieferkette soll sicherstellen, dass Angaben über die Verwendung zertifizierten Palmöls der Wahrheit entsprechen.

Doch seitdem die erste Ladung RSPO-Palmöl im November 2008 den Hafen von Rotterdam erreichte, ist die Kritik an der Organisation nicht abgerissen. Umweltorganisationen wie Greenpeace, Rettet den Regenwald oder Robin Wood werfen dem RSPO vor, „Greenwashing“ zu betreiben. Die RSPO-Kriterien seien schwach, wirkungsvolle Sanktionen nicht vorgesehen. Unerträglich finden einige die Tatsache, dass ein RSPO-Mitglied eine Vorzeigeplantage zertifizieren lassen kann und auf seinen übrigen Plantagen weiter gegen Menschenrechte verstößt, internationale Mindestarbeitsnormen nicht einhält und Regenwald vernichtet. Denn den RSPO-Mitgliedern wird eine Zeitspanne – in der Regel fünf Jahre – zugestanden, in der die Zertifizierung aller Plantagen erfolgen muss. Darüber hinaus gibt es die Fundamentalkritik: Riesige Plantagen aus Monokulturen von Ölpalmen können niemals nachhaltig sein. Solche Plantagen führten zur Entwaldung und in der Folge zum Verlust der biologischen Vielfalt, zu Überschwemmungen, Dürren, Bodenerosion und Gewässerverschmutzung.

Immerhin: Der RSPO hat auf die Kritik reagiert. Ein bisschen reagiert. Im April dieses Jahres hat die RSPO-Generalversammlung eine Überarbeitung der viel kritisierten Prinzipien und Kriterien verabschiedet. Ein großer Wurf ist es selbst in den Augen des RSPO-Gründungsmitglieds WWF nicht geworden. Auch Ilka Petersen, beim WWF Deutschland für Kommunikation, Landnutzung und nachhaltige Bio-Masse zuständig, ist enttäuscht: „Die Überarbeitung geht dem WWF Deutschland nicht weit genug. Im Vorfeld hatten sowohl der WWF International als auch der WWF Deutschland umfangreiche Änderungswünsche geäußert.“ Damit habe man sich aber nicht durchgesetzt. Die Hauptkritikpunkte des WWF Deutschland am neuen Prinzipien/Kriterien-Katalog: 1. Es gibt immer noch kein klares Verbot für den Anbau von Ölpalmen auf Torfböden. Laut dem neuen Kriterium 7.4 sollen neue Plantagen auf Torfböden lediglich „vermieden“ werden. 2. Hochgiftige Pestizide der WHO-Kategorien 1A und 1B sind immer noch nicht verboten. Nur wurde die Formulierung des entsprechenden Kriteriums leicht geändert. Es heißt jetzt, dass diese Pestizide reduziert und eliminiert werden sollen. Früher hieß es: reduziert „oder“ eliminiert. Allerdings fehlt eine klare Zeitangabe, bis wann dies erfolgen soll. 3. Bei den Treibhausgasemissionen hat man sich auf kein Reduktionsziel geeinigt. Treibhausgasemissionen müssen zwar erfasst, aber erst ab 2016 veröffentlicht werden.

Aber Ilka Petersen ist pragmatisch: „Der RSPO-Standard ist kein Öko-Siegel, aber er ist ein Mindeststandard, der signalisiert, dass auf Plantagen mehr getan wird, als die Gesetze in vielen Produktionsländern vorschreiben.“ Der WWF will nun eine Kampagne starten und deutsche Unternehmen auffordern, bei ihren Lieferanten Druck zu machen: Unternehmen sollten nur noch Palmöl von Produzenten kaufen, die nachweisen können, dass ihre Plantagen nicht auf Torfböden angelegt worden sind, die auf gefährliche Pestizide verzichten und die Treibhausgasemissionen ihrer Plantagen und Ölmühlen öffentlich machen sowie Reduktionsziele aufweisen.

Verbrauchern wird es zurzeit zumindest beim Produkt Margarine noch schwer gemacht, bewusst zu Artikeln zu greifen, die RSPO-zertifiziertes Palmöl enthalten. Die meisten enthalten Palmöl, das nach einem der vier RSPO-Handelsmodelle zertifiziert ist, aber ein RSPO-Siegel findet man sehr selten. Ilka Petersen vermutet: „Weil Palmöl negativ besetzt ist und von Verbrauchern mit Urwaldrodung in Verbindung gebracht wird, verzichten die Anbieter darauf, durch das RSPO-Siegel auf Palmöl in ihrem Produkt hinzuweisen.“

Ab 2014 wird sich das ändern. Denn dann gilt EU-weit eine Deklarationspflicht für Öle. Der Hinweis „enthält pflanzliche Öle und Fette“ reicht dann nicht mehr aus. Vielleicht steigt dann auch die Nachfrage nach zertifiziertem Öl seitens der Unternehmen. Denn zurzeit können die Produzenten nur die Hälfte ihres nach den RSPO-Kriterien hergestellten Öls als solches verkaufen. Dazu Ilka Petersen: „Indonesien und Malaysia sagen uns: Warum sollen wir härtere Kriterien einführen, wenn nicht mal zu den jetzigen Bedingungen gekauft wird?“ Dagegen ist nicht leicht zu argumentieren. Petersen schätzt, dass eine Tonne RSPO-zertifiziertes Palmöl je nach Handelsmodell zwei bis vier Euro teurer ist als konventionell produziertes Öl. Eine 500-Gramm-Packung Margarine würde bei einem gängigen Palmölanteil von rund 20 Prozent also um 0,02 bis 0,04 Cent teurer.

Für Greenpeace Deutschland bleibt der Standard auch nach der Neufassung schwach. „Die Überarbeitung enttäuscht auf ganzer Linie“, kommentiert Gesche Jürgens, Kampaignerin für den Bereich Wälder und Bio-Diversität. Aus ihrer Sicht müssen jetzt Produzenten, Händler und Abnehmer individuell voranschreiten und bessere Standards fordern. Ein Beispiel: Der indonesische Palmölproduzent Golden Agri-Resources verbietet in seiner Unternehmensrichtlinie das Anlegen von Plantagen auf Torfböden. Das Roden von Wäldern, die mehr als 35 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar (so viel Kohlenstoff lagert in degradierten Wäldern) speichern, ist tabu. Unternehmen sollten von solchen Vorzeigelieferanten Palmöl beziehen, um Druck auf die anderen auszuüben, rät Jürgens.

Doch es gibt bereits heute gute Nachrichten: Indonesien hat das im Mai ausgelaufene Moratorium auf das Abholzen von Regenwald und das Umwandeln dieser Rodungen sowie von Torfflächen in Plantagen verlängert. Zum Hintergrund: Indonesien hatte sich im Mai 2011 im Kampf um die Reduzierung seiner gewaltigen CO2-Emissionen verpflichtet, die Umwandlung von 55 Millionen Hektarn Primärwald und 17 Millionen Hektarn Torfflächen in Plantagen für zwei Jahre zu verbieten. Im Gegenzug stellte die norwegische Regierung eine Milliarde US-Dollar für Waldschutzmaßnahmen zur Verfügung. Dieses Umwandlungsverbot gilt nun zwei weitere Jahre. Nur: Zenzi Suhadi, Kampaigner von Friends of the Earth, rät im Gespräch mit der Zeitung Jakarta Globe, dass das Moratorium nicht überbewertet werden darf: „Unternehmen und lokale Regierungen haben auch in der Vergangenheit genügend Wege gefunden, das Moratorium zu umgehen.“

Was tun? Wenn immer größere Teile der Weltbevölkerung auf Palmöl als Fettlieferant in der Nahrung angewiesen sind und gleichzeitig in den Haupterzeugerländern die aktuelle Gesetzgebung aus Sicht vieler Experten nicht ausreicht, um Menschen, Tiere und Umwelt angesichts einer expandierenden Palmölproduktion zu schützen, ist ein Mindeststandard wie RSPO allein aus Mangel an Alternativen unterstützenswert. Er ist eben – wie vergleichbare Standards für andere Rohstoffe oft – besser als nichts. Alternativen zu Palmöl sind nicht in Sicht: Soja, Raps oder Sonnenblume bringen zu wenig Ertrag und verbrauchen deutlich mehr Fläche als Ölpalmen. Und angesichts der Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Gesundheit kann niemand ernsthaft wollen, dass Menschen mehr tierische Fette produzieren und konsumieren. Die Handelsunternehmen müssen ihrerseits Verantwortung übernehmen und nur Palmöl verwenden, das weitgehend umweltschonend und fair produziert worden ist.

Um zu prüfen, wie umweltschonend und fair das Palmöl produziert worden ist, welches die 20 Margarinen enthalten, die ÖKO-TEST eingekauft hat, haben wir den Anbietern einen umfangreichen Fragebogen zugeschickt. Wir wollten wissen, ob bei der Palmölproduktion Mindestlöhne gezahlt und die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation eingehalten werden. Beim Thema Umweltschutz interessierte uns der Einsatz von hochgiftigen Pestiziden sowie der Schutz für Urwald und Torfböden beim Plantagenbau.

Neben den Fragebögen durchliefen die Margarinen und Streichfette in einem weiteren Teil unseres umfangreichen Produkttests aufwendige Laboranalysen. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf den Fettschadstoffen 3-MCPD-Ester sowie Glycidylester, die besonders in raffiniertem Palmöl und Produkten, die Palmöl enthalten, etwa Margarine, in größeren Mengen vorkommen können. Das Problem: Die Fettsäureester können sich während der Verdauung im menschlichen Körper zu freiem 3-MCPD bzw. freiem Glycidol abspalten. Freies 3-MCPD hat sich in Tierversuchen als tumorbildend erwiesen. Grund genug für die Internationale Agentur für Krebsforschung IARC der WHO, 2011 das freie 3-MCPD als „möglicherweise krebserregend für den Menschen“ einzustufen.

Nicht weniger gefährlich ist freies Glycidol. Dieser Stoff wurde von wissenschaftlichen Gremien als erbgutschädigend und krebsauslösend beurteilt. Allerdings ist noch unklar, in welchem Ausmaß sich die Glycidylester tatsächlich in freies Glycidol umwandeln. Für die 3-MCPD-Ester haben Untersuchungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) eine nahezu vollständige Umwandlung in freies 3-MCPD inzwischen bestätigt. Zum Glück hat sich auf der Herstellungsseite aber einiges getan: So lassen sich die Fettschadstoffe unter anderem durch verringerte Temperaturen und Erhitzungszeiten bei der Raffination der Öle minimieren.

Außer den Fettschadstoffen interessierte uns auch die Fettzusammensetzung der Produkte. Daneben warfen wir einen genauen Blick auf die deklarierten Inhaltsstoffe. Und natürlich waren wir möglicherweise überzogenen Versprechungen der Margarineindustrie auf der Spur.


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