„Die Freiheit, für die wir kämpfen…“

DOTG Newsletter, 1/2012

Rezension:

Osttimor in der Unabhängigkeit. Ein politisches Lesebuch

von Janina Pawelz

DOTGDas Buch „Die Freiheit, für die wir kämpfen“, herausgegeben von Monika Schlicher, Henri Myrttinen und Maria Tschanz im Verlag RegioSpectra, Berlin, ist ein sehr gelungenes Werk, das durch seine Vielseitigkeit, Tiefe und Authentizität überzeugt. Das Buch als Gesamtwerk betrachtet schafft eine wunderbar ausgewogene Auswahl an Themen, die das junge Land derzeit beschäftigt, und bietet somit einen interessanten Querschnitt durch die Probleme, Herausforderungen und Entwicklungen Osttimors.

Themen finden in diesem Buch Platz, die am Puls der Zeit liegen und von hoher Bedeutung für die osttimoresische Bevölkerung in der Unabhängigkeit sind. Der osttimoresische Autor João Boavida erzählt, dass mit dem Erlangen der Unabhängigkeit der Kampf noch nicht vorbei ist. Die Herausforderungen der Demokratisierungsphase sind groß, so wie die Angst, zu einem failed state zu werden. Nuno Rodriguez wirft einen kritischen Blick auf die entwicklungspolitischen Schritte der bisherigen Regierung und kommentiert die zentralen Aspekte wie Staatsausgaben, Nachhaltigkeit, Auslandsschulden und weist damit auch auf die zukünftigen Herausforderungen der neuen Regierung hin. Darüber hinaus punktet das Buch durch das Aufgreifen bestimmter Themen auch doppelt: Eine Nische wird bedient, in der Themen angesprochen werden, die oft in Vergessenheit geraten, von anderen Ereignissen verdrängt werden oder es nie in die internationale Presse schaffen würden aber dennoch enorm wichtig sind, um das Land zu verstehen. Dazu gehören die verschleppten Kinder Osttimors, deren Hintergründe Helene van Klinken in ihrem Beitrag erklärt; die Problematik der verworrenen Gesetzeslage bezüglich der Landrechte, wie Maria Agnes Bere und Henri Myrttinen beleuchten; oder auch die Herausforderungen einer nachhaltigen Landwirtschaft, wie Ego Lemos schreibt. Das „Living Memory Project“ erhält im Buch ein eigenes Kapitel und kann so den wichtigen Aspekt der Vergangenheitsbewältigung einer traumatisierten Gesellschaft aufgreifen. Wie sehr das Buch am Puls der Zeit geschrieben ist, zeigt der Beitrag Trauern um das Unfassbare von Victoria Kumala-Sakti. Sie schildert ihre Erlebnisse vom Leichenfund in Tasi Tolu im März 2010 und die darauf folgende Trauermesse. Der Fund von Leichen ist keine Ausnahme, denn erst im Juni 2012 wurde vor dem Regierungspalast in Dili erneut ein Massengrab mit 72 Leichen bei Bauarbeiten gefunden.

Hervorzuheben ist, dass die Herausgeber auch kontroversen Aussagen aus Interviews Raum geben, die zum Nachdenken und Diskutieren anregen und gleichermaßen einen Blick in die Einstellung zu gewissen Aspekten im osttimoresischen Leben gewähren, wie die Gleichstellung von Mann und Frau im Bezug auf häusliche Gewalt.

Authentizität erhält das Werk vor allem durch die osttimoresischen Autoren, die zu Wort kommen. Die niedergeschriebenen Interviews sind Geschichten aus verschiedensten Lebenslagen und geben dem Leser ungeahnte, ehrliche Einblicke. Die Kapitel Lebensgeschichten 1-4 sind facettenreiche Momentaufnahmen, die das Lesebuch zu einem unverwechselbaren Werk machen. Der Untertitel des Buchs, „ein politisches Lesebuch“, trifft es recht gut. Es ist wunderbar leicht zu lesen, abwechslungsreich und auch für Neuinteressierte verständlich formuliert und gleichzeitig höchst informativ, tiefgründig und intensiv. Ein must-read für alle, die Osttimor verstehen wollen. Diese Rezension wird auch im Pazifik Rundbrief erscheinen. 

Buchinformationen:

„Die Freiheit, für die wir kämpfen …“ Osttimor in der Unabhängigkeit. Ein politisches Lesebuch.
Herausgeber: Henri Myrttinen, Monika Schlicher und Maria Tschanz für Watch Indonesia!
Regiospectra Verlag 2011
190 Seiten, Preis: 18,90 Euro
ISBN 978-3-940132-26-0
www.regiospectra.com

auch zu beziehen über Watch Indonesia!
 


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