Zeitschrift SUARA

Weltmarkt, Klimawandel und die Heuchelei des Nordens

Suara Nr. 2/2008 (Umwelt), 11. April 2008

 

Interview mit Pantoro Tri Kuswardono (WALHI)

 

Pantoro Tri Kuswardono (Torry) arbeitet seit einem Jahr als Klimacampaigner für die indonesische Umweltschutzorganisation WALHI (Wahana Lingkungan Hidup Indonesia – Freunde der Erde Indonesien), nachdem er dort zuvor für den Bereich Bergbau zuständig war. Nach seinem Ingenieursstudium am Institut für Technologie in Bandung lebte er sieben Jahre in einem der ärmsten Gebiete Indonesiens, in Westtimor. Dort konnte er viele Erfahrungen über den Bergbau und die Auswirkungen des Klimawandels sammeln. Im Büro von Watch Indonesia! sprachen Marianne Klute und Fabian Junge am 11. April 2008 mit ihm.

Im Vorfeld der Weltklimakonferenz in Bali haben indonesische Regierungsvertreter gegenüber deutschen Gesprächspartnern vom BMZ (Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) behauptet, der Klimawandel sei für die indonesischen Bürger kein Thema. Stimmst du dieser Aussage zu?

Torry in Berlin

Foto: Marianne Klute

Es mag sein, dass viele in der Bevölkerung den Begriff Klimawandel nicht kennen. Seine Folgen und die Auswirkungen der jahrzehntelangen Umweltzerstörung spüren wir jedoch heute schon. Während meiner Zeit in Westtimor fiel mir bald auf: Die Bauern haben sich seit jeher nach dem Wetter richten können, aber heute können sie es nicht mehr voraussagen. Konnten sie früher an Wolken und Himmel oder am Flug der Vögel abschätzen, wann es regnen wird, sind diese Indikatoren heute nicht mehr verlässlich. Plötzlich regnet es gar nicht mehr oder besonders stark oder nur extrem kurz, und von Jahr zu Jahr ist es anders. Sie leiden schon jetzt unter den Veränderungen der Jahreszeiten und den unberechenbaren Wetterbedingungen, die es ihnen z.B. unmöglich machen, Saat- und Erntezeiten zu bestimmen. Ähnlich geht es den Fischern. Auch sei daran erinnert, dass Indonesien ein Archipel mit 17.000 Inseln ist, die meisten sind kleine und kleinste Inseln. Etwa 60% des indonesischen Territoriums sind Küstengebiete. Wenn sich Indonesien nicht sofort auf den Klimawandel einstellt, wird er für die dort lebenden Menschen katastrophale Folgen haben.

Gibt es bereits wissenschaftliche Untersuchungen über die Auswirkungen des Klimawandels in Indonesien?

Leider gibt es bisher keine umfassende Studie über den Klimawandel auf dem Archipel. Seit der Weltklimakonferenz in Bali fordert die UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) Regionalstudien, denn bisher gibt es nur globale Studien zu den Folgen des Klimawandels. Die Berichterstattung der Medien konzentriert sich hauptsächlich auf die Auswirkungen auf den Pazifik, die polaren Gebiete oder die Sahara. Deshalb ist es dringend nötig, die großen Auswirkungen des Klimawandels auf unserem Archipel zu untersuchen.

Die indonesische Bevölkerung leidet nicht nur unter den Folgen des Klimawandels, sondern auch unter der massiven Entwaldung, die gleichzeitig als wichtige Ursache für den Klimawandel gesehen wird. Weltbank, FAO und andere internationale Organisationen nennen als Hauptursache für die rapide Entwaldung das hohe Bevölkerungswachstum und den damit verbundenen Anstieg von Brandrodung für den Nahrungsmittelanbau. Teilst du diese Einschätzung?

Die Umweltzerstörungen sind tatsächlich riesig in Indonesien, der Wald verschwindet so schnell wie nirgends sonst auf der Welt. Laut Greenpeace wird alle sechs Minuten eine Fläche Regenwald von der Größe zweier Fußballfelder abgeholzt. Die Ursachen hierfür liegen jedoch nicht allein bei den Indonesiern. Laut WALHIs Daten werden 80% der Waldbrände nicht dort gelegt, wo die Bevölkerung Wanderfeldbau betreibt, sondern in Konzessionsgebieten für Plantagenanbau oder Holzeinschlag. Die größten Waldzerstörer in Indonesien sind deshalb die extraktiven Industrien und die Plantagenwirtschaft. Diese wiederum reagieren auf die hohe Nachfrage der Industriestaaten nach Palmöl, Papier, Metallen und Mineralien. Um die Befriedigung dieses Bedarfs zu sichern, haben internationale Finanzinstitutionen jahrzehntelang Druck ausgeübt, damit Indonesien in die Entwaldung bzw. in Sektoren investiert, die den Wald zerstören, nämlich in die Plantagen-, Papier- und Minenindustrie. Angeblich, damit diese Industrien die Schulden bezahlen, die die Neue Ordnung Suhartos hinterlassen hat. Ironischerweise wird Indonesien seit den Waldbränden von 1997 von eben diesen Finanzinstitutionen als Umweltverbrecher bezeichnet. Dabei verschweigen sie ihre eigene Rolle in dieser Entwicklung.

Aber gibt es nicht auch interne Faktoren in Indonesien, die für die Entwaldung mitverantwortlich sind?

Natürlich gibt es die. Ich sehe vor allem die Korruption im Forstsektor und die unklaren Landrechtsverhältnisse als die wichtigsten internen Probleme. Die Regierung vergibt Konzessionen an nationale und internationale Großunternehmen, die Bevölkerung geht leer aus. Die Praxis der Konzessionsvergabe hat zur Folge, dass die Bevölkerung ihr Recht auf Land verliert und verarmt. Oft bleibt ihr dann keine andere Wahl, als sich als Arbeiter bei der Holzmafia zu verdingen oder Holz für den Eigenbedarf einzuschlagen. Die Landrechtsfrage ist auch Ursache für die vielen Konflikte, die Indonesien seit Jahrzehnten erlebt.

Hast du den Eindruck, dass die indonesische Regierung sich der Entwaldung stellt und ernsthaft versucht, die damit verbundenen Probleme zu lösen?

Leider nein. Aufgrund der Entwaldung erlebt Indonesien schon längst immer mehr Katastrophen. Die Überschwemmungen z.B. verursachen sehr hohe Kosten; trotzdem hat die Regierung bisher kein Gespür für die Umweltkrise entwickelt. Man denke nur an die neue Verordnung (PP 2/2008), die industrielle Aktivitäten in Wäldern gestattet, wenn eine entsprechende Gebühr bezahlt wird. Dies erlaubt das Betreiben von Minen sogar in geschützten Wäldern. Die Verordnung erleichtert also die Zerstörung von Naturschutzgebieten mit dem Ziel, die Staatseinnahmen zu erhöhen. Die Tatsache, dass die Verordnung gerade mal zwei Monate nach der Weltklimakonferenz in Bali erlassen wurde, zeigt allzu deutlich, dass die Regierung kein umfassendes Konzept hat, um der Umweltkrise zu begegnen. Aussagen über die Rettung der Wälder und den Klimaschutz erscheinen einem da als leeres Gerede.

Welche Position vertritt Walhi, was muss eurer Ansicht nach geschehen, um der Umweltkrise zu begegnen?

Walhi arbeitet konsistent zum Schutz des Waldes, wobei uns der enge Zusammenhang von Entwaldung und der Degradierung des Waldes mit dem Klimawandel bewusst ist. Zum einen fordern wir ein Moratorium des Holzeinschlages vor allem in sensiblen Wäldern wie z.B. Torfwäldern. Zum anderen legen wir den Finger auf die Forstpolitik, arbeiten auf eine andere Praxis der Konzessionsvergabe und ein Ende der Korruption im Forstwesen hin. Mit ernsthaften Maßnahmen in dieser Richtung muss die indonesische Regierung zeigen, dass sie Verantwortung übernehmen und die Probleme ernsthaft angehen will. Doch im Vordergrund unserer Arbeit stehen soziale Aspekte. Die Bevölkerung ist mit fundamentalen existentiellen Problemen konfrontiert. Wir wollen, dass die Menschen trotz Klimawandel und Verarmung überleben können.

Was muss sich darüber hinaus außerhalb Indonesiens tun, damit der Entwaldung Einhalt geboten werden kann?

Die Entwaldung Indonesiens ist ein globales Problem. Deshalb sind Maßnahmen, die das Problem nur im Lande angehen wollen, zum Scheitern verurteilt. Man wird die Emissionen aus der Entwaldung und der veränderten Landnutzung (Umwandlung von Wald in Plantagen) nicht reduzieren können, wenn die Staaten des Nordens ihren hohen Bedarf an Mineralien, Holz, Papier und Palmöl bei uns decken, ohne ihren Verbrauch zu senken. Die Staaten des Nordens sollen nicht scheinheilig Indonesien in die Pflicht rufen, während sie weiterhin von der Ausbeutung unserer Rohstoffe profitieren.

Nicht erst seit Bali wird der Handel mit Emissionsrechten als Lösung für die globalen Klimaprobleme diskutiert. Wie ist deine Meinung hierzu?

Es macht für mich wenig Sinn darüber zu sprechen, welches Land wie viele Emissionen verursacht. Indonesien steht auf der Liste der Staaten mit den höchsten Emissionen nach den USA und China auf Platz drei. Die Emissionen sind jedoch Folge einer globalen Produktionsordnung. Global gesehen ist Indonesien der Garten und China die Küche. Länder wie Indonesien liefern die Rohstoffe, während in Ländern wie China produziert wird. Konsumiert wird jedoch weiterhin größtenteils in den Ländern des Nordens. Deswegen macht es keinen Sinn, nur in Indonesien anzusetzen. Folge eines solchen Vorgehens wird sein, dass das Überleben der armen Bevölkerung nicht garantiert ist. Was fehlt, ist ein ganzheitlicher Ansatz, eine humane Entwicklung. Die Umweltzerstörung wird zwar nicht mehr direkt von den Industriestaaten verursacht, sondern von der lokalen Industrie im Süden. Die wird aber durch Banken und Finanzinstitutionen des Nordens finanziert. Diese scheuen sich nicht, in unverantwortliche Unternehmen in Entwicklungsländern zu investieren. Indem der Norden nicht mehr direkt, sondern als Financiér für unverantwortliche Unternehmen auftritt, zieht er sich aus der Verantwortung und geht finanziellen und Image-Risiken aus dem Weg.

Der Emissionshandel bietet deiner Meinung nach also keine Lösung?

Eher nicht. Es kann nicht allein darum gehen, auszurechnen, wieviel Kohlenstoff emittiert wird. Man muss die Verknüpfung mit dem globalen Handel sehen. Es macht mich wütend, dass nun Marktmechanismen als Lösung diskutiert werden. Sogar Sir Nicholas Stern gibt in seinem Bericht zu, dass der Klimawandel auf ein Scheitern des Marktes zurückzuführen ist. Und trotzdem werden zur Lösung der Probleme nur neue Marktmechanismen vorgeschlagen, auch in Bali. Ich bekomme so den Eindruck, dass die internationale Politik nicht wirklich willens ist, Lösungen zu finden. Es geht vielmehr darum, neue Märkte zu schaffen, eben für den Handel mit Emissionszertifikaten.

Wie sollte das Problem deiner Meinung angegangen werden?

Walhi will der Welt klar machen, dass bestimmte Gruppen, die bisher für die Umweltzerstörung verantwortlich waren, von der jetzigen Situation profitieren wollen. Die Rolle dieser Akteure wollen wir verringern. Gerade die Weltbank mit ihrem Modell zur Emissionsverringerung durch den Erhalt der Wälder (REDD) ist unserer Ansicht nach nicht der richtige Akteur, den Wald zu retten. Schließlich ist sie mit ihren Investitionen in Industrien, die für die Entwaldung in Indonesien verantwortlich sind, mitverantwortlich für die CO2-Emissionen. Anstatt neue Märkte zu schaffen, sollte man besser über die Verknüpfung von Umweltzerstörung und globalem Handel reden. Die internationalen Handelsabkommen sind vorteilhaft für die Industriestaaten, während die Entwicklungsländer reine Rohstofflieferanten sind. Aber wer bezahlt die Folgeschäden? Wer ist beteiligt an der Zerstörung der Wälder des Südens? Wer profitiert davon? Kurz, es geht nicht nur um den Klimawandel, es geht um globale Klimagerechtigkeit.

Welche konkreten Forderungen oder Handlungsvorschläge hat Walhi gegenüber Deutschland?

Ganz konkret sollte Deutschland sich für die Rücknahme der EU- Zielvorgaben für Agrotreibstoffe stark machen. Die EU fordert, dass die tropischen Staaten etwas gegen die Entwaldung tun. Gleichzeitig aber fördern die Zielvorgaben die Nachfrage nach „Bio“diesel und damit die Entwaldung. Das ist widersprüchlich und inkonsequent. Nicht zuletzt sollte Deutschland bereit sein, einen echten Technologietransfer in Ländern des Südens durchzuführen, damit der Süden sich an den Klimawandel anpassen kann. Mir ist dabei wichtig, dass das technische Wissen geteilt und nicht einfach an den Süden verkauft wird. <>


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