Fragwürdig: Morde in Timor – was tun?

Neues Deutschland, 29. September 2000

Neues-Deutschland

Interview mit Monika Schlicher

Die promovierte Politologin (35) ist Sprecherin der in Berlin ansässigen Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia!

In der westtimoresischen Grenzstadt Atambua haben vor kurzem pro-indonesischen Milizen – offenbar mit Rückendeckung des indonesischen Militärs – UNO-Helfer getötet. Welche Konsequenzen sollten sich daraus ergeben?

Unsere Forderung lautet: Die Entwaffnung dieser Milizen, die vor einem Jahr in Osttimor gewütet haben, muss massiv vorangetrieben werden und die Flüchtlinge, die vor einem Jahr auf der Flucht vor dem Terror der Milizen auch in Westtimor Schutz suchten, müssen ungehindert nach Osttimor zurückkehren dürfen. In diesem Sinne muss sich auch die Bundesregierung gegenüber Indonesien stark machen.
Monika Schlicher
Welche Erwartungen haben Sie?

Gefordert sind jedenfalls Taten statt Worte. Wir beobachten in letzter Zeit ein Wiedererstarken des Militärs. Das Militär ist momentan die stärkste Kraft in Indonesien, die die Demokratisierung zu unterlaufen versucht und darum bemüht ist, die eigenen Pfründe zu sichern. Das Militär steckt mit den Milizen unter einer Decke. Wenn das Militär es wollte, könnten diese Milizen entwaffnet werden. Die neue Regierung in Indonesien mag den politischen Willen dazu haben, aber sie hatte bisher nicht die Macht dazu. Und es bleibt abzuwarten, ob die Milizen – wie jetzt von der Regierung gefordert – in dieser Woche ihre Waffen wirklich abgegeben.

Wenn ja – wäre das Problem damit geklärt?

Nein. Damit wäre ja die Rolle des Militärs noch nicht grundlegend verändert. Die gegenwärtige Situation auf Timor gefährdet auf Dauer die ganze Region. Und das darf auch der internationalen Gemeinschaft nicht gleichgültig sein.

Verbietet sich vor diesem Hintergrund nicht auch jegliche militärische Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit Indonesien?

Ja, das ist auch eine zentrale Forderung der Nichtregierungs-Organisationen: Keine Zusammenarbeit – in welcher Form auch immer – mit dem indonesischen Militär, bevor es nicht unter parlamentarische Kontrolle gestellt ist. Zugleich gibt es eine gemeinsame Erklärung verschiedener europäischer Menschenrechtsorganisationen, die sich dafür einsetzen, dass das EU-Waffenembargo – ein Embargo von Waffenexporten und militärischer Zusammenarbeit sowie Ausbildungshilfen – wieder eingesetzt wird. Es war ein schwerer Fehler, dieses Embargo so früh aufzuheben. Man hatte darauf gebaut, dass die demokratisch gewählte Regierung die Dinge richten wird. Doch das ist bisher nicht geschehen.

Gibt es nicht auch andere Möglichkeiten, Druck auf Jakarta auszuüben?

Ja. Die internationale Föderation für Osttimor, ein Zusammenschluss von 39 Nichtregierungs-Organisationen, verlangt in einem Schreiben an James D. Wolfensohn, Präsident der Weltbank, das vorgesehene Treffen des Geldgeberkonsortiums für Indonesien auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Indonesien hat gegenwärtig keinen Anspruch auf internationale Hilfe. Zuvor sollten einige Bedingungen erfüllt sein, z.B. die Entwaffnung und Auflösung aller Milizen, eine unabhängige Untersuchung jenes Verbrechens in Atambua, wo die Milizen wehrlose UN-Mitarbeiter ermordeten, sowie die Rückführung aller rückkehrwilligen osttimoresischen Flüchtlinge. <>

Fragen: Thomas Klein


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