Landesübersicht Osttimor

Das Südostasien Magazin, Nr. 0, Oktober 2006
von Monika Schlicher, Watch Indonesia!

bandeiraOsttimor, der jüngste und auch der ärmste Staat in Südostasien, wurde am 20. Mai 2002 von UN-Generalsekretär Kofi Annan in die Unabhängigkeit entlassen. Die geteilte Insel am östlichen Ende des malaiischen Archipels liegt weit von den Machtzentren der Welt entfernt, und doch wurde sie immer wieder zum Spielball fremder Mächte. Diese übergeordnete Interessenpolitik bestimmt noch heute das Schicksal des jungen Staates.

Die Insel Timor ist mit einer Größe von rund 34.000km2 die größte der kleinen Sunda-Inseln.. Der einst zum portugiesischen Kolonialreich gehörende Ostteil der Insel umfasst rund 19.000km2 einschließlich der vorgelagerten Inseln Atauro im Norden und Jaco im Osten, sowie der Enklave Oecussi-Ambeno im Westteil der Insel. Das Landesinnere ist von mehreren Gebirgsketten durchzogen, mit dem Mate Bian Massiv (2.316m) im Osten und dem Ramelau Massiv im Westen (2.964m). Das tropische Klima unterteilt das Jahr in eine Regen- und eine lange Trockenperiode. Wiederkehrend kommt es zu Nahrungsmittelknappheit. Der junge Staat zählt rund 1.04 Millionen Einwohner, davon leben ca. 170.000 Einwohnern in der Hauptstadt Dili.

Die Aussicht auf einen lukrativen Handel brachte die Portugiesen zu Anfang des 16. Jahrhunderts in dem malaiischen Archipel, auf der Suche nach dem begehrten Sandelholz segelten sie nach Timor. Im Laufe der intereuropäischen Auseinandersetzung um die Vorherrschaft im Kolonialhandel eroberten die Niederländer 1641 den bedeutendsten Handelshafen Malakka und verdrängten die Portugiesen nahezu aus Südostasien. Letztendlich blieb ihnen nur Macau und der Ostteil der Insel Timor. Mitte des 19. Jahrhunderts schlossen die Niederlande und Portugal einen offiziellen Vertrag über die Teilung der Insel. Das ehemalige Niederländisch-Ostindien wurde nach dem 2. Weltkrieg zur Republik Indonesien. Osttimor verblieb bis 1974 bei Portugal. Es galt als ein verschlafener Außenposten und zählte schon damals zu den ärmsten Gebieten der Welt: Portugal hatte weder in die wirtschaftliche Entwicklung investiert noch in Schulbildung und Gesundheitswesen. Zur Monoexportkultur wurde der im 18. Jahrhundert eingeführte Kaffee.

Los Palos

Foto: Maria Tschanz

Die Nelkenrevolution bereitete der Diktatur in Portugal ein Ende und machte den Weg frei für die Dekolonisation der „Überseeprovinzen“. In Osttimor bildeten sich Parteien: Die Fretilin (Frente Revoluçionaria do Timor Leste Independente) trat für die Unabhängigkeit ein, die UDT (União Democratica Timorense) sprach sich für eine übergangsweise Föderation mit Portugal und anschließende Unabhängigkeit aus und die Apodeti (Associação Popular Democratica Timorense) befürwortete den Anschluss an Indonesien. Im August 1975 kam es zum Bürgerkrieg zwischen der UDT und der Fretilin, fluchtartig verließ Portugal die Insel. Einseitig erklärte die Fretilin am 28. Nov. 1975 die Unabhängigkeit, am 7. Dez. 1975 überfiel Indonesien mit Billigung westlicher Regierungen Osttimor und einverleibte sich das Gebiet als 27. Provinz. Mit unglaublicher Brutalität bekämpfte Indonesiens Armee nicht nur den bewaffneten Widerstand Osttimors (Falintil), sondern auch die Zivilbevölkerung wurde systematisch mit Terror und Gewalt überzogen. Mit dem Abschlussbericht von Osttimors nationaler Wahrheits- und Versöhnungskommission liegt erstmals eine offizielle Gesamtdarstellung der Menschenrechtsverletzungen vor. Demzufolge sind zwischen 1975 und 1999 bis zu 183.000 Menschen konfliktbedingt um Lebens gekommen. Die anhaltenden Repressionen von Seiten der indonesischen Streitkräfte ließen den Widerstand zu einem breiten, zivilen Bündnis anwachsen, angeführt vom heutigen Präsidenten Osttimor, Xanana Gusmão.
Obgleich die Vereinten Nationen die Annexion nie anerkannt hatten, ist die Weltgemeinschaft erst spät eingeschritten. Zu bedeutsam waren die wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen an dem riesigen Land Indonesien mit seinen mehr als 200 Millionen Einwohnern und seinen Naturressourcen. Das Massaker auf dem Santa Cruz Friedhof in Dili am 12. November 1991 schreckte die Öffentlichkeit auf und mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Bischof Belo und den im Exil lebenden Politiker José Ramos Horta 1996 setzte eine verhaltene Korrektur der Außenpolitik gegenüber Indonesien ein.

Doch erst die nach Ende des Kalten Krieges veränderten internationalen Kräfteverhältnisse und vor allem der im Mai 1998 erzwungene Rücktritt von Präsident Suharto, der Indonesien 32 Jahre lang diktatorisch regiert hatte, ermöglichten eine politische Lösung des Konfliktes.

Unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen stimmten Indonesien und Portugal am 5. Mai 1999 einem Vertragswerk zu, das eine Volksbefragung über die Zustimmung oder Ablehnung einer „weitreichenden Autonomie“ von Indonesien vorsah. Den UN wurde die Aufgabe übertragen, eine freie und faire Befragung durchzuführen. Eine Überwachung der vertraglichen Bestimmungen durch bewaffnete UN-Sicherheitskräfte lehnte Indonesien ab, garantierte aber die strikte Neutralität von Militär und Polizei, denen die Aufgabe übertragen wurde, für ein Klima frei von Gewalt und Einschüchterung zu sorgen.

Mit einer überwältigenden Mehrheit von 78,5 Prozent stimmten die Osttimoresen am 30. August 1999 für die Loslösung von Indonesien. Pro-indonesische Milizen, die als Handlanger des indonesischen Militärs agierten und die Bevölkerung schon vor dem Referendum terrorisierten, legte daraufhin das Land in Schutt und Asche. Sie vertrieben Hundertausende ins benachbarte Westtimor. Mindestens tausend Menschen wurden in diesen Tagen getötet. Aufgeschreckt drängten UN und Staatengemeinschaft die Regierung Indonesiens, dem Einsatz einer multinationalen Friedenstruppe zuzustimmen. Als die International Forces for East Timor (INTERFET) am 20. September 1999 in Osttimor landeten, stand die Hauptstadt Dili in Flammen, das Land war zu 70% zerstört.

Letefoho

Foto: Maria Tschanz

Im Oktober 1999 übertrug der Sicherheitsrat den Vereinten Nationen das Mandat zum Aufbau der Verwaltung in Osttimor (Resolution 1272; UN Transitional Authority for East Timor – UNTAET) im Rahmen einer friedensbildenden Maßnahme mit Blauhelmen. Außerdem wurde UNTAET die Koordination der humanitären Hilfe übertragen sowie die Durchführung freier Wahlen. Zur Teilhabe der politischen Vertreter Osttimors an der Planung und am Aufbau des Landes wurde ein East Timor Transitional Government (ETTA) eingerichtet, die legislative wie exekutive Verfügungsgewalt lag beim Leiter der UNTAET Mission, dem Brasilianer Sergio de Mello. Zwei Jahre nach dem Referendum, am 30. August 2001, wurden Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung von UNTAET durchgeführt. Am 14. April 2002 wählte Osttimor den Widerstandsführer Xanana Gusmão zum Präsidenten und am 20. Mai 2002 wurde das Land in die Unabhängigkeit entlassen. Die Vereinten Nationen sahen sich zwar auch danach noch in der Verantwortung, reduzierten ihre Mission jedoch immer mehr und zogen sich verfrüht aus Osttimor zurück.
Der Aufbau eines demokratischen Staatswesens benötigt Zeit, zumal Osttimor nicht auf Erfahrungen zurückgreifen kann. Die Vereinten Nationen haben Geburtshilfe geleistet, doch mit der Unabhängigkeit war die Infrastruktur für ein funktionierendes demokratisches Staatswesen nicht ausreichend eingerichtet. Die staatlichen Institutionen sind schwach und anfällig, auf vielen Ebenen sind Regierungsbeamte und staatliche Bedienstete nicht genügend für die Arbeit qualifiziert. Mit der Ausbildung von Fachkräften kämpft der junge Staat in vielen Bereichen. Die Schwächen der Institutionen offenbaren sich am augenscheinlichsten im Sicherheitssektor und im Justizapparat. Das Justizwesen ist kaum funktionsfähig, der Sicherheitssektor mit der politischen Krise im ersten Halbjahr 2006 gänzlich in sich zusammengebrochen.

Osttimor hat ein präsidiales Regierungssystem. Regierungspartei ist die ehemalige Widerstandspartei Fretilin mit 55 von 88 Sitzen im Parlament. Das Parlament umfasst mehrere Kammern und seine Mitglieder werden alle fünf Jahre in freien Wahlen bestimmt. Auch der Präsident von Osttimor wird alle fünf Jahre gewählt. Seine Befugnisse sind eher symbolischer Natur, allerdings besitzt er eine Vetorecht bei der Gesetzgebung. Zum ersten Regierungschef wurde Mari Alkatiri (Fretilin) bestimmt, der Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta bekleidete das Amt des Außenministers.

Premierminister Mari Alkatiri, und mit ihm weitere seiner Regierungsmitglieder, sind bei vielen nicht beliebt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie während der indonesischen Besatzungszeit im Exil in Mosambik weilten. Nach dem Referendum für die Unabhängigkeit kehrten sie zurück und besetzten Schlüsselpositionen in der Fretilin. In recht undemokratisch anmutenden Äußerungen untersteicht Mari Alkatiri häufig den absoluten Führungsanspruch seiner Partei und begegnete Kritik unverhältnismäßig mit repressiven Maßnahmen.

Osttimor befindet sich im Übergang von einem gewaltsamen Konflikt hin zu einem stabilen Friedensprozess und dem Aufbau einer Nation. Doch die Unzufriedenheit und Frustration in der Bevölkerung wuchsen und entluden sich gewaltsam im ersten Halbjahr 2006. Hoffnungen, mit der Unabhängigkeit würde auch eine Verbesserung ihres Lebensstandards einhergehen, haben sich für die wenigsten bislang erfüllt. Osttimor ist sieben Jahre nach der Zerstörung des Landes durch pro-indonesische Milizen bitterlich arm und unterentwickelt. Rund 80% der Bevölkerung Osttimors sind in der Landwirtschaft tätig, die überwiegend auf Subsistenzniveau betrieben wird. Ein produzierendes Gewerbe hat sich bislang kaum entwickelt. Osttimor exportierte 2005 Waren in der Höhe von 10 Mio. US Dollar, demgegenüber standen Importe in der Höhe von 202 Mio. US Dollar. Die Hälfte der Menschen sind Analphabeten, die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 55,5 Jahren. Über 40 Prozent der Bevölkerung lebt von weniger als einem halben Dollar am Tag. Es herrscht ein erheblicher Mangel an Fachkräften vor allem an Leitungskräften. Gerade viele junge Menschen – die Hälfte der rund 1,04 Mio. Einwohner Osttimors ist unter 15 Jahre alt, 2/3 sind unter 25 Jahre – sind arbeitslos und ohne Zukunftsperspektive. Das ist eine Zeitbombe. Zugleich erlebt Osttimor einen enormen Babyboom – zehn Kinder sind nicht unüblich. Das kann tödlich sein, denn Osttimor hat zur Zeit die höchste Geburten- und auch die höchste Mütter- und Kindersterblichkeitsrate weltweit. Rund 20% der Kinder leiden an chronischer Unterernährung, Malaria, Tuberkulose und Durchfall die häufigste Todesursache. Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit sind weder hilfreich bei der Suche nach Identität und Nationalgefühl noch stärken sie Friedensprozesse.

ASDT

Foto: Monika Schlicher

Hinzu kommt, dass zu offiziellen Amtssprachen Osttimors die lokale Sprache Tetum und die ehemalige Kolonialsprache Portugiesisch bestimmt wurden. Bahasa Indonesia und Englisch gelten als Arbeitssprachen, solange sie gebraucht werden. Diese Sprachregelung ist nicht unumstritten und stellt die Mehrheit der Bevölkerung vor große Probleme. Portugiesisch wurde insbesondere von der timoresischen Exil-Elite – stark vertreten in der bestimmenden Partei Fretilin – und den kirchlichen Vertretern favorisiert, wird jedoch von der breiten Bevölkerung nicht gesprochen. Ca. 60% sind der indonesischen Sprache mächtig, das während der Besatzung Amts- und Unterrichtssprache war. Insbesondere die jüngere Generation kennt nur das Indonesische und wird mit der Sprachenregelung politisch ausgegrenzt.

Erst Mitte 2001 konnte der Schulbetrieb in Osttimor wieder aufgenommen werden. Heute besuchen rund 80% der schulpflichtigen Kinder eine Schule. Portugal und die portugiesischsprachigen Länder fördern die Lehrerausbildung und haben viele Lehrer nach Osttimor geschickt. Die Umstellung auf die neue Sprache schwierig. Der Unterricht findet auf portugiesisch statt, zu Hause und im Alltag wird in Tetum gesprochen. Zur Zeit beenden nur die Hälfte alle Schulgänger die Grundschule. Auch das Niveau an den Universitäten ist sehr bescheiden, es fehlt an qualifizierten Dozenten und auch hier trägt die Sprachenregelung zum Absinken des Bildungsniveaus bei.

Bilateral und multilateral haben Staaten und Organisationen umfangreich Mittel für humanitäre Nothilfe, Wiederaufbau und die Entwicklung des Landes in allen Bereichen zur Verfügung gestellt. Die sechs größten Geldgeber Osttimors sind Australien, Japan, Portugal, die Europäische Union, die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien. Nachdem die akute Not- und Wiederaufbauphase abgeschlossen war, ging die Zusammenarbeit in die normale Entwicklungshilfearbeit über. Auch Deutschland hat den Aufbau des zerstörten Osttimor unterstützt und ist heute aktiv tätig in der ländlichen Entwicklung. Ein Schwerpunkt in der Entwicklungszusammenarbeit stellt die Unterstützung der Schiffsverbindung zwischen Dili und der Enklave Oecussi in Westtimor dar.

Osttimors Reichtum liegt im Meer. Im März 2003 unterzeichneten Osttimor und Australien ein Abkommen zur Ausbeutung des Bayu Undan Ölfeldes. Der Vertrag sieht eine Aufteilung der Öleinnahmen von 90:10 für Osttimor vor. Der Vertrag sieht nur auf den ersten Blick vorteilhaft für Osttimor aus, denn das Öl wird nach Darwin/Australien gepumpt und von dort weiterverarbeitet. Nach langwierigen Verhandlungen einigten sich die beiden Staaten zu Anfang 2006 auf einen Kompromiss bei der Ausbeutung des Greater Sunrise Öl- und Gasfeldes. Die erhofften 20 Milliarden US-Dollar werden sich die Staaten 50:50 teilen und für 50 Jahre ihren Grenzstreit über das Seegebiet ruhen lassen. Die Gewinne fließen in Osttimor in den dafür eingerichteten Petroleum-Fonds. Mit den Mittel sollen Entwicklungsprojekte gefördert werden. Die Bekämpfung der Armut, die Förderung von wirtschaftlicher Entwicklung und Bildung, Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur und des Gesundheitswesens sind der Schlüssel zur friedlichen und nachhaltigen Entwicklung des jungen Landes, und können nur erfolgreich mit einer funktionierenden Verwaltung umgesetzt werden. Wie wenig Nachhaltig der Aufbau der Nation bisher war, zeigt die tiefgehende politische Krise, in die das Land 2006 hineinschlitterte.

Osttimor Letefoho

Foto: Maria Tschanz

Anfang des Jahres zog eine Gruppe von Soldaten, unzufrieden darüber, dass ihre Beschwerden kein Gehör fanden, vor den Präsidentenpalast. Sie beklagten gegenüber Präsident Xanana Gusmão, der zugleich der Oberkommandierende der Streitkräfte ist, dass sie bei Beförderungen übergangen werden, weil sie aus dem westlichen Teil von Osttimor stammen. Die Ostprovinzen in Osttimor gelten hingegen die Hochburg des Widerstandes gegen die indonesischen Besatzer. Osttimors 1.600 Mann starke Armee, die Falintil-FDTL (Forças de Defensa de Timor Leste) wurde ins Leben gerufen, um die ehemaligen Kämpfer des bewaffneten Widerstandes Falintil zu integrieren und führt ihre Identität im Namen weiter. Bis um heutigen Tag fehlt es für die Armee an einem klaren Mandat, an Ressourcen und an einer funktionierenden Kontrolle durch Parlament und Regierung. Eine Ursache hierfür sind die ideologischen und persönlichen Differenzen, die es im osttimoresischen Widerstand gab, die bei der Bildung der Armee und auch ihres direkten Gegenspielers, der Polizei, in die Institutionen hineingetragen wurden. Die Spannungen zwischen Osttimors Armee und der Polizei schwelten seit Anbeginn der Unabhängigkeit.

Präsident Xanana versprach den protestierenden Soldaten, sich ihrer Beschwerden anzunehmen, und schickte sie zurück in die Kasernen. Doch dem folgten keine Taten. Erneut rückten die Soldaten aus, mehr und mehr schlossen sich ihnen an. Daraufhin ließ Premierminister Alkatiri sie über ihren Befehlshaber Taur Matan Ruak entlassen. In den folgenden drei Monaten zeigte sich die Regierung unempfänglich dafür, dass dieser Schritt keine Lösung des Problems darstellte. Sie ignorierte die Ängste und Stimmung in der Bevölkerung vor einem erneuten Bürgerkrieg und ließ zu, dass der von den Soldaten als Problem identifizierte Gegensatz zwischen dem Osten und Westen in Osttimor auf die Gesellschaft übergriff, was in der heutigen Führungskrise mündete.

Am 28. April endete eine Demonstration der 591 entlassenen Soldaten gewaltsam. Osttimors Regierung unter Premierminister Mari Alkatiri rief zur Unterstützung der Polizei die Armee zu Hilfe und erteilte Schießbefehl. Nach einem Feuergefecht mit den entlassenen Soldaten sind am nächsten Morgen nach Regierungsangaben 6 Tote und 80 Verletzte zu beklagen. Vermittlungsversuche durch Ramos-Horta wie Präsident Xanana trugen keine Früchte. Am 23. Mai eskaliert die Gewalt: Armee kämpft gegen Armee, die Armee gegen die Polizei, die sich gleichfalls entlang ethnischer Zugehörigkeiten aufspaltete. Binnen zwei Tagen brach in Dili die öffentliche Ordnung zusammen. Regierung und Präsident sahen keine andere Möglichkeit mehr, als das Ausland um Unterstützung zu bitten. Australien, Neuseeland, Malaysia und Portugal waren umgehend bereit, Soldaten und Polizei zu schicken. Der Hilferuf nach ausländischen Truppen kam einer politischen Bankrotterklärung der Regierung gleich, die das Vertrauen der Bevölkerung verspielt hat. Die Hoffnung, mit Ankunft der Truppen werde sich die Lage sofort unter Kontrolle bringen lassen, erfüllt sich nicht. Durch das Machtvakuum hatten sich in den Stadtvierteln rivalisierende Banden junger Männer aus dem Ost- und Westteil des Landes bebildet, die marodierend durch die Stadtviertel zogen, Häuser anzündeten und ihrer Zerstörungswut freien Lauf ließen. Rund 150.000 Menschen suchten Zuflucht in kirchlichen Einrichtungen, überall entstanden Flüchtlingslager. Nur langsam bekamen die rund 2.400 ausländischen Soldaten die Lage unter Kontrolle. Der Verteidigungsminister und der Innenminister mussten zurücktreten. Letzterer steht heute unter Anklage, zur Bekämpfung politischer Gegner Milizen bewaffnet zu haben, angeblich auf Befehl von Premierminister Mari Alkatiri. Erst massiver Druck von Xanana Gusmão und José Ramos-Horta, die mit Rücktritt drohten, sowie anhaltenden Demonstrationen, konnten Alkatiri am 26. Juni zur Aufgabe bewegen. Am 8. Juli fand sich nach zähem Ringen ein politischer Kompromiss: José Ramos-Horta übernahm bis zu den für Frühjahr 2007 angesetzten Parlamentswahlen das Amt des Premierministers, seinem Kabinett gehören aber auch neun Minister der alten Regierung an. Zur Stabilisierung der Lage haben die Vereinten Nationen eine neue Mission für Osttimor bewilligt, die 1.608 Polizisten umfassen wird. Die UN-Polizisten können dabei helfen, die Sicherheit wieder herzustellen, doch Aufgabe der Regierung Osttimor ist es, das Vertrauen der Bevölkerung zurück zu gewinnen und einen sichtbaren Beitrag zur Entschärfung der Konflikte zu leisten.<>


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