Indonesien-Information Nr. 3 1994 (ArbeiterInnen)

 

 

Kommentar

zu Jürgen Dauths Artikel „Unruhe auf dem Campus“ (FR, 7.2.94) und „Einmal jährlich dürfen sie sogar spielen“ (FR, 20.6.94)


Es freut uns, in der Frankfurter Rundschau mitunter einen Artikel über Arbeitslosigkeit, Kinderarbeit und andere soziale Probleme in Indonesien zu finden. Jürgen Dauth gibt sich Mühe, den LeserInnen der FR den Blick für die Probleme in Indonesien zu schärfen. Es ist allerdings schade, wenn ihm gerade dabei Fehler unterlaufen, wie die Verwechslung der offiziellen staatlichen Gewerkschaft SPSI mit Muchtar Pakpahans freier Gewerkschaft SBSI (20.6.94). Sicher, eine Kleinigkeit, kann passieren. Vielleicht nicht mehr als ein Tippfehler, könnte die Verwechslung unliebsame Folgen haben. Denn gerade Deutschlands klassische „Arbeiterbewegung“, SPD, DGB und Friedrich-Ebert-Stiftung, tut sich schwer, ihre jahrelange Unterstützung der SPSI zugunsten von SBSI aufzugeben. Dabei spielen politische Gründe sicher die tragendere Rolle, aber ganz bestimmt ist zusätzliche Verwirrung wegen eines Tippfehlers hier nicht gerade hilfreich. Eine immer wieder gestellte Forderung streikender ArbeiterInnen in Indonesien lautet: Auflösung der SPSI! Was denkt eine fachunkundige deutsche PolitikerIn, wenn sie diesen Slogan auf einem Transparent liest?

Ärgerlicher als diese Verwechslung ist jedoch die Art und Weise, wie islamische Gruppierungen dargestellt werden. Beim Lesen des Artikels vom 7.2.94 hat man den Eindruck, das in Deutschland vorherrschende Bild des Islams als einer fanatischen Religion und Bedrohung wird gepflegt, um den Bericht dramatischer erscheinen zu lassen.

Dauth hat recht, wenn er von zunehmenden sozialen Spannungen und wachsender Unzufriedenheit bei der Jugend Indonesiens schreibt. Zunehmend trauen sich die Menschen, die wegen der Anlage von Golfplätzen von ihrem Land vertrieben werden, oder ArbeiterInnen, die unterbezahlt werden, ihre Kritik auf die Straße zu tragen. Aber Dauth zufolge gehen die „islamisch-fundamentalistischen Jugendverbände“ auf die Straße. Wen meint er damit?

Wie in vielen Ländern sind in Indonesien zahlreiche StudentInnen politisch aktiv, obwohl die Regierung dagegen zu repressiven Mitteln greift. Letzten November wurde auf einer Demonstration gegen die Staatslotterie der Studentenaktivist Nuku verhaftet und später wegen „Majestätsbeleidigung“ zu 5 Jahren Knast verurteilt. Nuku, der aus einer streng islamischen Familie kommt, machte auf einem Flugblatt deutlich, daß die Kritik gegen die Lotterie nicht in erster Linie auf der islamischen 'Moral' beruhte, welche Glücksspiele verbietet, sondern daß Kritik an der Lotterie symbolisch für die Kritik am Staatspräsidenten stand. Mit einer 'islamischen Begründung' war es weniger gefährlich, diese Kritik öffentlich zu vertreten.

Einige islamische Organisationen zählen zu den gesellschaftlichen Gruppen, die der Kritik breiter Schichten an der ungerechten Verteilung des Wohlstands Stimme verleihen. Nadhlatul Ulama (NU), die größte islamische Vereinigung Indonesiens, mit ihrem Vorsitzenden Abdurrachman Wahid, gehört beispielsweise zu den Gruppen, „die den Kurs der Regierung kritisieren, der die Kluft zwischen der kleinen Wohlstandselite und dem breiten Heer der Habenichtse immer größer werden läßt,“ wie Dauth zurecht schreibt.

Warum werden in diesem Zusammenhang so negativ besetzte Begriffe verwendet wie „Drahtzieher“ oder „fundamentalistisch-islamisch“ ? Und warum wird unterstellt, die Islamisten hätten wachsenden Einfluß, weil sie die Frustrationen der arbeitslosen Jugendlichen ausnutzen?

Islam in Indonesien ist eine sehr vielfältige Erscheinung. In Deutschland kennen wir sehr unterschiedliche Leute mit sehr unterschiedlichen Zielen im christlichen Spektrum. So gibt es in Indonesien den bereits erwähnten Abdurrachman Wahid auf der einen Seite, der den StudentenaktivistInnen nahesteht und zu den Führern der Demokratiebewegung gehört. Bei Nukus Hochzeit im Gefängnis sollte Wahid die Trauung übernehmen. Auf der anderen Seite gibt es Forschungs- und Technologieminister Habibie, der ebenfalls Führer einer islamischen Organisation, der Vereinigung islamischer Intellektueller (ICMI), ist. ICMI ist eine Eliteorganisation und Habibie redet nicht von sozialer Gerechtigkeit, sondern treibt ganz im Gegenteil eine High-Tech-Entwicklungsstrategie voran, die die sozialen Bedürfnisse der breiten Masse übersieht.

Laut Dauth gibt es einen „wachsenden Einfluß der indonesischen Islamisten, die das säkulare Gesellschaftssystem zugunsten eines stärkeren Einflusses des Islams umkrempeln wollen“. Schon an den beiden oben dargestellten Personen wird deutlich, daß „den Einfluß des Islams stärken“ völlig Unterschiedliches bedeuten kann und nur im komplexen Kontext der sozialen und politischen Situation Indonesiens zu verstehen ist. Dazu gehören die extreme Kluft zwischen reich und arm, die massive Unterdrückung jeglicher Opposition uvm. Gerade diese Zusammenhänge werden in dem Artikel nicht verständlich, sondern es bleibt nur der Eindruck einer konspirativen und gefährlichen islamischen Bewegung haften. <>
 
 

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