Indonesien-Information Nr. 3 2002 (Westpapua)

 

Freeport-Morde weiterhin im Nebel

von Jasmin Freischlad und Nikola Hüging


 
Selbst Wochen nach dem brutalen Überfall auf Freeport-Mitarbeiter auf der Straße von Timika nach Tembagapura in Westpapua, bei dem ein Indonesier und zwei Amerikaner erschossen sowie zwölf weitere Personen verletzt wurden, lässt sich über die Hintergründe der brutalen Tat nur spekulieren. Der Vorfall ereignete sich am 31. August, als eine Gruppe von etwa 15 bewaffneten Männern (nach Angaben von Mahidin Simbolon, des Militärchefs von Westpapua) zwei Kleinbusse einer der größten und profitabelsten Gold- und Kupferminen der Welt - PT Freeport - überfiel. Die Insassen waren hauptsächlich amerikanische Lehrer und deren Familien, die von der internationalen Schule für Freeport-Angestellte in Timika unterwegs waren.

Der Anschlag kann sowohl vor dem Hintergrund eines langjährigen Konflikts zwischen der indonesischen Regierung und den papuanischen Unabhängigkeitsbestrebungen betrachtet werden (symbolisiert durch die OPM (Organisasi Papua Merdeka), und deren bewaffnetem Arm TPN), als auch vor dem Hintergrund des Konfliktes zwischen den einheimischen Papua und Freeport sowie der Verflechtung zwischen Freeport und der indonesischen Armee. In diesem Zusammenhang ist es in der Vergangenheit immer wieder auch zu gewaltsamen Aktionen von Seiten der Papuas und der OPM gekommen, gleichfalls machte sich das indonesische Militär schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig, und Freeport stand wegen der Mitverantwortung an den Menschenrechtsverletzungen immer wieder in der Kritik.

Niemand kann derzeit beweisen, wer für die Morde verantwortlich ist - das ist bisher der einzige Schluss, der sich ziehen lässt. Dass die TNI (Tentara Nasional Indonesia; die indonesischen Streitkräfte) sofort mit dem Finger auf die OPM zeigte und umgekehrt deren Sprecher im Einklang mit Vertretern des Papua-Präsidiums und  Nichtregierungsorganisationen umgehend die TNI (bzw. deren Elitetruppe Kopassus) beschuldigten, ist lediglich eine natürliche Reaktion und sagt nichts über die tatsächlichen Hintergründe des Geschehens aus.

Profitieren könnten von der Tat verschiedene Parteien, abhängig davon, ob der Vorfall aufgedeckt wird oder nicht, bzw. wem die Schuld letztendlich zugeschrieben wird.

Zum einen wäre da die TNI. Es wäre nicht das erste Mal, dass die TNI einen Vorfall inszeniert, um ein härteres Vorgehen gegen die OPM und separatistische Strömungen zu rechtfertigen. Die immer lauter werdenden Unabhängigkeitsbekundungen der Papuas sind der indonesischen Regierung und vor allem der indonesischen Armee ein Dorn im Auge. Vor allem nach dem Verlust Osttimors wird sie alles daran setzen, in Westpapua nicht Ähnliches geschehen zu lassen. Denkbar wäre in einem solchen Fall auch, dass die TNI Papuas dafür angeheuert hat, den Anschlag auszuführen. Dadurch, dass nun auch Amerikaner von der Gewalt betroffen sind, könnte sich die TNI erhoffen, auf diese Weise Washington und die internationale Gemeinschaft von der Gefährlichkeit der OPM zu überzeugen um somit nicht nur die versprochenen US$ 50 Millionen Militärhilfe für den Kampf gegen den Terrorismus zu bekommen, sondern auch freie Hand in der Verfolgung der „terroristischen“ Rebellen. Schon in der Vergangenheit hat die TNI von verschlechterten Sicherheitsbedingungen im Umfeld der Mine profitiert. Freeport hat bisher in der Verteidigung seiner Mine gegenüber Angriffen durch die einheimische Bevölkerung umstrittener Weise auf die Hilfe des indonesischen Militärs gesetzt - und dafür gut bezahlt. Es wird berichtet, dass die TNI seit einiger Zeit auf höhere Schutzgeldzahlungen drängt. Sollte es ihr gelingen, der OPM die Schuld in die Schuhe zu schieben, dann könnte sie damit ihrer Forderungen gegenüber Freeport Nachdruck verleihen.
Dieses Nachdrucks bedarf es unter anderem aufgrund des im Juli in den USA im Zuge des Konkurses von Enron und anderen Gesellschaften verabschiedeten Gesetzes, das große Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Finanzen transparenter zu gestalten. Schutzgeldzahlungen von Freeport an TNI könnten sich somit in Zukunft als schwieriger erweisen. Ein weiteres Hindernis ist aus Sicht der TNI, dass sich in den letzten Monaten das Verhältnis zwischen Freeport und der einheimischen Bevölkerung durch ständige Konsultationen entspannt hat, wodurch die Notwendigkeit einer militärischen Bewachung zunehmend in Frage zu stellen ist.

Zum anderen ist da die OPM - die im Grunde nichts zu verlieren hat. International genießt sie kein besonders hohes Ansehen und vom indonesischen Militär wird sie ohnehin wegen früherer Taten verfolgt. Kelly Kwalik ist der Führer der OPM-Fraktion in der Region Timika, wo der Anschlag stattfand. Obwohl die OPM der Idee von sogenannten „Friedenszonen“ offen und wohlwollend gegenüber steht, wie Vertreter der papuanischen Menschenrechtsorganisation ELS-HAM berichten, bleibt die OPM eine unberechenbare Organisation und Kwalik eine kontroverse Figur. Unter seinem Kommando wurde 1996 eine Gruppe von ausländischen und indonesischen Forschern im Hochland von Westpapua entführt (s. Indonesien-Information Nr. 1/96). In den darauf folgenden Verhandlungsgesprächen zeigte sich Kwalik wenig kooperativ  und brach wiederholt Vereinbarungen. Die Geiseln wurden schließlich von einer Eliteeinheit des indonesischen Militärs befreit, wobei zwei der indonesischen Geiseln ihr Leben ließen. Die anschließende Sicherheitsoperation, die das Militär in dem Gebiet durchführte, wurde begleitet von zahlreichen schweren Menschenrechtsverletzungen an der Bevölkerung.

Dennoch gehen sowohl der Direktor von ELS-HAM, John Rumbiak, als auch die in London ansässige Menschenrechtsorganisation Tapol davon aus, dass die OPM mit den Anschlägen vom 31. August nichts zu tun hat. „Die meisten der Guerilla-Führer in der Provinz stehen nun auf dem Standpunkt, sich für ihre politischen Forderungen friedlich einzusetzen“, betonte Rumbiak am Dienstag nach den Anschlägen in Sydney /IAWP, 3. September 2002/. Es bleibt zwar fraglich, was sich Kwalik und seine Kollegen von einem Friedensabkommen versprechen, da die OPM als bewaffnete Organisation in der Diplomatie wohl kaum mehr eine bedeutende Rolle spielen würde. Doch wären die Folgen für den Friedensprozess in Westpapua fatal, falls die OPM tatsächlich für den Anschlag verantwortlich gemacht wird. Dann würde die TNI in der Verfolgung der Rebellen freie Hand haben. Welche Konsequenzen eine solche Aktion für die Menschenrechtssituation in Westpapua haben würde, ist aus Fällen wie Aceh und Osttimor zu Genüge bekannt.

Der Vorfall offenbart jedoch auch, dass hier unter der Oberfläche ein Machtkampf zwischen dem indonesischen Militär (TNI) und der indonesischen Polizei (Polri) ausgetragen wird. Seitdem die Polizei nicht mehr Teil der Streitkräfte ist, zieht sich dieser Machtkampf durch diverse Konflikte in Indonesien. Während der Militärkommandant von Westpapua, Mahidin Simbolon, die Schuld ohne jegliche Beweise sofort Kelly Kwalik und Titus Morib, dem Führer einer radikalen OPM-Splittergruppe, zuschrieb, bemühen sich sowohl der indonesische Polizeichef, Da’i Bachtiar, als auch sein Kollege in Papua, I Made Pastika, um eine betont neutrale Herangehensweise und handeln sich so den Ärger des Militärs ein. Die Polizei schließt weder eine Involvierung des Militärs aus, noch eine Verstrickung der OPM oder anderer einheimischer Papua, die mit einem solchen Anschlag ihrer Unzufriedenheit an einer Nicht-Beteiligung an den Freeport-Erträgen Ausdruck verleihen könnten. Inwiefern diese Rivalität jedoch ursächlich für die Anschläge sein könnte, ist reine Spekulation. Es ist aber anzunehmen, dass der Konflikt zwischen TNI und Polri der Aufdeckung des Vorfalls nicht gerade förderlich sein wird.

Es bestehen somit berechtigte Zweifel daran, ob der Fall jemals aufgeklärt wird. Zwar wurde am Tatort vom Militär verwendete M-16 Munition gefunden, wie sie bei der TNI Verwendung findet, doch ist nicht auszuschließen, dass auch die OPM und andere Gruppen Zugang zu automatischen Waffen dieser Art haben. Die indonesische Armee präsentierte Journalisten am Tag nach dem Anschlag bereits die Leiche eines Papua, den sie angeblich am selben Tag in einem Gefecht am Tatort umgebracht hatte und den sie als OPM-Mitglied identifizierte. Doch bestehen auch in diesem Zusammenhang Unklarheiten. Polizeichef I Made Pastika behauptete, der Tote sei schon wenige Stunden nach seiner angeblichen Erschießung starr gewesen. „Ich habe den Körper selbst gesehen. Er war schon starr, als wir ihn gefunden haben. Wenn der Körper schon starr ist, muss er seit mindestens 12 Stunden tot sein. Nach Angaben der Soldaten haben sie den Mann um 11.40 Uhr erschossen, und wir waren um 14 Uhr dort“ /The Age 16. September 2002/. Zudem ergab die Autopsie des Leichnams nach Angaben Pastikas, dass der Mann schon seit Monaten so schwer krank gewesen sein muss, dass er zu Untergrundaktionen nicht mehr in der Lage gewesen wäre.

Auch vorliegende Zeugenaussagen stiften bisher nur Verwirrung. Angesichts des dichten Nebels am Tatort wollte zunächst niemand die Täter erkannt haben. Mittlerweile jedoch gibt es sowohl Zeugen, die die Angreifer als Soldaten identifizierten, als auch solche, die Papuas erkannt haben wollen. So berichtete Pastika, von vier Augenzeugen, die von der indonesischen Polizei befragt worden waren. „Sie beschrieben die Männer als Papuas, die Jacken trugen“ /Washington Post, 15.September 2002/. Rumbiak hingegen bezieht sich auf Zeugen, die Männer in Militäruniformen am Tatort erkannt haben wollen. „Zwei Zeugen gaben an, dass sie zur Zeit des Überfalls Personen in Militäruniformen gesehen haben“ /AFP, 13.September 2002/. Unstimmigkeiten solcher Art erschweren neben den gegenseitigen Schuldzuweisungen eine lückenlose Aufklärung des Falles. Bleiben die Täter weiterhin im Dunkeln, wird die TNI es vermutlich verstehen, ihren Vorteil aus diesem Anschlag zu ziehen. <>
 
 

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