Indonesien-Information Nr. 3 1994 (Atomkraft)

 

 
 
 

Tanz auf dem Vulkan von Java

Die Atomlobby setzt für die Zukunft auf den Markt in Südostasien / Treffen der Anti-AKW-Bewegungen der Region im Oktober in Südkorea

Von Susanne Krispin


Berlin (taz) - Fast verzweifelt hält die Atomlobby Ausschau nach neuen Märkten. Denn nach Tschernobyl kam der weltweite Ausbau der Kernenergie fast völlig zum Stillstand. Im Bau sind jetzt noch 55 Reaktoren in 18 Ländern. Neue Projekte sind jedenfalls in der alten Welt nicht durchzusetzen.

So geriet denn auch die heute zu Ende gehende Konferenz der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) in Wien zum ostasiatischen Basar der Atomstromer. Denn vor allem in China, Indien, Korea, Taiwan und Indonesien wollen die westlichen Atomkonzerne jetzt das ganz große Geschäft machen. Daher waren die Umworbenen nach Wien geladen, um ihre Bedingungen, Wünsche und Optionen aufzusagen. Die Atomlobby muß offenbar inzwischen schon sehr laut pfeifen, um überhaupt auf sich aufmerksam zu machen.

Im Westen sorgt vor allem die ungeklärte Frage der Entsorgung und die Skepsis hinsichtlich der Sicherheit der Atomtechnologie für mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Industrie ist zudem zögerlich wegen der hohen Kosten, die etwa beim Abriß der Alt-Meiler anfallen. Experten schätzen, daß die Demontage einer Anlage mehrere hundert Millionen Dollar kostet.

In den USA ging seit 1979, nach dem GAU in Harrisburg nichts mehr. Heute sind noch 109 Meiler am Netz, das ist ein Viertel aller Atomanlagen der Welt. Die USA versuchen jetzt nicht nur in Osteuropa Fuß zu fassen, sondern auch in Südostasien. Doch während die Russen nach wie vor der Meinung sind, sie können ihren Anteil an Atomstrom innerhalb der nächsten 15 Jahre auch aus eigener Kraft verdoppeln, sind die Chancen in Südostasien weit besser. Hier sind Amerikaner, Deutsche und Franzosen willkommen. Japan (30 Prozent Atomstrom) hätte durchaus das technische Know- how, um bei den Nachbarn die Atomtechnik zu installieren. Doch die Japaner sind dort politisch äußerst unbeliebt.

So will denn der amerikanische Konzern Westinghouse im wesentlichen den Plan umsetzen, von 1995 an einen Park von 12 neuen Atomreaktoren in Indonesien zu errichten. Und zwar auf dem rissigen Vulkangestein von Java, dort wo außerdem die Flutwellen eigentlich jeden größeren Bau unmöglich machen. "Das Projekt ist äußerst umstritten, doch die Regierung Suharto will daran festhalten, um die Technik auch für militärische Zwecke zu nutzen", sagt Huk Ahn vom Frankfurter Verein "Watch Indonesia". Auch wenn völlig unklar sei, ob die Regierung diesen Atompart je bezahlen kann. Erst in der letzten Woche hatte es im Kernforschungszentrum 30 Kilometer südwestlich der indonesischen Hauptstadt Jakarta eine Explosion gegeben, bei der eine Frau ums Leben kam und ein Mitarbeiter schwer verletzt wurde. In der dicht besiedelten Region leben etwa 30 Millionen Menschen. Der Siemens-Reaktor des Kernforschungszentrums soll nicht ausreichend gesichert sein. Von dem Unfall, der sich nicht im Reaktorraum selbst ereignet haben soll, war in der indonesischen Presse jedoch nichts zu erfahren. Während Indonesien und Thailand die Atom-Newcomer sind, soll die Atom-Kapazität von Taiwan und Südkorea ausgebaut werden. In Taiwan will man die Zahl der sechs Reaktoren auf acht erhöhen.

Große Hoffnungen setzt die Atomlobby auf den boomenden Markt in China, eines der Länder mit dem stärksten Wirtschaftswachstum. Bis zum Jahr 2015 erwartet die chinesische Regierung eine Verdreifachung des Strombedarfs auf 2.480 Terawattstunden (eine Terawattstunde sind eine Milliarde Kilowattstunden). Diese gigantische Zahl nannte der Vizechef der chinesischen Kernkraftbehörde Shen Wen Quan in Wien. Wie er sagte, könne diese Menge Strom nicht durch Kohlekraftwerke gedeckt werden. Und er nannte auch gleich die beängstigende Zahl von drei Milliarden Tonnen Kohle, die verbrannt werden müßten, um das chinesische Energiefaß ohne Boden zu speisen. Aus "Umweltschutzgründen", wie Shenn es formulierte, will China darum auf die Atomkraft setzen. Bis Ende 1993 hatte China zwei Atommeiler am Netz, die 0,3 Prozent der Energie erzeugten. In diesem Jahr kam der Kernreaktor in Guangdong hinzu. Die künftigen AKW sollen, nach Shens Vorstellungen vor allem an der Südost-Küste des Landes gebaut werden. Dort im Wachstumszentrum, so Shen, fehle es an Kohle- und Wasserkraftreserven zur Stromerzeugung.

Längst hat sich in den Ländern wie Taiwan und Südkorea auch der Widerstand gegen die asiatischen Atompläne formiert. Dies veranlaßte den Stromkonzern Tai-power, kürzlich in der Presse zu drohen, er werde demnächst den Strom abschalten, damit jeder mal sehen kann, wie nötig man ihn brauche.
Im Oktober wird es in Südkorea (40 Prozent Atomstrom) erstmals ein großes Treffen der gesamten Anti-Akw-Bewegung Südostasiens geben. <>

taz, 8.09.94

Anmerkung der Red.: Wir wollen uns nicht mit fremden Lorbeeren schmücken. Deshalb sei darauf hingewiesen, daß unser Freund Hok An nicht, wie in obigem Artikel erwähnt, Vertreter eines Frankfurter Vereins Watch Indonesia! ist, sondern seine Äußerungen als Sprecher des 'Nyamuk-Indonesien-Forums' machte. 'Nyamuk' ist ein Zusammenschluß mehrerer Gruppen und Einzelpersonen gegen Atomkraft in Indonesien, dem auch Watch Indonesia! e.V. mit Sitz in Berlin angehört.

Weitere Informationen über 'Nyamuk' und die Anti-Atom-Kampagne geben auf Anfrage:
Watch Indonesia! c/o Juliane Hansen, Reuterstr. 50, 12047 Berlin
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