Indonesien-Information Nr. 3 1994 (Religion)

 

 

Der Konflikt um die Batak-Kirche


Im Juni dieses Jahres sah man in einigen Zeitungen seltsame Bilder aus Jakarta: eine Schar von Priestern in Talar, die vor dem indonesischen Parlament demonstrierte. Es handelte sich um ca. 200 Geistliche der HKBP (Huria Kristen Batak Prostestan) aus Nord-Sumatra, hier bekannter unter dem Schlagwort der „Batak-Kirche“. Mit fast 3 mio Mitgliedern stellt sie die größte protestantische Gemeinde des Landes dar - unter anderem ein Ergebnis der intensiven Tätigkeit der Rheinischen Missionsgesellschaft, die schon 1860 im Batak-Gebiet aktiv wurde. Bis heute bestehen enge Beziehungen zwischen der HKBP und der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal.

Der Protest der Priester weist nicht, wie man meinen könnte, auf einen religiösen Konflikt - etwa zwischen Christen und Moslems - hin, sondern vielmehr auf eine Auseinandersetzung zwischen der HKBP-Kirche und dem Militär.

Anfang 1993 hatte das Militär mittels einer „Sondersynode“ den gerade zum Ephorus (Erzbischof) wiedergewählten Dr. A.S.E. Nababan abgesetzt und statt dessen seinen Rivalen Rev. P.W.T. Sanjuntak ins Amt gehoben. In ihm sahen die Militärs einen geeigneteren Verbündeten, während ihnen Nababan aus verschiedenen Gründen ein Dorn im Auge gewesen war.

Hinter Nababan steht jedoch weiterhin ein Großteil der Kirchenmitglieder, nicht zuletzt wegen seiner Förderung von Sozialprogrammen, die - auch wenn Nababan selbst als relativ autoritäre Persönlichkeit bekannt ist - seit 1986 ausdrücklich zum Aufgabenfeld der HKBP gehören. Eben diese Projekte brachten die HKBP in Konflikt mit der ökonomischen und militärischen Elite in Nord-Sumatra. Für Zündstoff sorgten vor allem die Aktivitäten der KSPPM ('Kelompok Studi Pengembangan Prakarsa Masyarakat' oder 'Studiengruppe zur Entwicklung von Selbsthilfegruppen') gegen die Papierfabrik PT Inti Indorayon in Nord Tapanuli, deren Bau und Betrieb massive Landenteignungen sowie Umweltzerstörungen mit sich brachten.

Seit Anfang der 90er Jahre spielt darüberhinaus die KPS ('Kelompok Pelita Sejahtera' oder die 'Licht des Wohlstands-Gruppe') als HKBP-nahe NGO eine wichtige Rolle. Sie organisiert Arbeiter in der Region um Medan und unterstützt diese bei Streiks, welche im Mai dieses Jahres in Großdemonstrationen und Massenarbeitsniederlegungen gipfelten. Es war aber auch die Jagd nach Posten, die das Militär veranlaßte, sich eine loyale Kirchenleitung zu schaffen. Denn ohne Zustimmung der einflußreichen HKBP kann in Nord-Sumatra niemand Gouverneur werden. In dieses lukrative Amt gelangte Generalmajor Pramono (bis 1992 Militärkommandant der Region) nur, indem er Nababans Rivalen PWT Simanjuntak und Rev. SM Siajaan unterstützte, die ihm daraufhin ihrerseits die Würde eines „Ehrenministers“ der Batak-Kirche verliehen. Auch General a.D. Maraden Panggabean (in den 70ern Militär- und Geheimdienstchef, später Sicherheitsminister und Golkar-Vorstandsmitglied) mischte sich in die Angelegenheiten der HKBP ein. Erst trat er selbst - erfolglos - gegen Nababan an, dann förderte er Simanjuntak und Gen. Pramono. Von ihm wie von Gen. Pramono ist bekannt, daß sie in enger Verbindung mit dem Indorayon-Konzern stehen.

Die so von militärischer Seite geförderte Spaltung der HKBP vertiefte sich im Laufe der Zeit: Wilden Hetzkampagnen gegen Nababan begegnete dieser, indem er einen Teil seiner Gegner kurzerhand aus der HKBP ausschloß, woraufhin ihn die Regierung in Jakarta verwarnte. Im August 1990 verweigerten die regionalen Polizeibehörden der HKBP die Erlaubnis, eine Synode abzuhalten, und unter der Schirmherrschaft von Gen. a.D. Panggabean wurde ein sog. „Schlichtungskommittee“ eingesetzt, das faktisch jedoch nur zur Verschärfung der Fronten beitrug. Mit Unterstützung des Militärs nötigte es die Bevölkerung im Batak-Gebiet zu Kundgebungen, während denen Diffamierungen von Nababan verbreitet wurden. Ende 1992 setzte ein zweites von der Regierung initiiertes Schlichtungskommittee fest, daß Nababan nicht erneut zum Ephorus gewählt werden dürfe. Nichtsdestotrotz wurde er nominiert. Darufhin änderte das Militär seine Strategie. Hatte es bis dahin mittels indirekter Einmischung eine Polarisierung innerhalb der HKBP bewirkt, trat es nun mit offener Gewalt auf den Plan. Die 51. Synode der HKBP in Tarutung wurde durch hunderte von bewaffneten Soldaten gesprengt. Offiziell lag nun die Ernennung der HKBP-Führung in Händen der Regierung. Gegen den vorübergehend zum Ephorus ernannten SM Siahaan erhob sich sofort lauter Protest, der jedoch vom Militär niedergeschlagen wurde.

Im Februar 1993 fand im Tiara Hotel in Medan eine „Sondersynode“ statt, während der PWT Simanjuntak das Amt des Ephorus zugesprochen wurde. Nababan und seinen Unterstützern, sie sich AP-SSA-Gruppe („aturan dan peraturan“; „setia sampai akhir“ d.h. die „rechtmäßigen, bis zum Schluß Loyalen“) nennen, sollte systematisch das Wasser abgegraben werden, indem in der Folgezeit AP-SSA-Minister durch Anhänger von Simanjuntak ersetzt wurden. Diese (benannt nach der Sondersynode „sinode agung istimewa“ SAI-Tiara-Gruppe) erhielten jedoch kaum Unterstützung durch ihre Gemeinden. Wahre Kämpfe um einzelne Kirchen entbrannten, da beide Gruppen die sonntäglichen Gottesdienste abhalten wollten.

Bei Auseinandersetzungen um HKBP-Eigentum, die von beiden Seiten gewaltsam geführt wurden, erhielt die SAI-Tiara-Gruppe massive Unterstützung durch das Militär, während zahlreiche AP-SSA-Anhänger verhaftet wurden. Internationale Menschenrechtsorganisationen berichten von Folter und schweren Mißhandlungen, denen die Verhafteten ausgesetzt waren. Gleichzeitig beteiligte sich das Militär an der Vertreibung von AP-SSA-Ministern aus ihren Wohnhäusern, die in kirchlichem Besitz sind. Rede- und Versammlunsverbote für die AP-SSA-Gruppe wie auch für Nababan selbst wurden erlassen. Überdies nahm die SAI-Tiara-Gruppe „Premans“ (Kriminelle) in ihren Sold, die für sie HKBP-Minister in ihren Privathäusern drangsalierten und ihre Anhänger einschüchterten. Es ist bekannt, daß Premans, organisiert in Gruppen wie „Pemuda Pancasila“ (Panscasilajugend), immer wieder als Schlägertrupps vom Militär eingesetzt werden, wie z.B. bei den anti-chinesischen Ausschreitungen während der Arbeiterproteste im April dieses Jahres. Seit Anfang 1994 operieren diese paramilitärischen Truppen, genannt Satgas, offiziell für die SAI-Tiara-Gruppe. Sie sind uniformiert und wurden vom Militär ausgebildet. Offenbar stehen sie auch in engen Zusammenhang mit dem Indorayon-Konzern, dessen eigene Sicherheitskräfte in Satgas-Aktionen beteiligt sind.

Zu gewaltsamen Zusammenstößen kam es auch bei einem Ostergottesdienst in Narumonda, zu dem trotz Militäraufgebot ca. 20.000 Gläubige kamen, um Nababans Messe beizuwohnen /Human Rights Watch/Asia, September 94/. Einen Monat später lynchten AP-SSA-Anhänger einen Polizisten, den man verdächtigte, mit den Satgas-Gangs zusammenzuarbeiten, welche schon wochenlang die Bevölkerung von Nord-Tapanuli terrorisiert hatten. Berichten der Rechtshilfeorganisation LBH zufolge flüchteten hunderte von Familien aus dem Gebiet, da Satgas auch gegen die lokale Bevölkerung vorgeht und in mehreren Dörfern Häuser gestürmt und zerstört hat /Tapol, Juni 94/. In Duri, Riau, kamen bei Zusammenstößen, die von Simanjuntaks Leuten provoziert worden waren, vier Menschen ums Leben. Ende Mai wurde Herbert Hutasoit, ein Mitarbeiter des 'Forums zur Untersuchung von Menschenrechtsvergehen an Kirchenmitgliedern', während seinen Nachforschungen in Banualuhu verschleppt und etwas später tot aufgefunden. Bei den darauffolgenden Untersuchungen der Polizei wurde offensichtlich, daß diese eher an einer Vertuschung des Mordes, denn an seiner Aufklärung interessiert war /Tapol, August 94/. Im selben Monat wurden drei AP-SSA-Minister sowie ein Studentenaktivist der HKBP in Tarutung festgenommen, denen man vorwarf, ein nichtgenehmigtes Treffen abgehalten zu haben. Ihren eigenen Angaben zufolge handelte es sich um eine Familienfeierlichkeit. In Haft wurden sie von den Militärbehörden wiederholt gefoltert und mußten, nachdem die Anklage fallengelassen wurde, noch lange in einem Krankenhaus in Jakarta versorgt werden /Human Rights Watch/Asia, September 94/.

Gegen diese Übergriffe demonstrierten im Juni dieses Jahres über 200 HKBP-Minister vor dem indonesischen Parlament. Sie forderten ein Ende der militärischen Einmischung in Kirchenangelegenheiten, die Auflösung der Satgas-Truppen und eine demokratisch abgehaltene Synode zur Wahl eines neuen Ephorus. Außerdem forderten sie die Verurteilung von Gen. Pramono für die eigenmächtige Ernennung von Simanjuntak zum Ephorus. Rev. Martono Sitinjak, der die Demonstration anführte, erklärte, seit verganenem Jahr seien insgesamt 220 HKBP-Minister in Haft gefoltert worden, einige von ihnen befänden sich immer noch in Haft /Tapol, Aug. 94/. <>
 
 

Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage