Indonesien-Information Nr. 3 1994 (Wirtschaft)

 

 

Goldjungs


Unbeeindruckt von den fortwährenden Menschenrechtsverletzungen in Indonesien und Ost-Timor beschloß das Konsortium der Geberländer, CGI (Consultative Group on Indonesia), die Finanzhilfe für Indonesien erneut aufzustocken. Satte US$ 5,2 Milliarden erhält Indonesien von der Gruppe, die sich im Juli zu ihrem Jahrestreffen in Paris versammelt hatte. Die Finanzhilfe übertrifft damit sogar die von Indonesien angemeldeten Wünsche um mehr als US$ 200 mio. Auch die anläßlich des 50-jährigen Bestehens der Weltbank wieder lauter werdende Kritik an deren Geldvergabepolitik ließ das Konsortium, in dem die Weltbank das Sagen hat, unbeeindruckt.

Den Löwenanteil der in Paris zugesagten Finanzhilfe tragen wie gehabt Japan (US$ 1,76 mrd), die Weltbank (US$ 1,5 mrd) und die Asian Development Bank (US$ 1,1 mrd). Japan signalisiert damit sein ungebrochenes Interesse, die wirtschaftliche Vormachtstellung in Asien zu behalten - und auszubauen. Die japanische Hilfe liegt um US$ 320 mio höher als im Vorjahr (US$ 1,44 mrd), nachdem sie bereits damals um US$ 120 mio zugenommen hatte. Allein dieser Zuwachs ist doppelt so hoch wie die gesamte Finanzhilfe, die Deutschland zu dem Milliardenpaket beiträgt. Dabei behauptet Deutschland mit US$ 157,41 mio nach den drei „Riesen“ immerhin den vierten Platz unter den Geldgebern.

Der massive Einstieg in den wachsenden asiatischen Markt ist mit den Geldern der europäischen Staaten nicht zu erkaufen. Um mehr als das 11-fache übertrifft Japan seinen „schärfsten“ Konkurrenten Deutschland. Dessen vierter Rang unter den Geldgebern ist eher als „Dankeschön“ für erfolgreiche Waffengeschäfte zu werten, ebenso wie die Hilfe aus Großbritannien, die mit US$ 150,49 auf Rang 5 folgt. Noch 1993 gab Großbritannien nur US$ 98 mio, 1992 waren es gar „lächerliche“ US$ 35 mio.

Der Weltbank-Vizepräsident für den Bereich Asien, Gautam Kaji, erklärte in einer abschließenden Pressekonferenz, Menschenrechtsfragen seien während des Treffens in Paris nicht erörtert worden. Auch die Frage nach der politischen Stabilität Indonesiens wischte Kaji beiseite. Man habe nicht über die Nachfolge Präsident Suhartos gesprochen. Was zähle, sei die wirtschaftliche Stabilität und diese sei seit 30 Jahren gegeben, es gebe daher keinen Anlaß, sie für die Zukunft in Zweifel zu ziehen.

Derartige Äußerungen erscheinen nicht nur moralisch verwerflich, sondern zeugen auch von einer finanzpolitischen Blauäugigkeit, auf die ein bedürftiger Kleinkreditnehmer im allgemeinen bei seiner Bank nicht spekulieren kann. In ihrem Eifer, Indonesien im besten Licht dastehen zu lassen, scheuten die Vertreter des CGI auch nicht davor zurück, die Zahlenspiele der Regierung Suharto zu übernehmen: Indonesien habe es geschafft, die Zahl der Armen, ausgehend von 60 % im Jahre 1970, auf heute unter 14 % der Bevölkerung zu drücken. Ein nur wenige Stunden dauernder Aufenthalt in Indonesien könnte den Bankern vor Augen führen, daß diese Zahl um Größenordnungen zu niedrig gegriffen ist. Die Zeitung Suara Rakyat vom Juni 1993 schätzt die Zahl der Armen in Indonesien auf 120 mio Menschen, das sind 63 % der Bevölkerung. Dabei gilt als arm, wer über maximal Rp. 1.000 pro Tag (ca. 80 Pfennig) verfügt (s. Indonesien-Information, Sep. 1993).

Wie ist es zu erklären, daß mächtige, d.h. finanzkräftige, Institutionen wie die Weltbank oder die CGI Indonesiens Regierung nach dem Munde reden?

Indonesien hat eine der höchsten Auslandsverschuldungen der Welt, der Schuldendienst frißt regelmäßig mehr als ein Drittel des Staatshaushaltes auf. Und längst ist Indonesien eines der Länder, deren Aufwendungen für die Rückzahlung von Zins und Tilgung die Einnahmen aus Entwicklungshilfegeldern bei weitem übersteigen. Im Finanzjahr 1993/94 erhielt Indonesien Rp. 9,126 Billionen (ca. DM 7,3 mrd) Finanzhilfe aus dem Ausland, während Rp. 16,712 Billionen (ca. DM 13,4 mrd) an Zins und Tilgung zurückgezahlt wurden, ein Minus von Rp. 7,586 Billionen (DM 6,1 mrd). Doch durch sein beständiges Wirtschaftswachstum und die pünktliche Rückzahlung sämtlicher bislang aufgenommener Kredite gilt Indonesien als „Goldjunge der internationalen Schuldnergemeinschaft“, wie ein Experte der Weltbank sagt.

Wie die US-amerikanische Gruppe Project for Demilitarization an Democracy in einem am 19. April 1994 vorgelegten Bericht kritisiert, verzichtet die Weltbank bei Zahlungen an Indonesien als einzigem Land der Welt auf sonst übliche formale Verpflichtungen bezüglich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Zielsetzung einzelner Projekte. Ein früherer Funktionär der US-Agency for International Development erläuterte: „Von Anfang an hat sich Indonesien geweigert, irgendwelche Bedingungen zu unterschreiben. Sie empfinden das als Erniedrigung. Deshalb gab es immer nur informelle Vereinbarungen, bei denen nichts schriftlich festgehalten wurde, und die Indonesier haben immer ihren Teil der Vereinbarung eingehalten, also wird weiter so verfahren.“

Aus ähnlichen Gründen verzichtet Indonesien auch weitgehend darauf, Gelder aus dem IDA-Topf (International Development Agency) der Weltbank anzunehmen. IDA-Kredite stehen grundsätzlich allen Ländern der Welt zu, deren Bruttosozialprodukt pro Kopf geringer ist als US$ 500 pro Jahr. Diese Kredite sind besonders zinsgünstig und haben lange Laufzeiten bis zu 50 Jahren. Allerdings sind IDA-Kredite zur direkten Armutsbekämpfung gedacht und können nicht ohne weiteres für Infrastrukturprojekte benutzt werden, die bestenfalls indirekt und mit etlichen Jahren Zeitverzögerung der Armutsbekämpfung dienen. Doch da Indonesien genau auf solche Infrastrukturmaßnahmen setzt und sich generell nicht gerne in die Karten schauen läßt, nimmt es lieber Kredite der Weltbank zu marktnahen Bedingungen an und überläßt die günstigen IDA-Gelder anderen.

Auch die Weltbank weiß natürlich, daß Indonesien ihr die Kontrolle über den Endverbleib der Gelder nicht leicht macht. Auf die Frage, wieviel der zur Verfügung gestellten Gelder wohl in dunklen Kanälen versickern, antwortete ein Weltbank-Vertreter in Jakarta: „ungefähr ein Drittel“.

Die Art, wie Weltbank und CGI Indonesien mit Samthandschuhen anfassen, mag übertrieben erscheinen. Doch Jakarta läßt keinen Zweifel daran, daß es nicht gewillt ist, sich irgendwelchen Bedingungen zu unterwerfen. Als Holland meinte, nach dem Massaker von Dili 1991 Kritik an Indonesien üben zu müssen, ließ Indonesien das bis dahin von Holland angeführte Geberkonsortium IGGI platzen und verzichtet bis heute auf finanzielle Hilfe aus den Niederlanden. Als Nachfolgeorganisation von IGGI wurde dann die jetzt existierende CGI aus der Taufe gehoben.

Kurz vor der jüngsten CGI-Jahrestagung in Paris, erfuhr der Fall eine Wiederholung. Diesmal legte sich Indonesien mit Kanada an. Die kanadische Universität Guelph führte seit 10 Jahren ein Projekt zur ländlichen Entwicklung auf Sulawesi durch, das von vielen für seine Erfolge gelobt wurde. Ein knappes Jahr vor Abschluß des $38 mio-Projektes kündigte Indonesien nun alle Verträge und forderte die Universität auf, sich bis zum 20.7.94 vollständig aus Sulawesi zurückzuziehen. Der Grund: An der Universität Guelph war ein Bericht erschienen, der Indonesien wegen Verletzungen der Menschenrechte kritisierte. /Jakarta Post, 21.7.94; Pressekonferenz der CGI, 8.7.94; Kompas, 13. u. 14.6.94; Project on Demilitarization and Democracy - Financing Military Rule: The Clinton Administration, the World Bank, and Indonesia, 19.4.1994; Toronto Star, 4. u. 14.7 94/ <>
 
 

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